Wasser marsch!

Das neue Wasserwerk Murrtal in Erbstetten ist seit drei Tagen in Betrieb. Es wird künftig rund 2,5 Millionen Kubikmeter Trinkwasser im Jahr produzieren, wodurch sich sowohl die Trinkwasserqualität als auch die Versorgungssicherheit für die am Projekt beteiligten Kommunen weiter erhöhen soll.

Wasser marsch!

Von Florian Muhl

BURGSTETTEN. Nach zwei Jahren Bauzeit ist das Wasserwerk Murrtal fertiggestellt. Durch die Leitungen fließt von dort aus bereits reinstes Trinkwasser. Es ist unser wichtigstes Lebensmittel. Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser gehört daher zur Kernaufgabe einer jeden Stadt und Gemeinde. Gemeinsam mit dem Zweckverband Wasserversorgung Nordostwürttemberg (NOW) haben die Gemeinden Allmersbach im Tal, Aspach, Burgstetten, Leutenbach und Oppenweiler, die Stadtwerke Backnang GmbH und die Zweckverbände Allmersbach im Tal, Hardt-Wasserversorgung und Söllbachgruppe sich dazu entschlossen, die Wasserversorgung für Bevölkerung und Wirtschaft nachhaltig zu verbessern.

„Die Kernidee hinter der Versorgungskonzeption ist, dass sich durch die Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden die Wasserversorgung für die Bürger nachhaltig verbessern lässt. Es entstehen positive Synergieeffekte“, sagt Jochen Damm. „Zukünftig wird das Rohwasser von 60 Brunnen und Quellen in dem neuen Wasserwerk zusammengeführt, zentral aufbereitet und enthärtet und anschließend wieder verteilt“, so der NOW-Geschäftsführer weiter. Die Einwohner der beteiligten Kommunen würden jetzt „Trinkwasser in bester Qualität und einer einheitlich geringeren Wasserhärte von rund 13 Grad deutsche Härte“ erhalten. Der Probebetrieb begann im März. Dabei wurden die Aufbereitungsschritte nach und nach eingebunden und für eine optimale Wasseraufbereitung justiert.

Mit Beginn der Wasseraufbereitung ist das NOW-Personal für den Betrieb der Anlage verantwortlich. Die 60 Brunnen und Quellen, die das Wasserwerk zukünftig mit Rohwasser versorgen, werden vom Zweckverband langfristig gepachtet und betrieben. Diese gehören aber weiterhin den teilnehmenden Kommunen.

Das 51 Kilometer lange Leitungsnetz ist voraussichtlich Mitte 2024 fertig.

Die NOW wurde mit der Planung, Bauleitung und Steuerung der Versorgungskonzeption beauftragt, zu dem neben dem Wasserwerk Murrtal auch die Verlegung von rund 51 Kilometern an Roh- und Reinwasserleitungen sowie der Neu- beziehungsweise Umbau verschiedener Außenstationen gehört.

Durch die bereits erfolgte Fertigstellung der ersten Leitungsbauabschnitte stehen dem Wasserwerk zu Beginn etwa 25 Liter pro Sekunde Rohwasser der Gemeinde Leutenbach und des Zweckverbands Söllbachgruppe zur Verfügung. Bis zur Fertigstellung des 51 Kilometer langen Leitungsbaus (voraussichtlich Mitte 2024) wird die Rohwasseraufbereitungsmenge des Wasserwerks Murrtal kontinuierlich auf rund 90 Liter pro Sekunde (das entspricht einer Menge von rund 2,8 Millionen Kubikmetern pro Jahr) steigen, woraus etwa 80 Liter pro Sekunde (2,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr) Reinwasser gewonnen werden können.

Im ersten Aufbereitungsschritt, der Ultrafiltration, werden ungelöste Teilchen (Partikel) und Keime (darunter auch mögliche Krankheitserreger wie Bakterien und Viren) durch eine poröse Membran wie bei einem Sieb zu 100 Prozent herausgefiltert. Auch das derzeit in der Diskussion stehende Mikroplastik wird laut NOW aufgrund der extrem kleinen Siebweite der Membran zurückgehalten. Die Membran sei in der Lage, alle Stoffe größer als 0,01 Mikrometer (= 0,00001 Millimeter) herauszufiltern.

„Da in den kommenden Jahrzehnten mit steigenden Grundwasserbelastungen durch Spurenstoffe zu rechnen ist, beispielsweise Rückstände von Pflanzenmitteln oder Medikamenten, wurde im Wasserwerk Murrtal vorsorglich bereits jetzt ein Aktivkohlefilter installiert“, erläutert Damm. Um zu vermeiden, dass im Fall einer schadhaften Ultrafiltrationsmembran Mikroorganismen ins Reinwasser gelangen können, ist am Ende des Wasseraufbereitungsprozesses als zusätzliche Sicherheitsstufe eine UV-Desinfektionsanlage installiert. In der Anlage durchleuchten zwölf Niederdruckstrahler das Wasser von allen Seiten mit ultravioletter Strahlung (Wellenlänge: 254 Nanometer), die gegen Viren und Bakterien besonders wirksam sein soll. Auf die Dosierung von Chlor kann deshalb verzichtet werden, heißt es. Nach der Aufbereitung wird das aufbereitete und enthärtete Trinkwasser in Reinwasserkammern gespeichert. Anschließend wird es ins NOW-Netz eingespeist und verteilt.

„Wir müssen uns auch in Baden-Württemberg auf trockenere Sommer vorbereiten. Mit moderner Aufbereitungstechnik und neuen Wasserleitungen sorgen wir dafür, dass die örtlichen Brunnen und Quellen in Zukunft optimal genutzt werden können“, sagt Damm abschließend.

Prinzipschema: Wasseraufbereitung im Wasserwerk Murrtal. Grafik: NOW

Prinzipschema: Wasseraufbereitung im Wasserwerk Murrtal. Grafik: NOW

Wasser marsch!

„Bereits in der Planungsphase wurde auf einen energiesparenden Betrieb des Wasserwerks Wert gelegt.“

Jochen Damm,Geschäftsführer der NOW

500 Tonnen Stahl verbaut

Gebäude: Das Bauwerk verfügt über 2200 Quadratmeter Nutzfläche und besteht im Wesentlichen aus der Filterhalle, dem Rohrkeller und verschiedenen Betriebs- und Technikräumen. Die Wasserkammern fassen insgesamt 1000 Kubikmeter Rohwasser, 520 Kubikmeter Prozesswasser und 3000 Kubikmeter Reinwasser. Im Wasserwerk sind mehrere Kilometer Rohrleitungen bis 500 Millimeter Durchmesser installiert.

Energiegewinnung/-einsparung: Die auf dem Gebäude installierte Fotovoltaikanlage mit einer Leistung von 99 Kilowatt-Peak erbringt jährlich eine Energiemenge von zirka 90000 Kilowattstunden (kWh). Das Prozessabwasser wird in die Murr abgeleitet, durchläuft zuvor eine Turbine (Leistung: 8,5 kW). Die Energiemenge beträgt bis zu 40000 kWh im Jahr. Das Wasserwerk verfügt über ein Notstromaggregat mit 700 kW Leistung.

Bauzeit: September 2017 bis September 2020 (inklusive Probebetrieb). Für das Hauptgebäude wurden rund 11500 Kubikmeter Erde bewegt sowie 2700 Kubikmeter Beton und 500 Tonnen Stahl verbaut.

Baukosten: voraussichtlich 14,1 Millionen Euro (netto). Davon entfallen auf das Gebäude 5,9 und auf die Aufbereitungstechnik 8,2 Millionen. Derzeit erfolgen am Wasserwerk noch Restarbeiten an den Außenanlagen.

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Erstellt:
3. September 2020, 06:00 Uhr

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