Wenn der Doktor keine Rolle spielt

So arbeitet die Redaktion (31): Wieso lässt die Zeitung akademische Titel einfach weg?

Wenn der Doktor keine Rolle spielt

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Wer in Deutschland auf ehrliche Weise einen Doktortitel erwerben möchte, muss dafür sehr viel Zeit und Mühe investieren. Je nach Fachrichtung dauert eine Promotion zum Teil mehrere Jahre. Wer es schließlich geschafft hat, ist zu Recht stolz auf seinen Titel. Deshalb reagieren manche Leute mit Unverständnis, wenn die Zeitung ihren Titel in der Berichterstattung einfach weglässt. Haben die Redakteure keinen Respekt vor der akademischen Leistung oder sind sie gar neidisch, weil sie selbst es an der Uni nicht so weit gebracht haben?

Die Erklärung ist eine andere: Journalisten denken bei ihren Texten vor allem an die Leser. Ein Artikel in einer Tageszeitung sollte leicht verständlich und flüssig zu lesen sein. Wenn aber im Backnanger Gemeinderat Frau Dr. Ulfert und Herr Dr. Ketterer über den Haushalt von Herrn Dr. Nopper diskutieren, dann wird der Bericht schnell sperrig.

Bei den großen Nachrichtenagenturen wie der Deutschen Presseagentur gilt deshalb seit jeher der Grundsatz, dass akademische Titel nur genannt werden, wenn sie für das Verständnis des Textes wichtig sind. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Zeitung über einen neuen Chefarzt an einem Krankenhaus berichtet. Die Information, dass dieser im entsprechenden Fachbereich promoviert oder sogar habilitiert hat, hat hier für den Leser Relevanz, weil dies Rückschlüsse auf die Qualifikation und Reputation des Mediziners zulässt.

Wenn derselbe Chefarzt in seiner Freizeit Schützenkönig wird, tun seine akademischen Titel hingegen nichts zur Sache und werden deshalb in der Zeitung auch nicht erwähnt. Gleiches gilt übrigens auch für die Politik, wo die Dichte an echten und bisweilen auch falschen Doktoren traditionell hoch ist. Deshalb ist zum Beispiel in den Fernsehnachrichten nie von Dr. Angela Merkel die Rede. Schließlich hat ihr Doktor in Physik mit der aktuellen Funktion als Bundeskanzlerin wenig zu tun.

Die Lokalredaktion der Backnanger Kreiszeitung und der Murrhardter Zeitung hat sich diesem in der deutschen Medienlandschaft allgemein üblichen Vorgehen vor einigen Jahren angepasst und lässt akademische Titel in aller Regel weg. Bei bekannten Amtsträgern wie dem Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper oder dem Rems-Murr-Landrat Richard Sigel wissen die meisten Leser ohnehin, dass diese promoviert haben. Auch aus diesem Grund ist eine regelmäßige Wiederholung der Doktortitel verzichtbar.

Die Regeln, die für andere gelten, wenden die Journalisten übrigens auch bei sich selbst an. Tatsächlich sitzen nämlich auch in manchen Zeitungsredaktionen Doktorinnen und Doktoren. Und auch deren Titel bleiben – zum Beispiel in der Autorenzeile – ungenannt.

Haben auch Sie eine Frage zur Arbeit der Redaktion, die wir in unserer Serie beantworten sollen? Dann schicken Sie eine E-Mail an redaktion@bkz.de.

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Erstellt:
20. Februar 2020, 11:30 Uhr

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