Weniger Besuche vom Backnanger Oberbürgermeister
Lange Zeit haben die Vertreter der Stadt Backnang den Bürgern nicht mehr persönlich zu Geburtstagen oder Ehejubiläen gratuliert. Nun kommen sie bei besonderen Anlässen wieder zu den Bürgern nach Hause. Die Altersgrenze für Besuche verschiebt sich allerdings deutlich.
Von Carolin Aichholz
Backnang. Um besondere Anlässe gebührend wertzuschätzen, kommt in vielen Städten und Gemeinden ab einem gewissen Alter auch gerne mal der Bürgermeister oder ein Stellvertreter zu Besuch, um dem Jubilar auch persönlich zu gratulieren.
Diese Besuche wurden in Backnang und vielen anderen Kommunen im Zuge des Lockdowns während der Pandemie abgesagt und bislang auch nur in Ausnahmefällen wieder aufgenommen. Das soll sich jetzt ändern. Seit Sonntag gelten nun die neuen Regelungen, die von der Stadtverwaltung beschlossen wurden. Über Besuche dürfen sich nun nur noch ältere Mitbürger freuen.
Seit seinem Amtsantritt hat Oberbürgermeister Maximilian Friedrich insgesamt zu über 1000 Geburtstagen und Ehejubiläen schriftlich und auch in Form eines persönlichen Besuchs gratuliert, teilt Pressesprecher Christian Nathan mit. Zukünftig erhalten auch die Bürger ab dem 80. Geburtstag jährlich eine Grußkarte.
Persönlich beglückwünscht werden die Backnanger nun erst am 90. und 95. Geburtstag im Stadtgebiet von einem der ehrenamtlichen Stellvertreter des Oberbürgermeisters. In den Ortsteilen erledigen das die Ortsvorsteher. Und wer einen persönlichen Glückwunsch von Maximilian Friedrich oder dem Ersten Bürgermeister Stefan Setzer bekommen möchte, muss dafür ganze 100 Jahre alt werden.
Auch das gemeinsame Altwerden
wird besonders gewürdigt
Zur Feier des 50. Hochzeitsjubiläums erhält das Ehepaar wie bisher eine Gratulationskarte vom Oberbürgermeister sowie ein kleines Präsent zugesandt.
Zur diamantenen Hochzeit, also nach 60 Jahren Ehe, können sich die Jubilare zudem über einen Besuch durch einen ehrenamtlichen Stellvertreter des Oberbürgermeisters oder des Ortsvorstehers freuen. Paare, die das besondere Fest der eisernen Hochzeit und damit 65 gemeinsame Ehejahre feiern, werden zu diesem Anlass mit einem Besuch von Maximilian Friedrich bedacht.
Dass die Regelungen angepasst werden müssen, war Heinz Franke klar. Er ist einer der drei ehrenamtlichen Stellvertreter, die oft Geburtstagsbesuche im Namen der Stadt Backnang übernehmen. „Die Dimensionen, die diese Besuche angenommen haben, waren nicht mehr leistbar“, sagt der Rentner. Denn die Menschen werden immer älter, man könne nicht mehr auf jedem Geburtstag dabei sein. „Da haben wir überlegt, welche Regelung ist sinnvoll und für uns auch machbar“, erklärt Heinz Franke.
Auch Lutz-Dietrich Schweizer vertritt den Bürgermeister hin und wieder bei Geburtstagsbesuchen. Er freut sich darauf, dass die Besuche wieder aufgenommen werden, ist bei der Altersanpassung jedoch noch skeptisch. „Ich habe auch immer gerne die vielen rüstigen und mobilen 80-Jährigen besucht“, sagt Schweizer. Von einem Vertreter der Stadt beglückwünscht zu werden, sei für viele ein besonderes Highlight.
In kleineren Gemeinden sind die Geburtstagsbesuche fast ausschließlich Chefsache. Frank Hornek ist seit fast 30 Jahren Bürgermeister in Kirchberg an der Murr. Dort werden die Bürger bereits seit Beginn seiner Amtszeit erst zum 90. Geburtstag von ihm besucht. Diese Regelung habe ihn anfangs verwundert, doch er habe diese jahrzehntelang bestehende Praxis dennoch übernommen und nicht geändert. „Dafür besuche ich die Menschen ab ihrem 90. Geburtstag dann auch jedes Jahr“, sagt er.
Nach der Pandemie hat er im Januar damit begonnen, diese Besuche wieder aufzunehmen. Ungefähr 40 solcher Besuche im Jahr stehen in seinem Kalender und er erledigt alle selbst. „Nur in meinem Urlaub muss mich natürlich jemand vertreten.“
Die Zahl der über 90-Jährigen hat sich verdreifacht
Diese Termine sind für ihn damit zwar noch zu schaffen, es sind jedoch wesentlich mehr als noch vor 30 Jahren. „Die Zahl der über 90-Jährigen in Kirchberg hat sich inzwischen verdreifacht“, erläutert der Bürgermeister. Der Grund liegt für ihn auch im Bau des Pflegeheims und damit im Zuzug vieler älterer Bürgerinnen und Bürger. Die Besuche liegen ihm sehr am Herzen, sie seien stets spannend und interessant.
So sieht das auch die Bürgermeisterin der Gemeinde Burgstetten, Irmtraud Wiedersatz, der „ihre“ Seniorinnen und Senioren sehr am Herzen liegen. Sie hat mit 80 Terminen im Jahr ebenfalls viel zu tun, eine Stunde Zeit nimmt sie sich etwa pro Jubilar. Sie sieht diese Termine auch als Wertschätzung des Alters der Bürger.
Goldene, diamantene und eiserne Hochzeiten besucht sie und zum Geburtstag schaut sie bereits bei den 80-Jährigen vorbei. Ab einem Alter von 90 Jahren kommt auch sie zu jedem Geburtstag. „Diese Besuche sind interessant, weil man viel über die früheren Zeiten erfährt und oft über Gemeindepolitik diskutiert“, sagt Wiedersatz. „Und alle freuen sich sehr über den persönlichen Glückwunsch. Ich würde gerne mehr besuchen, wenn ich die Zeit dafür hätte.“
Sie sieht in den Besuchen auch noch eine andere wichtige Aufgabe. „Manche wohnen alleine und da ist es gut, wenn ich mal vorbeischaue. Ich werbe bei meinen Besuchen auch für unsere Alltagshelfer, die, wie der Name schon sagt, Unterstützung im Alltag anbieten.“ Beispielsweise könne man Fahrdienste zum Arzt oder zum Einkaufen vereinbaren. Dafür wurde extra eine Koordinierungsstelle im Rathaus eingerichtet. Und nicht nur die kommunalpolitischen Vertreter, auch das Landes- sowie das Staatsoberhaupt gratulieren den Bürgern, wenn auch lediglich in Schriftform.
Sogar Minister- und Bundespräsidentgratulieren zu besonderen Anlässen
Vom aktuellen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann erhalten alle Altersjubilare zum 90. und 100. Geburtstag eine Glückwunschurkunde. Langjährige Ehepaare werden zum 50., 60., 65., 70. und 75. Hochzeitstag mit einer Glückwunschurkunde bedacht. Ab der Vollendung des 105. Lebensjahr erhalten „Geburtstagskinder“ jährlich sogar nicht nur eine Urkunde, sondern ein Glückwunschschreiben des Ministerpräsidenten.
Damit belegt Winfried Kretschmann mit 80000 versendeten Glückwünschen pro Jahr den zweiten Platz der versendungsfreudigsten Ministerpräsidenten. Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder verschickt nicht zu übertreffende 635000 Schreiben pro Jahr an seine Jubilare.
Wer 100 Jahre alt wird, erhält viel Post. Sogar der Bundespräsident schickt dann einen Gruß. Ab dem 105. Geburtstag liegt dann auch jährlich ein Glückwunschschreiben vom Staatsoberhaupt im Briefkasten.