Weihnachtsmarkt-Besucher vertrauen auf die Sicherheit

Der Anschlag in Magdeburg hält in Stuttgart die Menschen nicht von einem Bummel ab. Die Polizei spricht von einer „hohen abstrakten Gefährdungslage“. Am Montag endet der Budenzauber.

Die Polizeipräsenz in der Stuttgarter Innenstadt ist hoch. Die Menschen fühlen sich sicher.

© Lichtgut/Zophia Ewska

Die Polizeipräsenz in der Stuttgarter Innenstadt ist hoch. Die Menschen fühlen sich sicher.

Von Heidemarie A. Hechtel

Stuttgart - Nach 27 Tagen endet am Montagabend der Stuttgarter Weihnachtsmarkt. Zuletzt wurde dieser überschattet vom Anschlag in Magdeburg am Freitagabend, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und etliche verletzt wurden. Trotz des Schocks über diese Tat waren am Samstag Tausende zwischen den Buden in Stuttgart unterwegs; sowohl Touristen als auch Einheimische. Wir haben uns bei den Menschen umgehört.

„Waas? Oh Gott!“ Franz-Joseph Stölb hat am Samstagvormittag von dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt noch nichts gehört und erschrickt zutiefst: „Wie schrecklich!“ Er ist mit seiner Frau Sabine aus Trier gekommen, um Freunde in Ludwigsburg zu besuchen. Da sei am Freitagabend das Wiedersehen gefeiert worden, und man habe gar keine Nachrichten gehört.

Werden sie jetzt fluchtartig den Weihnachtsmarkt verlassen? „Nein, natürlich nicht“, versichert das Quartett. Man sehe ja die vielen Poller und Blockaden, die eine Attacke mit Autos verhindern, da könne man sich sicher fühlen. Sabine Stölb erinnert an die ebenso vielen Sicherheitsmaßnahmen, die in Trier nach einer Amokfahrt am 1. Dezember 2021 getroffen wurden. „Damals haben wir uns über den Riesenaufwand etwas gewundert, aber jetzt weiß man, wie richtig und wichtig das ist.“

Bestens gelaunt und entspannt ist auch die Runde beim Glühwein am Schillerplatz. Es ist der Fanclub aus Rottweil, der zum Spiel des VfB gegen den 1. FC St. Pauli aus Rottweil gekommen ist und jetzt Spaß beim Vorglühen hat. Ja, sie hätten alle am Freitagabend von dem Anschlag gehört, sagt Pascal Jauch, aber keine Minute dran gedacht, die verabredete Tour samt Weihnachtsmarktbesuch abzusagen.

Es sei wirklich sehr schlimm, wird Jauch nachdenklich und sinniert über andere Anschlagsmöglichkeiten. „Was ist, wenn einer plötzlich ein Messer zieht? Trotz Messerverbot?“ Kontrollen habe er keine gesehen. Aber sehr viel Polizei. Er beschließt: „Man darf sich einfach nicht verrückt machen lassen.“

Sandra und Peter Grießer aus Pforzheim feiern ein Jubiläum. Zum zehnten Mal sind die Freunde aus Hannover wieder zu Besuch. „Einmal im Jahr und dann immer zum Weihnachtsmarkt.“ Der Markt in Stuttgart sei einfach wunderbar, schwärmen die Hannoveraner Paare Detlef und Tanja Fürst und Britta Baumgarten mit Mirko Graen. Natürlich hätte sie die Meldung am Vorabend erschreckt und erschüttert, aber deswegen auf den Besuch verzichten? „Nein“, lacht Britta Baumgarten laut und fröhlich, sie hätten keine Sekunde gezögert. „Wir haben keine Angst.“

„Ich habe noch nie Angst auf dem Weihnachtsmarkt gehabt“, versichert auch Adolf Weeber sehr überzeugend. Der 84-Jährige muss es wissen, er ist wohl der Schausteller mit der längsten Tradition auf dem Markt und sei schon mit vier Jahren mit dabei gewesen. „Da wurde noch der Zucker für die Zuckerwatte zugeteilt“, erinnert er sich. Kein Wunder, im fünften Kriegsjahr. Angst hat auch seine Tochter Esther nie, aber man müsse realistisch bleiben. „Ganz sicher ist man nie bei den vielen Menschen hier. Gerade ist letzte Woche ein Raubüberfall auf eine Budenbesitzerin passiert.“ Aber die Polizei sei ganz schnell da gewesen.

„Wir waren alle geschockt“, schildert Max Göbel die Reaktion der Kollegen in den Verkaufsbuden rundherum. Der 20-jährige Junior aus der väterlichen Metzgerei in Heiningen bei Göppingen, hier auf dem Schillerplatz als Wild-Adresse renommiert, ist seit 18 Jahren auf dem Markt dabei. „Wir sind sehr froh über die massiven Sicherheitsmaßnahmen“, sagt er. Sie würden immer strenger. Das erschwere zwar die Transporte und Anlieferungen, sei aber, wie man jetzt wieder sehe, einfach wichtig. Göbel ist auch auf dem Esslinger Weihnachtsmarkt vertreten. „Dort hat man für die Sicherheit auch alles getan, die Kontrollen werden immer strenger. Gott sei Dank.“

Und wenn wirklich mal etwas passieren würde? „Dafür gibt es einen Notfallplan“, weiß Susanne Lex. Sie ist Krankenschwester im Marienhospital und wollte sich gerade auf dem Weg zum Dienst noch mal am Markt umsehen, wie die Stimmung sei. „Die Stimmung ist gut“, stellt sie fest. Aber man sei ja nie gefeit vor einem Unglück. In diesem Fall würden nach dem Notfallplan alle Ärzte zusammengeholt. Aber das sei hoffentlich nicht nötig. „Ich fühle mich hier sehr sicher.“

Der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart, Jens Lauer, sagt dazu: „Generell herrscht in der Bundesrepublik eine hohe abstrakte Gefährdungslage.“ Das gelte für alle Großveranstaltungen, also in Stuttgart zum Beispiel für das Volksfest genauso wie für den Weihnachtsmarkt. Dafür habe man schon seit langem ein Sicherheitskonzept erarbeitet, das permanent weiterentwickelt und verbessert werde, um eventuelle Lücken dort zu schließen, wo es nötig ist.

Der Anschlag in Berlin auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 sei der konkrete Anlass gewesen, schnell dafür zu sorgen, dass Fahrzeuge nicht ungehindert ins Gelände der Veranstaltungen mit einem hohen Besucheraufkommen fahren können, sagt Jens Lauer. Mit hydraulischen Pollern und Anti-Terror-Blockaden an allen Zufahrten, die den Besuchern ein Gefühl von Schutz und Sicherheit geben.

Lauer hebt dazu die hohe Präsenz der Polizei hervor, „sichtbar, also in Uniform, aber auch in Zivil, denn wir gucken uns schon die Menschen an, die zu einer solchen Veranstaltung kommen“. Dies gelinge auch durch Videoüberwachung wie auf dem Schlossplatz. Es herrsche ein Messerverbot und es stünden permanent Interventionskräfte in spezieller Ausstattung für besondere Notlagen zur Verfügung. Eine mobile Wache vor dem Alten Schloss komplettiert auf dem Weihnachtsmarkt die Präsenz der Polizei, die dadurch auch bei Delikten wie Taschendiebstahl ganz schnell zur Stelle sein könne.

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Erstellt:
22. Dezember 2024, 22:10 Uhr
Aktualisiert:
23. Dezember 2024, 21:58 Uhr

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