„Pebbling“
Was wir in Sachen Beziehung von Pinguinen lernen können
Wenn Pinguine ein Beziehung eingehen wollen, schenken sie sich gegenseitig Kieselsteine, englisch „pebbles“. Bei Menschen übernehmen neuerdings digitale Inhalte die Funktion der Steine.
Von Katja Raiher
Viele fragen sich, wie sie ihren Schwarm für sich gewinnen können – und lassen sich dafür teils ausgeklügelte Strategien einfallen. Möglicherweise könnten sie sich dafür allerdings auch von Eselspinguinen inspirieren lassen. Denn die schenken sich Kieselsteine und besiegeln damit ihre Beziehung.
Die in der Antarktis lebenden Vögel haben nur wenig pflanzliche Materialien, wie Äste oder Blätter, um ihre Nester zu bauen. Daher müssen sie auf Kieselsteine zurückgreifen, die sie an den Stränden des Kontinents, teilweise unter Schnee und Eis, bergen und im Schnabel zu den weiblichen Tieren tragen. Es können mehrere Kilogramm Steine sein, die sie so innerhalb weniger Tage mühevoll transportieren.
Sea Life Konstanz stellt Pinguinen Kiesel zur Verfügung
Wichtig: Für die Eselspinguine dürfen es nicht irgendwelche beliebigen Kiesel (englisch „pebbles“) sein. Die flugunfähigen Romantiker suchen möglichst schöne Steine aus, um die Pinguindamen von sich zu überzeugen. Laut Tierpfleger Dennis Arndt vom Sea Life in Konstanz sind es besonders kälteisolierende Steine, die den Weibchen gefallen.
Denn: Die Kiesel müssen für 30 bis 40 Tage die Kälte des Bodens von den Eiern des Pinguin-Paares fernhalten. Im Sea Life am Bodensee werden den Pinguinen zu diesem Zweck jedes Jahr im Frühling mehrere Kilogramm Flusskieselsteine zur Verfügung gestellt.
„Pebbling“ gibt es auch bei Menschen
In menschlichen Beziehungen ist das „Pebbling“-Verhalten an und für sich kein neues Phänomen. Es bezeichnet kleine, materielle Geschenke, mit denen Wertschätzung für das Gegenüber ausgedrückt wird. Das können beispielsweise ein ausgedrucktes Foto, die Lieblingssüßigkeit oder eine Notiz mit einer lieben Nachricht sein.
Die menschlichen Kieselsteine müssen keineswegs einen realen Wert besitzen, sondern für die betreffende Person ein Zeichen der Aufmerksamkeit und Fürsorge darstellen. Ein sehr teures, jedoch massentaugliches Geschenk kann in der Pinguin-Logik sogar schädlich sein: Das signalisiert nämlich, dass man sich nicht mit den individuellen Vorlieben der Zielperson beschäftigt hat.
Laut Psychologe ein Angebot für emotionale Bindung
Neuerdings wird der Begriff „Pebbling“ auch für den digitalen Raum verwendet. Es sind nicht mehr nur materielle, sondern auch digitale Materialien, die Menschen zum Beziehungsaufbau austauschen. Man „pebbelt“ etwa, wenn man einem Freund ein besonders lustiges Video schickt, das zu seinem Humor passt. Oder eine Bekannte unter einem Posting verlinkt (englisch „taggen“), das besonders auf ihr Leben Bezug nimmt.
Laut dem amerikanischen Psychologen Adam Grant zeigt das dem Empfänger, dass man an die Person denkt und mit ihr die eigene Freude über etwas teilen möchte. Jeder dieser digitalen Kiesel ist laut Grant ein kleines „Angebot an emotionale Bindung“.
Sending memes, links, and videos to others isn't trivial. It signals that you're thinking of them and want them to share your joy.It's known as pebbling, based on penguins gifting pebbles to potential partners.Pebbling is an act of care. Every pebble is a bid for connection. https://t.co/8YAJ2hLAEl — Adam Grant (@AdamMGrant) June 18, 2024
Gleichzeitig können auch beim digitalen „Pebbling“ Fehler unterlaufen. Nicht empfehlenswert ist es, dem potenziellen Schwarm wahllos Inhalte zu schicken, ohne seine Reaktion darauf zu bedenken. Ebenfalls abgeraten wird davon zu viele und zu häufige Kontaktversuche zu unternehmen. Wie bei Pinguinen ist die Qualität der Beiträge ausschlaggebend.
Das unterschreibt auch Tierpfleger Arndt vom Sea Life in Konstanz. Gleichzeitig sieht er den größten Unterschied zwischen Mensch und Vogel im Zweck des „Pebblings“: „Bei uns geht es darum, einander mit kleinen Gesten den Tag zu verschönern. Bei den Eselspinguinen hat es stets einen pragmatischen Hintergrund, da geht es um die Fortpflanzung.“
„Pebbling“ allein reicht nicht aus für stabile Beziehung
Folgt daraus, dass man seinen Schwarm für sich gewinnt, indem man ihm oder ihr zum Beispiel auf Instagram Memes – also interessantes oder witzige Bilder, Videos oder ähnliches – schickt? Das allein reicht leider nicht. Einem Online-Artikel des Wissenschaftsmagazins „Psychology Today“ zufolge kann das „Pebbling“ sowohl online als auch in der echten Welt nur ein erster Schritt sein.
Die ausgetauschten Medieninhalte könnten weitere, tiefergehende Gespräche auslösen. Außerdem überbrücke die digitale Kommunikation Zeit zwischen persönlichen Treffen. Heißt: Bei Menschen ist es dann wohl doch etwas anspruchsvoller mit dem Beziehungsaufbau als bei den Eselspinguinen.