Fleischfressende Bakterien
Was Sie zum Vibrionen-Alarm an der Ostsee wissen müssen
Ein Bad in der Ostsee kann wegen fleischfressender Bakterien vor allem für gesundheitlich angeschlagene Menschen gefährlich sein. Die Stadt Kiel warnt jetzt vor Vibrionen. Die Wassertemperaturen seien ideal für deren Ausbreitung.
Von Markus Brauer
Mit den steigenden Wassertemperaturen in der Ostsee vermehren sich auch Vibrionen-Bakterien. Wichtige Fragen und Antworten zu einem besorgniserregenden Thema in der aktuellen Badesaison:
Seit wann gibt es die Vibrionen-Warnung?
Wassertemperaturen über 20 Grad Celsius sind ideale Bedingungen für eine Ausbreitung dieser Bakterien, die bei Menschen schwere Wundinfektionen auslösen können, wie die Stadt Kiel mitteilt. Aktuell würden diese Temperaturen an den Kieler Badestellen erreicht.
Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS) von Mecklenburg-Vorpommern vermeldete am 16. Juni die erste Vibrionen-Infektion in der aktuellen Badesaison. Infiziert hatte sich demnach eine Frau aus Mecklenburg-Vorpommern. Eine offene Wunde kam in Kontakt mit Ostseewasser bei Strandspaziergängen. Die 55-Jährige hat eine chronische Vorerkrankung. Die Infektion, die sehr schnell erkannt wurde, sei ambulant behandelt worden.
Vibrionen in Ostsee und Nordsee: Wie infiziere ich mich und wo kommen sie vor? https://t.co/sUHXdpoPfO — reisereporter (@REISEREPORTERde) July 31, 2024
Was sind Vibrionen?
Bei Vibrionen handelt es sich um das Stäbchenbakterium Vibrio vulnificus, das natürlicherweise in Meer- und Brackwasser vorkommt und mit dem Choleraerreger verwandt ist. Laut LAGuS ist seit dem Jahr 1993 bekannt, dass Vibrionen in der Ostsee vorkommen und schwere Wundinfektionen bis hin zu einer tödlich verlaufenden Sepsis verursachen können.
Eine Infektion kommt allerdings sehr selten vor. Im Sommer 2003 wurden den Gesundheitsbehörden in Ostvorpommern zwei schwere Wundinfektionen gemeldet, von denen eine tödlich verliefen.
Was sind die Folgen eines Kontakts?
Vibrionen können über Hautverletzungen in den Körper eindringen und bei Menschen mit chronischen Grunderkrankungen sowie Älteren zu schweren Wundinfektionen und Sepsis (Blutvergiftung) führen.
Vibrionen können schwere bakterielle Wundinfektionen mit tief greifenden Nekrosen – also dem Absterben von Körperzellen und einzelnen Gliedern – auslösen. Symptome sind etwa starker lokaler Schmerz, Fieber und Schüttelfrost.
Wer mit Vibrionen kontaminierte Meeresfrüchte isst, die roh oder nur wenig gegart sind, oder kontaminiertes Meereswasser schluckt, kann sich eine Magen-Darm-Erkrankung zuziehen. Behandelt werden die Infektionen in der Regel mit Antibiotika.
Wie ist der Krankheitsverlauf?
„Die Infektion ist durch einen rasanten Verlauf mit hoher Sterblichkeitsrate gekennzeichnet“, warnt das LAGuS. Entscheidend für die Prognose sei „die frühzeitige Einleitung einer adäquaten Antibiotika-Therapie“.
Vibrionen-Infektionen werden von Brechdurchfall, starken Leibschmerzen und Hautentzündungen begleitet. Die bekannteste Vibrionen-Art, Vibrio cholerae, ist Erreger der Cholera – einer schweren bakteriellen Infektionskrankheit vorwiegend des Dünndarms.
Warum sind Vibrionen in der Ostsee verbreitet?
Nach Angaben von Experten kann sich der Erreger aufgrund des geringen Salzgehalts und Klimawandels an der Ostseeküste ausbreiten. Die Bakterien kommen aber auch in anderen Regionen der Welt vor. In Meerestieren wie Garnelen und Austern wurden die Erreger bereits nachgewiesen.
Die Zahl sommerlicher Vibrionen-Infektionen könnte in den kommenden Jahren in Folge der globalen Erwärmung insbesondere an der Ostseeküste weiter zunehmen. Grund dafür sind steigende Wassertemperaturen etwa der Meere und in Flussmündungen. Sie erleichtern den salztoleranten Bakterien die Ausbreitung.
Wer ist besonders gefährdet?
In den vergangenen Jahren lag die Zahl bekannter Erkrankungen in Deutschland laut Eckhard Strauch, Leiter des Konsiliarbüros für Vibrionen des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), im ein- oder niedrigen zweistelligen Bereich. Wie viele Menschen sich in diesem Jahr infizieren werden, hänge vom Wetter ab. Vereinzelt sei es in den vergangenen Jahren zu Todesfällen gekommen.
Junge und gesunde Erwachsene erkranken laut Robert Koch-Institut (RKI) nur selten an einer Vibrionen-Infektion. Gefährdet sind vor allem Personen mit bestimmten Grundrisiken wie chronischen Grundleiden (Lebererkrankungen, Alkoholabhängigkeit oder Diabetes mellitus), bestehender Immunschwäche (nach Transplantationen oder bei einer bestehenden HIV-Infektion) sowie Personen höheren Alters.
Wenn Badegäste zu diesen Risikogruppen gehören und Hautverletzungen vorhanden sind, sollte ein Kontakt mit Meer- oder Brackwasser unterbleiben.
Warum warnen Behörden vor erhöhtem Risiko in der Ostsee?
Seit Anfang Juni werden nach Angaben des LAGuS Proben an der Ostseeküste und in den küstennahen Bodengewässern entnommen und auf Vibrionen geprüft. Bei einem erhöhten Risiko werden Badende gewarnt.
An der Ostsee kann es zudem örtlich zur Blaualgenblüte kommen und an seichten Uferstellen können vermehrt Larven von Saugwürmern leben. Diese könnten etwa juckende Stellen an der Haut auslösen. Ob eine Badestelle belastet sei, könne im Internet in Erfahrung gebracht werden.