Wende im Milliardenstreit?

ExklusivNeue Dokumente im Streit mit der Deutschen Bank um wertvolles Bauland auf der Prag aufgetaucht – Stuttgarter Unternehmer Hafez Sabet fühlt sich betrogen

Ein Stuttgarter Unternehmer will von der Deutsche Bank 11 Milliarden Euro und zieht deshalb vor Gericht. Er ist sich sicher, dass die Bank beim Verkauf von Grundstücken seiner Familie auf dem Pragsattel in Stuttgart ungerecht behandelt hat. Ein neues Dokument soll das nach Jahren des Streits belegen.

Stuttgart Hafez Sabet fühlt sich betrogen. Seit mehr als 15 Jahren kämpft er in ­unzähligen Verfahren für seine Sicht der Dinge. Sabet behauptet, seiner Familie sei durch die Deutschen Bank ein immenser Schaden entstanden. Die Bank aber weist die Vorwürfe kategorisch zurück und die entscheidenden Auseinandersetzungen vor Gericht hat Sabet bislang verloren. Doch nun wagt der Stuttgarter Unternehmer einen womöglich letzten großen Anlauf. Er hat die Großbank verklagt – und zwar mithilfe einer Kanzlei, die gerade auch Volkswagen im Abgasskandal zu Leibe rückt.

Kern des Streits – es geht inzwischen inklusive Zinsen um rund 11 Milliarden Euro – ist, wie bereits berichtet, eines der größten Baugrundstücke in der Landeshauptstadt und dessen Verkauf. Aus einem neuen Dokument, welches unserer Zeitung exklusiv vorliegt, geht nun hervor, dass beim Verkauf des Grundes womöglich weit mehr Geld erlöst hätte werden können, die Deutsche Bank das jedoch verhindert haben soll.

Der ganze Streit ist kompliziert. Wer ihn verstehen will, muss die Vorgeschichte kennen: Am 16. August 2013 wurden die Flächen auf dem Stuttgarter Pragsattel aus der Insolvenzmasse eines der Unternehmen der Familie Sabet heraus verkauft. Zum Preis von 6,7 Millionen Euro. Hafez Sabet versuchte, vor Gericht zunächst mittels Gutachten zu beweisen, dass die Flächen tatsächlich einen höheren Wert hatten. Sein Vorwurf: „Die Grundstücke wurden bewusst unter Wert verkauft.“

Inzwischen stützt der Unternehmer seine Sicht der Dinge nicht mehr allein auf Gutachten. Im August 2013 waren die Käufer der Grundstücke die Projektgesellschaften Maybach. Diese haben die Flächen später weiterverkauft – an den Investor Formart (heute Instone). Nach Informationen unserer Zeitung wird im Vertrag vom 11. März 2015 der Preis mit mindestens 17,1 Millionen Euro angegeben – fast eine Verdreifachung. Geplant sind auf dem Gelände rund 250 neue Wohnungen. Das komplette Bauland für das neue Stadtquartier – inklusive weiterer Flächen, die von der Stadt Stuttgart selbst verkauft wurden und dem notwendigen Baurecht – wurde inzwischen nochmals weiterverkauft.

Das Oberlandesgericht in Stuttgart hat besonders dem ersten Verkauf des Areals im Jahr 2013 große Bedeutung beigemessen. Daher wollen Sabets Anwälte von der Kanzlei Tilp aus Kirchentellinsfurt nun nachweisen, dass im August 2013 in Wahrheit mehr als 6,7 Millionen Euro bezahlt wurden. Ließe sich das belegen, wäre das extrem brisant. Sabet und seine Anwälte erheben folgenden Vorwurf: Die Bank, so die Meinung des Klägers, hatte im Vergleich zur Kreditlinie der Familie viel zu hohe Sicherheiten blockiert. Sabet hatte ursprünglich gefordert, die Bank möge die Sicherheiten, also die umstrittenen Grundstücke, freigeben, so dass diese hätten frei verkauft werden können.

Im Mai vergangenen Jahres hatten die Tilp-Anwälte die Lage so dargestellt: „Die Grundstücke damals nicht freizugeben, war ein Pflichtverstoß der Deutschen Bank. Durch die dadurch verursachte Insolvenz ist unserem Mandanten Schaden entstanden.“ Daher klagt Sabet auf Schadenersatz. „Wurden die Grundstücke im August 2013 tatsächlich teurer als für 6,7 Millionen Euro verkauft, hätte die Übersicherung der Deutschen Bank auf der Hand gelegen wie auch der Anspruch auf Schadenersatz“, sagt Andreas Tilp, Geschäftsführer bei Tilp, im Mai 2018 gegenüber unserer Zeitung. Die Bank hat auf Anfragen unserer Zeitung zu diesem Fall stets erklärt, man wolle sich nicht äußern.

Die hohe Schadenersatzforderung erklärt sich so: Nach Angaben der Anwälte der Familie wurde auf deren Grundstücken insbesondere ein neuartiger Motor entwickelt. Die Kosten für entgangenen Gewinn aus der Motorenentwicklung machen den weitaus größten Teil des Klagewerts aus. Der Rest bezieht sich auf die Grundstücke und auf das Warenlager voll wertvoller Teppiche. Die Familie galt viele Jahre als weltgrößter Händler von Orientteppichen. „Eine Klage in dieser Höhe gab es von einem Privatmann zwar noch nie“, erklärt Andreas Tilp. „Doch der Klagewert lässt sich juristisch begründen. Dazu stehen wir“, so der Anwalt im vergangenen Jahr gegenüber unserer Zeitung.

Nun zu besagtem neuen Dokument: Durchgeführt hat den Verkauf im August 2013 der Jurist und Insolvenzverwalter Steffen Beck. Über verschiedene Sprecher hatte dieser den strittigen Verkauf stets verteidigt. Im Mai vergangenen Jahres ließ er beispielsweise ausrichten: „Der Verkauf im August 2013 war die bestmögliche Lösung. Zuvor hatte es drei erfolglose Zwangsversteigerungen ohne Gebot gegeben. Herr Sabet ist vor Gericht in allen Prozessen gescheitert.“

Doch in einem Schriftsatz, der von der Kanzlei, für die Beck arbeitet, am 8. November 2018 ans Landgericht Stuttgart geschickt wurde, wird ein anderes Bild gezeichnet. In dem Dokument ist die Rede von einem Angebot für das umstrittene Bauland aus dem Jahr 2008. Damals habe ein Investor namens FTG satte 14 Millionen Euro für die Grundstücke geboten. In dem Schriftsatz heißt es dazu: Die Deutsche Bank habe ­dieses Kaufangebot abgelehnt. Der Insolvenzverwalter „war daher aus Rechtsgründen nicht in der Lage, das Angebot der FTG zu einem Preis von 14 Millionen Euro anzunehmen“.

Aus Sicht von Sabets Anwälten ist diese Aussage nichts weniger als eine Sensation. Andreas Tilp sagt: Der Schriftsatz vom 8. November 2018 „bedeutet in einem wesentlichen Punkt eine Wende.“ Der Jurist fügt hinzu: „Bisher hatte Herr Beck gegenüber dem Insolvenzgericht und auch sonst negiert, dass es Kaufangebote gab, die über 6,7 Millionen Euro lagen.“ Hafez Sabet selbst erklärt: „Insolvenzverwalter Beck gibt jetzt erstmals zu, dass die Deutsche Bank ihn gehindert hat, die Sabet-Grundstücke am Pragsattel zu mindestens 14 Millionen Euro zu veräußern.“

Mit den Aussagen aus dem neuen Schriftsatz der eigenen Kanzlei konfrontiert, erklärt ein Sprecher des Insolvenzverwalters nun: „Der Verkauf im August 2013 war die bestmögliche Lösung. Es war das einzige rechtlich verbindliche Angebot.“ Der Sprecher betont weiter: „Zur Klarstellung: Bei dem Angebot aus 2008 handelte es sich um ein rechtlich nicht verbindliches Angebot.“ Auch im dem neuen Schriftsatz ist von einem rechtlich nicht verbindlichen Angebot die Rede. Der Sprecher verweist zudem erneut darauf, dass die Zwangsversteigerung der Grundstücke erfolglos geblieben sei.

Die Deutsche Bank reagiert trotz mehrfacher Nachfrage unserer Zeitung nicht auf den Vorwurf, man habe den Insolvenzverwalter daran gehindert, ein besseres Angebot anzunehmen. Ein Sprecher der Bank erklärt nach langer Bedenkzeit lediglich: „Zu Details werden wir uns mit Blick auf das laufende Verfahren nicht äußern.“

Welche der beiden Seiten am Ende Recht bekommt, wird sich wohl erst vor Gericht zeigen. Die Anwälte von Hafez Sabet gehen mit Blick auf die Milliarden-Klage davon aus, dass der eigentliche Prozess wohl frühestens im Herbst dieses Jahres beginnen wird.

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Erstellt:
11. Februar 2019, 03:04 Uhr

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