Weinberge in wildromantischer Gegend

Wo in Kirchberg an der Murr Wein angebaut wird, hat keine Flurbereinigung lange Bestehendes verändert. Dort gibt es Steillagen, die keinen Schlepper gesehen haben, aber auch leichter zu bewirtschaftende Areale. Für Erholungssuchende ist dieser Ort ein Geheimtipp.

Karin und Rainer Schneller sind mit Leidenschaft Hobbyweingärtner. In der Steillage ist dies mit viel Knochenarbeit verbunden. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Karin und Rainer Schneller sind mit Leidenschaft Hobbyweingärtner. In der Steillage ist dies mit viel Knochenarbeit verbunden. Foto: J. Fiedler

Von Ingrid Knack

Kirchberg an der Murr. Die Weinberge taugen für einen Platz unter den Top Ten der besonderen Orte in Kirchberg. Im Gegensatz zu den Weinbergen etwa in Aspach ist das wunderschöne Fleckchen Erde in Kirchberg eher noch ein Geheimtipp für Spaziergänger, Freizeitsportler und Naturliebhaber. Gerade jetzt, wenn viele Bäume in voller Blüte stehen und die Wiesenblumen zwischen den Reben blühen, kann man sich kaum sattsehen an dieser bezaubernden Landschaft mit Steilhängen hüben, wo die Reben wachsen, und drüben, wo Bäume dominieren, und dem Tal in der Mitte. Wer auf dem unteren Weinbergweg unterwegs ist und sich vorstellt, am Steilhang arbeiten zu müssen, dem könnte schon allein bei dem Gedanken daran schwindlig werden.

Die Lage ist nach den Worten von Oliver Hütt, Vorsitzender des Weingärtnervereins, „wider allen Unkenrufen hervorragend. Viele geben ihre Weine noch bei der Genossenschaft ab, andere lassen ihren Wein von Kellereien in Bönnigheim oder Lauffen ausbauen. Hier hören wir immer wieder von überdurchschnittlichen Mostgewichten.“ Besonders die Steillagen profitierten von der Wärmespeicherung der Mauern. Dieser Vorteil werde indes ein Stück weit von der aufwendigeren Bearbeitung relativiert. „Es ist halt alles Handarbeit. Beide Bewirtschaftungsformen haben ihren Charme und aus beiden entstehen gute Weine.“

Auch landschaftlich gesehen hat der Weinberg laut Hütt eine außergewöhnliche Lage: wildromantisch, toll zum Wandern mit schönen Aussichten, und er sei noch nicht von der Flurbereinigung „entstellt“. Hütt weiter: „Das macht die Bewirtschaftung nicht einfacher, ist aber immer eine Wanderung oder Fahrradtour wert.“ Geplant sei, spätestens im Herbst auch wieder Probierstationen anzubieten – die Kirchberger Weinwanderung mit verschiedenen Stationen am Tag der Deutschen Einheit 2021 in Kooperation mit dem Musikverein war ein großer Erfolg. Überdies weist Hütt darauf hin: „Bereits am 13. und 14. August findet unser traditionelles Wengerterfest in der historischen Kelter in Kirchberg statt.“

Karin und Rainer Schneller gehören zu den rund 30 in einem Verein organisierten aktiven Kirchberger Weingärtnern, weitere ungefähr 30 Mitglieder sind passiv dabei. Rainer Schneller ist zweiter Vorsitzender. Die bewirtschaftete Gesamtfläche beträgt nach den Worten Oliver Hütts zehn Hektar. Ein Drittel davon ist Steillage, allerdings liegen 70 Prozent der Steillagen brach. Hütt: Bei den anderen Weinbergen – also bei zwei Dritteln der Fläche – seien lediglich 10 bis 20 Prozent brach liegend. „Das kann nicht genau gesagt werden, weil immer auch wieder gerodet wird, um neu einzupflanzen – dann aber andere Sorten.“

Steillage in den Kirchberger Weinbergen mit Ausblick auf die faszinierende Landschaft drumherum. Foto: I. Knack

Steillage in den Kirchberger Weinbergen mit Ausblick auf die faszinierende Landschaft drumherum. Foto: I. Knack

Den Schnellers gehören 18 Ar Land, wobei nur auf rund 10 Ar Weinreben wachsen. Weiter unten am Hang stehen alte Kirsch- und Apfelbäume sowie ein Birnbaum. „Im Frühjahr und Herbst ist es immer neblig im Tal, das ist keine gute Lage. Deshalb gehen die Weinberge nicht ganz bis runter an die Straße“, erklärt Rainer Schneller. Den Weinberg hat er sozusagen geerbt. Vor allem seine Mutter „war immer im Wengert, so ein Weinberg war einfach etwas Besonderes. Meine Mutter hat immer die ganze Rebarbeit gemacht. Früher hat man auch noch gehackt und auch noch gefelgt, da hat ja kein Gräsle wachsen dürfen“.

Die Arbeit von Schnellers Vater dagegen war zum Beispiel, kaputte Mauern zu richten oder Pflanzenschutzmittel zu spritzen. 1994 fing Rainer Schneller an, im Weinberg mitzuarbeiten, zunächst neben seinem Beruf als Konstrukteur bei Tesat. „Das war halt abends die Beschäftigung. Seit Oktober letzten Jahres bin ich Rentner. Jetzt habe ich ein bisschen mehr Zeit.“ Für den Ruhestand hatte sich Schneller unter anderem die Erneuerung der rostigen Drähte aufgehoben. Zwei Kilometer Draht hat er mittlerweile in drei Wochen verarbeitet. Ihr Wengerthäusle haben die Schnellers 2004 „im Sommerurlaub“ gebaut, wie Karin Schneller wissen lässt. Die Schnellers scheuen sich nicht vor der Knochenarbeit im Weinberg. Rainer Schneller beispielsweise spritzt bis zu achtmal im Jahr Pflanzenschutzmittel mit der Rückenspritze. Pro Durchgang braucht er dreieinhalb Stunden.

Die Weine haben Schnellers Eltern und später auch der Sohn eine Zeit lang selbst ausgebaut, nun überlassen die Schnellers dies der Weinkellerei Kölle in Bönnigheim. Zwischen 1200 und 1300 Liter kommen pro Jahr in der Regel heraus. Schneller spricht von Rebsorten wie Trollinger, Riesling, Silvaner und Spätburgunder. Und: „Wenn ich Weiß und Rot miteinander lese, dann mache ich Schillerwein“, sagt der Hobbyweingärtner. Steht dann noch die Prüfnummer der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg auf den Etiketten, kann der Wein verkauft werden. Ein Lohn für richtig viel Arbeit.

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Erstellt:
29. April 2022, 16:00 Uhr

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