Sprachen der Liebe am Valentinstag
Wen man mit Geschenken glücklich macht – und wem eine Umarmung reicht
Die Liebessprachen sind ein extrem populäres Konzept, das Paare glücklicher machen soll. Was man daraus lernen kann – und welchen Menschen eine Streicheleinheit mehr wert ist als ein teures Geschenk.
![Wen man mit Geschenken glücklich macht – und wem eine Umarmung reicht Geschenke, Zärtlichkeit, Hilfsbereitschaft: Menschen haben unterschiedliche Arten, wie sie ihre Liebe ausdrücken.](/bilder/geschenke-zaertlichkeit-hilfsbereitschaft-menschen-haben-872618.jpg)
© imago/Westend61//Eugenio Marongiu
Geschenke, Zärtlichkeit, Hilfsbereitschaft: Menschen haben unterschiedliche Arten, wie sie ihre Liebe ausdrücken.
Von Florian Gann
Geht es nach Gary Chapman, kann es Ihre Beziehung glücklich machen, wenn Sie Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin ab und zu ein Geschenk mitbringen. Vielleicht die geliebte Tiefkühlpizza, ein Armband, einen Mini-Akkubohrschrauber, je nach Vorliebe. Zumindest dann, wenn Geschenke die Liebessprache Ihres oder Ihrer Liebsten sind. Es kann aber auch reichen, wenn Sie der Person, die Sie lieben, gelegentlich zärtlich über den Rücken streicheln. Liebessprache: Zärtlichkeit. Oder den Geschirrspüler unaufgefordert ausräumen. Liebessprache: Hilfsbereitschaft.
Liebessprache herausfinden – und schon kommt das große Glück?
Laut Chapman, einem US-amerikanischen Pastor, hat jeder Mensch eine primäre Sprache der Liebe, über die man ihm Zuneigung mitteilen kann: Neben Geschenken, Zärtlichkeit und Hilfsbereitschaft gibt es noch Lob und Anerkennung sowie Zweisamkeit. Das heißt: Ist man mit jemandem zusammen, dessen Sprache der Liebe Zärtlichkeit ist, bringt es nichts, Geschenke mitzubringen, um Zuneigung zu zeigen. Dem Konzept nach muss man sich in die Liebessprache des oder der Geliebten (also Zärtlichkeit) wie in eine Fremdsprache reinfuchsen, um Zuneigung zu vermitteln. Dann steht dem großen Beziehungsglück nichts mehr entgegen.
Liebessprachen nach Chapman:
- Geschenke
- Zärtlichkeit
- Hilfsbereitschaft
- Lob und Anerkennung
- Zweisamkeit
Es handelt sich wohl um eines der populärsten Konzepte für eine glückliche Beziehung. Wahrscheinlich auch, weil es sehr eingängig ist. Chapman hat mehr als 20 Millionen Bücher zu den Liebessprachen verkauft, mehr als 30 Millionen Menschen haben unter 5lovelanguages.com mit einem einfachen Test ihre Liebessprache ermittelt. Mittlerweile kann man sich sogar von der App „Love Nudge“, entwickelt von einem Team um Chapman, dabei unterstützen lassen, die Liebessprache des Partners zu sprechen.
Auch Paartherapeutinnen und -therapeuten greifen immer wieder auf das Konzept zurück, in unserer Zeitung werden sie immer wieder erwähnt. Nur: In der Wissenschaft ist man skeptisch, ob sich die Sprachen der Liebe nach Chapmans Interpretation wirklich belegen lassen. Und das liegt nicht nur daran, dass er sie aus Beratungsgesprächen mit Paaren aus einer Kirchengemeinde, also einer nicht sehr diversen Gruppe, entwickelt hat.
Liebe ausdrücken, egal in welcher Sprache
Im Januar veröffentlichte ein Team um die Psychologie-Professorin Emily Impett von der Uni Toronto eine Meta-Studie, also eine Auswertung bestehender Erhebungen, in der man sich mit den zentralen Aussagen des Konzepts auseinandersetzte. Das Ergebnis: Menschen würden nicht ausschließlich in einer Liebessprache kommunizieren und auch nicht nur eine verstehen. „Menschen sind generell glücklicher, wenn ihr Partner seine Liebe in irgendeiner dieser fünf Arten zum Ausdruck bringt, unabhängig von ihren jeweiligen Vorlieben“, sagte Impett etwa der „Zeit“.
Auch der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann sieht es so, dass es nicht nur die eine Liebessprache für jeden Menschen gebe. „Alle diese Sprachen sind gleichberechtigt. Wenn ich nun erwarte, dass meine Partnerin oder mein Partner sich verändert, also meine Liebessprache spricht, damit es mir besser geht, vermittle ich möglicherweise: ‚Ich bin richtig, du bist falsch.’ Und das ist Gift für die Beziehung“, schreibt Hegmann an unsere Redaktion.
Liebessprache: Nicht belegt und trotzdem hilfreich
Michael Märtens, Professor für Soziale Interventionsforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, sagt, die Kritik von Emily Impett beziehe sich vor allem darauf, dass die Kategorien von Chapmans fünf Sprachen der Liebe nicht ausreichend durch empirische Studien bestätigt seien. Und in diesem Punkt stimme er auch zu. Es gebe aber zwei weitere Ebenen, auf denen die Liebessprachen wirken könnten, die in der Studie gar nicht berücksichtigt seien. Nämlich, ob das Konzept Menschen helfen könne, als Hilfe zur Selbsthilfe, und ob es sinnvoll in einer Therapie eingesetzt werden könne. Und beides sei der Fall, sagt Märtens. „Dieses Konstrukt macht eine Kommunikationsschwierigkeit erst mal verständlich“, sagt Märtens.
So sieht ähnlich sieht es auch Paartherapeut Hegmann: „Mit den fünf Sprachen finden viele Paare leichter einen Zugang zu ihren Bedürfnissen und können ausdrücken, dass sie sich beispielsweise geliebt fühlen, wenn sie Geschenke bekommen oder mit dem Partner intim sind. Daraus lässt sich gut ableiten, was eine Bindung ausmacht und was sie weiter stärken kann.“ Was die jeweilige Sprache der Liebe sei, ergänzt Märtens, sei keine gegebene Persönlichkeitseigenschaft, sondern ein Ergebnis der Paarinteraktion, man entwickle sie gemeinsam. Wechselt die Beziehung, könnten sich laut Märtens auch die Liebessprachen ändern.
Eine Liebessprache führt nicht immer zur Harmonie
Paare könnten aber auch ohne gemeinsame Liebessprache eine glückliche Beziehung führen, so Hegmann. Man könnte nicht in ewiger Symbiose leben, auch eine Differenzierung sei wichtig, etwa, indem jeder auch seinen eigenen Interessen nachgeht und sich persönlich auch in eine eigenständige Richtung weiterentwickelt. „Es ist ein Irrglaube, dass eine Symbiose – und so auch das Sprechen derselben Liebessprache – für Harmonie in der Beziehung sorgt“, so Hegmann. Auch Märtens sagt, Studien würden zwar zeigen, dass Paare mit großer Übereinstimmung in den Liebessprachen laut Studien tendenziell glücklicher seien. Aber eine Tendenz bedeute, dass es nicht grundsätzlich immer stimme. „Es gibt bei den Untersuchungen viele Paare, bei denen es nicht so ist.“
Eine kleine Gefahr sieht Märtens aber doch, wenn man sich entscheidet, die Sprachen der Liebe in seiner Beziehung anzuwenden: „Man kann am Ende manchmal vielleicht nicht mehr auseinanderhalten: Macht mein Partner gerade etwas aus Liebe oder erfüllt er nur meine Erwartung. Das schafft eine Paradoxie und kann das spontane Erleben möglicherweise blockieren. Das ist aber bei allen Modellen so, bei denen man lernt, bestimmte Muster zu kultivieren, die der andere mag.“
Ein Ernährungsplan für die Liebe
Forscherin Impett plädiert in ihrer Studie dafür, die Liebessprachen eher als eine Art Ernährungsplan zu sehen. Man brauche nicht nur einen Nährstoff für die Liebe, um eine dauerhafte Liebe aufrecht zu erhalten, sondern von allem ein bisschen, und die fünf Liebessprachen würden dabei nicht alles abdecken. Es sei etwa wichtig, dass man vom Partner bei Vorhaben, die man für sich selbst plane, Rückhalt bekomme. Und dass man als Paar von seinem sozialen Umfeld unterstützt werde, so Impett in der „Zeit“. Gerade bei gleichgeschlechtlichen und interkulturellen Beziehungen sei das wichtig. Eine Studie der University of Kentucky von 2010 kam zudem zu dem Ergebnis, dass es Menschen wichtig sei, dass der Partner die eigenen Freunde kennenlernen wolle und man sich mit einer guten Streitkultur auseinandersetze.
*Dieser Text wurde erstmalig am 29. Februar 2024 veröffentlicht.