Weiter Streit um Nahverkehrs-Garantie: Land muss zahlen
dpa/lsw Stuttgart. Busse und Bahnen müssen attraktiver werden, dann lassen die Menschen auch das Auto häufiger stehen. Davon ist das Land überzeugt und schreibt den Ausbau des Angebots sogar im Koalitionsvertrag fest. Aber der kostet viel Geld - und die Kommunen sperren sich noch.
Im Streit um die gewaltigen Kosten für den geplanten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs kommen Land und Kommunen auch weiterhin nicht zusammen. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) rechnet damit, dass sich Städte, Gemeinden und Kreise beteiligen. Die Kommunalverbände verweisen dagegen erneut auf den grün-schwarzen Koalitionsvertrag und auf die staatlichen Finanzverpflichtungen.
„Wir stehen zu den ÖPNV-Ausbauzielen des Landes und die Kommunen sind auch bereit, ihren Beitrag zur Stärkung der nachhaltigen Mobilität zu leisten“, sagten die drei Präsidenten der Kommunalen Landesverbände, Landrat Joachim Walter (Landkreistag), Oberbürgermeister Peter Kurz (Städtetag) und Steffen Jäger (Gemeindetag). Allerdings müsse die neue sogenannte Mobilitätsgarantie durch das Land getragen werden. Keine ganz neue Forderung, räumen auch die Verbände ein. Aber bislang hat sich im Streit um die Mittel auch noch nicht viel bewegt.
Das Garantie-Konzept sieht vor, dass alle Orte im Südwesten von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein sollen. Darüber hinaus soll es günstigere Tickets im Nahverkehr geben. Grüne und CDU wollen auf diesem Weg den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und attraktiver machen, um die Menschen im Sinne des Klimaschutzes zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen.
Die Mobilitätsgarantie sei ein neuer Mindeststandard, den die Landesregierung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag setze, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Verbände. Sie müsse daher auch durch das Land und nicht durch die Kommunen finanziert werden, forderte Landrat Walter.
Verkehrsexperten rechneten aber damit, dass die erhoffte Verdopplung der Fahrten im ÖPNV bis 2030 nicht allein mit diesen Mindeststandards zu erreichen sein werde. „Wir werden ein Angebots-Plus benötigen“, sagte der Landkreistagspräsident. Hier erst kommt für die Verbände der sogenannte Mobilitätspass ins Spiel: „Der landesseitig geplante Mobilitätspass kann ein Instrument zur Finanzierung der Ausbaumaßnahmen sein, die über die Mobilitätsgarantie des Landes hinausgehen.“
Im Endausbau würde die „Mobilitätsgarantie“ nach früheren Angaben des Landes etwa 600 Millionen Euro kosten. Um das Vorhaben zu finanzieren, soll nach den Vorstellungen des Landes unter anderem den Kommunen die Möglichkeit gegeben werden, eine Nahverkehrsabgabe - auch „Mobilitätspass“ genannt - einzuführen. Kommunen könnten entscheiden, ob sie alle Einwohner oder nur die Autofahrer zur Kasse bitten. Bei einem Modellversuch in vier Kommunen waren Monatsbeiträge von 10 bis 57 Euro im Gespräch. Das Land rechnet damit, dass mit der Abgabe 800 Millionen Euro in die kommunalen Kassen gespült werden könnten. Damit könnten die Kommunen das Angebot im Nahverkehr ausweiten und die Tickets verbilligen.
Die Verbände sind nicht grundsätzlich gegen den Pass. Allerdings dürften die für die Mobilitätsgarantie benötigten zusätzlichen Busse und Bahnen sowie das benötigte Personal keineswegs über eine kommunale Nahverkehrsabgabe finanziert werden. „Wie jede sonstige allgemeine Staatsaufgabe muss auch der ÖPNV grundsätzlich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden“, sagte Städtetagspräsident Peter Kurz. Der Mobilitätspass sei aber eine nichtsteuerliche Abgabe. Er komme daher nur in Betracht, wenn es um das Finanzieren von zusätzlichen ÖPNV-Angeboten gehe.
Außerdem wollten nicht alle Kreise die neue freiwillige Abgabe einführen. Deshalb sollte nach Überzeugung von Städten, Gemeinden und Kreisen jede Kommune über die Finanzierungsinstrumente für örtliche ÖPNV-Zusatzangebote selbst entscheiden können - und damit auch darüber, ob sie den Mobilitätspass einführt oder nicht.
Ziel von Verkehrsminister Hermann ist es bislang, die versprochene „Mobilitätsgarantie“ schrittweise umzusetzen. Der erste Schritt ist nach seinen früheren Angaben bis 2026 und der zweite bis 2030 geplant. Eine volle Garantie soll erst 2030 gelten. Noch dieses Jahr soll eine Gesetzesänderung angestoßen werden, mit der die Kommunen die Nahverkehrsabgabe einführen könnten.
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