Rechtsextremismus

Was wird aus dem AfD-Verbotsverfahren im Bundestag?

Soll man die AfD verbieten? Eine Gruppe von Abgeordneten will einen entsprechenden Antrag im Bundestag einbringen. Das sorgt für kontroverse Debatten in den Fraktionen.

Immer wieder gibt es Forderungen, die AfD zu verbieten.

© dpa/Michael Reichel

Immer wieder gibt es Forderungen, die AfD zu verbieten.

Von Rebekka Wiese

Wann genau er seine Meinung geändert hat, kann Marcel Emmerich heute nicht mehr sagen. Es passierte irgendwann im Laufe des vergangenen Jahres. „Man konnte sehen, dass sich die AfD immer stärker radikalisiert hat – und dass es innerhalb der Partei auch keine Versuche mehr gibt, diese Entwicklung aufzuhalten“, sagt der Grünen-Politiker im Gespräch mit dieser Redaktion. Emmerich ist Bundestagsabgeordneter und einer der Unterzeichner eines Antrags, über den gerade viel diskutiert wird. Es geht um die Frage, ob das Parlament ein Verbotsverfahren gegen die AfD beantragen sollte.

Angestoßen hat die Debatte der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz. Er wirbt schon länger dafür, die AfD zu verbieten. Der Bundestag ist neben Bundesregierung und Bundesrat eines der Verfassungsorgane, das dafür einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe stellen kann. Über ihn entscheiden müssten dann die Richter.

Unterstützer aus CDU, SPD, Grünen und Linken

Um einen solchen Antrag ins Parlament einzubringen, braucht er 37 Unterstützer. Die konnte Wanderwitz inzwischen finden. Sie stammen aus CDU, SPD, Grünen und Linken. Die Gruppe legte vor einigen Wochen einen Antrag vor, der den Bundestag auffordert, ein entsprechendes Verfahren beim Verfassungsgericht einleiten zu lassen. Sie wollen ihn bald ins Parlament einbringen. Beschließen könnte ihn der Bundestag aber natürlich nur mit einer Mehrheit. Darauf hätte er aktuell wohl keine Aussicht.

Wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dann entscheiden würde, ist schwer vorherzusagen. In der Geschichte der Bundesrepublik sind erst zwei Parteien verboten worden. Verfahren gegen die rechtsextremistische NPD (heute: Heimat) scheiterten hingegen zwei Mal. Dabei kam das Gericht 2017 zwar zu dem Urteil, dass die Partei „verfassungsfeindliche Ziele“ verfolge. Allerdings gingen die Richter nicht davon aus, dass sie in der Lage sei, diese durchzusetzen. Deshalb sei ein Verbot nicht verhältnismäßig.

„Ein Persilschein für die Partei“

Innerhalb der jeweiligen Fraktionen ist die Debatte kontrovers. Obwohl die Initiative mit Wanderwitz aus der Union stammt, hat sie hier nur sieben Unterstützer – und viele offene Skeptiker. Dazu zählt mit Thorsten Frei auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion. „Ein Verbotsverfahren würde sehr lange dauern und es würde der AfD die Gelegenheit geben, sich als Märtyrer zu inszenieren“, sagt Frei im Gespräch mit dieser Redaktion. Er befürchtet, dass es die AfD womöglich stärken könnte, wenn so ein Verfahren scheitert. „Es wäre ein Persilschein für die Partei.“

Auch unabhängig von der Frage, wie das Gericht urteilt, hält der CDU-Politiker den Antrag für den falschen Weg. „Ich glaube, dass man die AfD nur politisch bekämpfen kann – mit guter Politik, wie sie unter der aktuellen Bundesregierung allerdings nicht stattfindet“, sagt er. „Für mich ist ein Parteiverbot die Ultima Ratio. In diesem Fall halte ich es nicht für den richtigen Weg.“ Die Unterstützer des Antrags sehen das anders. Der Grüne Emmerich sagt zum Beispiel: „Die AfD inhaltlich zu stellen und eine Politik zu machen, die sie überflüssig macht, ist ohnehin unsere Aufgabe. Das sehe ich unabhängig von der Frage, ob man unsere Demokratie vor ihr schützen sollte.“

Die Frage der richtigen Ebene

Umstritten ist auch die Frage, ob der Bundestag die richtige Institution für einen solchen Antrag ist. Frei erinnert daran, dass die vorherigen Verfahren fast immer von der Bundesregierung eingeleitet wurden: „Das macht auch Sinn, weil sie durch ihre Geheimdienste die Möglichkeit hat, Beweismittel zu dem Thema vorzulegen.“ Emmerich verweist darauf, dass es selbst öffentlich zahlreiche Beweismittel gebe. Außerdem könnte der Bundestag beantragen, dass der Verfassungsschutz im Wege der Amtshilfe Material zu dieser Frage freigibt.

Auch er fände es besser, wenn der Antrag von einer anderen Ebene käme, so Emmerich. „Aber wenn niemand anderes handelt, muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen.“ Er erinnert daran, dass das Parteiverbot als Instrument bewusst in die Verfassung geschrieben wurde: „Ich sehe es als unsere historische Verantwortung, dieses Mittel zu nutzen, wenn es wieder eine rechtsextremistische Partei gibt, die die Demokratie abschaffen möchte.“ Letztlich läuft es wohl auf die Frage hinaus, ob sich nachweisen lässt, dass das auf die AfD zutrifft.

Besonders kontrovers scheint die Debatte in der SPD zu sein. Laut Berichten sollen die Fraktionsspitze und weitere Abgeordnete dagegen sein, dass der Antrag zeitnah eingebracht wird. Die Gruppe um Wanderwitz plant weiterhin, den Antrag im November im Plenum debattieren zu lassen.

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Erstellt:
23. Oktober 2024, 17:03 Uhr

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