Bundestagswahl 2025

Wem nützen die TV-Debatten?

Der Bundestagswahlkampf wurde in seiner Endphase von zahlreichen TV-Debatten geprägt. Der Politikwissenschaftler Jürgen Maier erklärt, welchen Einfluss sie auf den Wahlausgang haben und wie sie sogar die Demokratie stärken.

Die Spitzenkandidaten im Quadrell: Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne), Friedrich Merz (CDU) und Alice Weidel (AfD).

© dpa/Kay Nietfeld

Die Spitzenkandidaten im Quadrell: Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne), Friedrich Merz (CDU) und Alice Weidel (AfD).

Von Maximilian Kroh

Jürgen Maier ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich seit mehr als zwanzig Jahren mit TV-Debatten vor Bundestagswahlen. Im Interview erklärt er, welche Rolle die Sendungen im Wahlkampf spielen – und wer davon profitiert.

Herr Maier, am Samstag treten die Kanzlerkandidaten noch einmal in einer TV-Debatte gegeneinander an, der letzten von insgesamt sieben. Das ist viel Sendezeit – aber haben diese Sendungen überhaupt Einfluss auf den Wahlausgang?

Ja, durchaus. Es ist wichtig für Parteien und Kandidaten, bei diesen Debatten dabei zu sein. Selbst wenn man als Verlierer aus der Debatte geht, kann man Sympathiepunkte sammeln und so sein Ansehen steigern. Dass sich die Kandidaten dem Wähler direkt zuwenden und ihm signalisieren, dass sie ihn ernst nehmen, wird honoriert.

Es ist also gar nicht unbedingt entscheidend, was man sagt, sondern wie man auftritt?

Natürlich spielt selbstsicheres, staatsmännisches Auftreten eine große Rolle. Aber gerade Zuschauer, die die Debatte konzentriert verfolgen, achten stark auf die Inhalte. Es ist auch einfach nicht möglich, in 90 Minuten Debatte einen guten Eindruck zu hinterlassen, ohne zu sagen, wie man seine Forderungen umsetzen will. Entscheidend ist außerdem noch etwas anderes.

Was denn?

Dass man überhaupt in den TV-Debatten vertreten ist. Wenn alles zu stark auf die Kanzlerkandidaten zugeschnitten ist, nimmt man andere Parteien aus dem Blick und benachteiligt sie.

Viele Wähler sind von vornherein festgelegt. Kann man in einer TV-Debatte auch unentschlossene Wähler überzeugen?

Gerade bei Menschen, die sich keiner Partei zuordnen, erkennen wir, dass sich bei ihnen sowohl Kanzlerpräferenz als auch Wahlabsicht verändern. Das hat also durchaus einen Einfluss.

Aber braucht man gleich so viele Sendungen?

Die Debatten sind eine wichtige Entscheidungshilfe für viele Menschen. Gerade für solche, die sich nicht besonders für Politik interessieren oder nicht sehr viel darüber wissen. Der Anteil der unentschlossenen Wähler geht nach einer Sendung um etwa drei bis fünf Prozentpunkte nach unten. Und es gibt noch viele weitere Effekte.

Welche denn?

Wir wissen, dass sich Menschen, die TV-Debatten sehen, hinterher stärker für Politik und insbesondere für den Wahlkampf interessieren. Dass sie auch mehr mit anderen über Wahlkampf und Politik sprechen. Und auch, dass sie dadurch motiviert werden, auch wirklich zur Wahl zu gehen. Das ist ja wünschenswert, dass möglichst viele Menschen wählen.

Blicken wir auf den aktuellen Wahlkampf: Welche Verhaltensweisen erkennen Sie bei den Kandidaten in den Debatten?

Friedrich Merz hält sich sehr zurück. Er wurde in der Vergangenheit medial häufiger als schnell reizbar dargestellt, als hätte er Schwierigkeiten, seine Emotionen im Griff zu haben. Da wäre auch meine Erwartung gewesen, dass das an der ein oder anderen Stelle durchbricht. Aber bisher ist es nie in einer unangenehmen Weise passiert. Wenn er mal aus sich rausgegangen ist, dann war das authentisch, glaubwürdig und in der Sache auch angemessen. Denken Sie an seine Abgrenzung von der AfD.

Und die anderen?

Olaf Scholz hat eben eine Persönlichkeit, die ihm nur eine gewisse Bandbreite an Emotionalität gestattet. Bei Robert Habeck ist es genauso. Das passt aber ganz gut zu ihrer Rolle als Kanzler und Vizekanzler. Alice Weidel hat einen Fehler gemacht, als sie in der „Klartext“-Sendung am 13. Februar angefangen hat, mit Zuschauern über deren Fragen und ihre politische Bildung zu streiten. Dass sie daraus gelernt hat, war in der Wahlarena am Montag direkt zu sehen. Da ist sie deutlich freundlicher aufgetreten.

Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Studienteilnehmer bei jeder Debatte den Eindruck haben, dass Weidel von den Moderatoren am meisten benachteiligt wird.

Ich könnte mir vorstellen, dass es daran liegt, dass es Frau Weidel vielleicht mit etwas kritischeren Fragen zu tun hat. Sie wird tendenziell auch schneller unterbrochen. Das liegt aber auch daran, dass ihre Aussagen häufiger falsch oder irreführend sind. Das belegen ja die Faktenchecks hinterher. Die Moderatoren wissen das natürlich und versuchen, einzugreifen und zu korrigieren. Das passiert öfter als bei den anderen Kandidaten, deshalb wirkt es vermutlich, als würde sie ungerecht behandelt.

Apropos Fakten: Bleiben die Kandidaten meist bei der Wahrheit?

Generell ja. Das Problem ist aber, dass viele Aussagen im Graubereich verlaufen – übrigens nicht nur bei Frau Weidel. Dass die Kandidaten teilweise recht haben, aber eben nicht die ganze Wahrheit präsentieren. Nur ist es selbst für Experten oft schwer, das direkt zu erkennen. Und bei TV-Debatten gibt es einen automatischen Nachteil. Im Fernsehen kann ein Kandidat etwas behaupten, das setzt sich dann bei vielen Zuschauern als vermeintliche Fakten fest. Der Faktencheck, der ein paar Stunden später erscheint, erreicht viele dann nicht mehr. Da muss ich ein bisschen an die Berufsethik der Politiker appellieren. Sie müssen bei der Wahrheit bleiben.

Zur Person

ProfessorJürgen Maier ist Professor für Politische Kommunikation an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU). Seit 2002 das erste TV-Duell im Bundestagswahlkampf stattfand, forscht er zu diesem Themenkomplex.

ProjektZur Bundestagswahl 2025 untersuchen Maier und sein Team an der RPTU die großen TV-Debatten. Teilnehmende können sich in einer App einloggen, vor und nach einem Duell einen kurzen Fragebogen ausfüllen und während des Duells die Kandidaten in Echtzeit bewerten. Hier geht es zur Forschungsseite.

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Erstellt:
21. Februar 2025, 15:30 Uhr
Aktualisiert:
21. Februar 2025, 16:09 Uhr

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