Bundeswehr

Wehrpflicht auch für Frauen?

Verteidigungsminister Pistorius will bald Konzepte für eine neue Form Wehrpflicht vorstellen. Doch auch für eine Reform der ausgesetzten Wehrpflicht gibt es weitgehende Vorschläge.

Längst sind Frauen Teil der Bundeswehr – eine Wehrpflicht gilt für sie aktuell aber nicht.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Längst sind Frauen Teil der Bundeswehr – eine Wehrpflicht gilt für sie aktuell aber nicht.

Von Tobias Heimbach

Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine diskutiert Deutschland wieder intensiv über die Wehrpflicht. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) befürwortet sie und hat sein Ministerium angewiesen, verschiedene Varianten zu prüfen und die Ergebnisse in einem „Werkstattbericht“ zusammenzufassen. Dieser ist offenbar fertig, soll aber erst im Juni öffentlich vorgestellt werden. Doch schon in Pistorius‘ eigener Partei gibt es viele Skeptiker einer neuen Wehrpflicht, bei den Koalitionspartnern Grüne und FDP ebenfalls. Anders sieht es bei der CDU aus. Ein Überblick über die aktuelle Debatte.

Viele, die eine Wehrpflicht fordern, hoffen, dass sich damit gleich mehrere Dinge erreichen lassen. Erstens, die generelle Wehrhaftigkeit des Landes zu stärken. Zweitens, die Personalprobleme der Truppe zu beseitigen. Die Bundeswehr soll bis 2031 von heute rund 180 000 Männer und Frauen auf 203 000 anwachsen. Doch derzeit sinkt die Zahl der Soldaten, in Zeiten von Fachkräftemangel macht man sich Sorgen, dass sich künftig noch weniger Menschen für den Soldatenberuf entscheiden. Mit einer Wehrpflicht, so die Hoffnung, kämen mehr junge Menschen mit der Bundeswehr in Berührung und würden sich anschließend für eine Militärkarriere entscheiden.

Schwedisches Modell gilt als Favorit

Laut Ministerium wurden in dem Werkstattbericht verschiedene Modelle der Wehrpflicht geprüft, als Favorit gilt jedoch das schwedische Modell. In Schweden werden alle Männer und Frauen eines Jahrgangs registriert, jedoch nur ein Drittel wird gemustert, und noch weniger leisten ihren Dienst tatsächlich ab. Nur falls sich nicht genügend Freiwillige finden, werden weitere Menschen eingezogen.

Doch es könnte potenziell sehr lange dauern, bis eine Wehrpflicht in Deutschland wieder eingeführt werden kann. Nicht nur die rechtlichen Hürden dafür sind hoch, erforderlich wäre eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Und ganz praktisch: Derzeit hätte die Bundeswehr nicht genügend Kasernen oder Ausbilder für die neuen Rekruten.

FDP sieht Pflichtdienste kritisch

Die FDP steht jeder Form eines Pflichtdienstes kritisch gegenüber. „So schlimm ist die Bedrohung Deutschlands absehbar noch nicht, daher wird es mit der FDP weder eine Dienstpflicht noch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht geben“, sagte Alexander Müller, verteidigungspolitischer Sprecher der Liberalen im Bundestag, dieser Redaktion. Um die Personalprobleme der Bundeswehr zu lösen, müsse die Truppe attraktiver werden, etwa durch Rekrutierungskampagnen und Zulagen, fordert er.

Positiver sieht die CDU das Thema. Sie wird in dieser Woche auf ihrem Parteitag ein neues Grundsatzprogramm verabschieden. Ein Teil davon ist die Forderung nach einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr, das junge Menschen auch bei der Bundeswehr ableisten können sollen.

Doch in der CDU macht man sich auch Gedanken um die gegenwärtige Wehrpflicht – gerade weil es Jahre dauern könnte, bis eine neue Dienst- oder Wehrpflicht eingeführt wäre. Denn die Wehrpflicht ist nach aktuellem Stand lediglich ausgesetzt, gilt aber in ihren Grundzügen von 1956 noch, also ausschließlich für Männer ab 18 Jahren. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder reaktiviert werden. Angesichts Russlands aggressiver Außenpolitik ist ein solcher Fall nicht ausgeschlossen. CDU-Verteidigungspolitiker Markus Grübel sieht hier Handlungsbedarf. Er fordert, auch die Verfassung müsse „fit für die Zeitenwende gemacht werden“, sagte er dieser Redaktion. „Das Grundgesetz sollte derart geändert werden, dass die Wehrpflicht nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen gilt.“

Grübel für mehr Wehrgerechtigkeit

Bislang ist in Absatz vier von Artikel 12a des Grundgesetzes festgehalten, dass Frauen etwa zum Dienst im Lazarett oder der zivilen Verteidigung herangezogen werden können, aber „auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe“. Grübel kritisiert das. Die Rollenbilder, die in diesem Grundgesetzartikel vermittelt werden, seien nicht mehr zeitgemäß. „Auch Frauen können heute ihren Beitrag leisten und als Soldatinnen helfen, Deutschland verteidigungsfähig zu machen. Das wäre nicht nur ein Schritt hin zu mehr Wehrgerechtigkeit, sondern auch für mehr Gleichstellung“, sagte Grübel.

Zum Artikel

Erstellt:
6. Mai 2024, 00:14 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen