Strompreise
Wenn die Kilowattstunde 1,30 Euro kostet
Flatterhafte Tarife: Der Börsenpreis für Strom ist über die Schwelle von 1 Euro pro geschossen. Betroffen sind Kunden mit dynamischen Preisen. Es mangelt an Speicherlösungen und „Stromautobahnen“ – Nachbarländer ärgern sich.
Von Michael Maier
Der aktuelle Strompreis-Peak zeigt wieder einmal, wie anfällig das deutsche Stromnetz für Störfaktoren wie Wetterbedingungen ist. Am Donnerstag, 12. Dezember, führte eine sogenannte Dunkelflaute – also eine Phase mit außergewöhnlich geringer Wind- und Solarstromerzeugung – zu Strompreisen in historischer Höhe. Besonders betroffen: Kunden mit dynamischen Stromtarifen, deren Preise sich direkt an den Börsenstrompreisen orientieren.
Am Donnerstag erreichten die Preise im Intraday-Handel an der Strombörse EEX in Leipzig Spitzenwerte von über 1.000 Euro pro Megawattstunde – das entspricht über einem Euro pro Kilowattstunde. Für Kunden mit dynamischen Tarifen bedeutete dies, dass sie Strom in der Spitze für bis zu 1,30 Euro pro Kilowattstunde beziehen mussten. Zum Vergleich: Der aktuelle Durchschnittspreis für Haushaltsstrom in Deutschland liegt üblicherweise bei rund 40 Cent pro Kilowattstunde.
Strompreise und Dunkelflaute
Die Ursachen für diese Preisentwicklungen sind vielfältig, doch im Kern steht die Dunkelflaute. Aufgrund des winterlichen Wetters war die Solarstromproduktion ohnehin niedrig. Gleichzeitig erzeugten die Windkraftanlagen in Deutschland deutlich weniger Strom als erwartet.
Laut Bundesnetzagentur mussten Gaskraftwerke einspringen, um die Versorgung sicherzustellen – doch auch diese standen nur begrenzt zur Verfügung. Stattdessen liefen Heizölkraftwerke, die normalerweise nur selten genutzt werden, auf Hochtouren. Zusätzlich wurden große Mengen Strom aus Nachbarländern wie Österreich, Schweden, den Niederlanden und Norwegen importiert. Doch auch dort stiegen die Preise offenbar aufgrund der erhöhten Nachfrage aus Deutschland. In Bezug auf Schweden war sogar die Rede von einem mutmaßlichen „Strompreis-Schock“ (Bild).
Strompreise und Übertragungsnetze
Experten wie Sabrina Kernbichler von Energy Aspects Ltd warnen laut einem Bericht des Wirtschaftsnachrichtendients Bloomberg davor, dass der Import von Strom ebenfalls durch begrenzte Übertragungskapazitäten erschwert werde. Eine nachhaltige Lösung für solche Engpässe scheine momentan nicht in Sicht, zumal auch das steigende Netzentgelt für neue Infrastruktur den Strompreis in die Höhe treibt.
Dunkelflaute vom 12./13. Dezember 2024
- Historische Strompreise mit Großhandelspreisen von über 1.000 Euro/MWh (1,30 Euro/kWh für Endkunden mit dynamischen Tarifen).
- Europäischer Strommarkt: Deutschland bezog Strom aus Österreich, den Niederlanden, Dänemark und Norwegen – auch dort stiegen die Preise.
- Entspannung in Sicht: Zum Wochenende wird wieder mit sinkenden Strompreisen und mehr Windstromproduktion gerechnet.
Dynamischen Stromtarif gefällig?
Besonders hart trifft die Situation Verbraucher mit dynamischen Stromtarifen. Während solche Tarife an Tagen mit hoher erneuerbarer Stromproduktion oft Kostenvorteile bieten, geraten viele Kunden bei längeren Dunkelflauten in finanzielle Schwierigkeiten. Selbst Haushalte mit eigenen Energiespeichern haben Probleme, die Preisspitzen auszugleichen, da die Speicher relativ schnell erschöpft sein können.
Dunkelflaute bald wieder vorbei?
Die Preise sollten sich jedoch bald stabilisieren, heißt es. Bereits für das Wochenende wird mit einer Erholung der Windstromproduktion gerechnet, was die Strompreise wieder senken könnte. Nach Angaben des Stromanbieters Tibber könnte der durchschnittliche dynamische Strompreis am Sonntag bei rund 8 Cent pro Kilowattstunde liegen – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den Rekordwerten der Woche.
Stromtarife mit Festpreisgarantie
Normalverbraucher sind von den Schwankungen indes nur wenig betroffen, da am Strommarkt zumindest im Privatkundenbereich üblicherweise ein fester Preis pro Kilowattstunde vereinbart wird – mit Bindung auf ein Jahr oder zumindest einige Monate. Allerdings werden dynamische Stromtarife teilweise auch an Privatkunden verkauft, die sich davon einen wirtschaftlichen Vorteil versprechen.
Dynamische Strompreise in Spanien
Länder wie Spanien haben als Standard vor einigen Jahren sogar auf bewegliche Strompreise in Abhängigkeit von der Börse umgestellt. Wer dort Wert auf Festpreise legt, muss eigens einen speziellen Vertrag abschließen – im Vergleich zu Deutschland also genau umgekehrt.
Allerdings ist die Stromversorgung in Spanien wesentlich stabiler als in Deutschland mit seiner flatterhaften Windenergie – unter anderem durch Photovoltaik sowie LNG-Gas, das aus wirtschaftlichen Grundsatzüberlegungen auch aus Russland angekauft und per Schiff geliefert wird. Zu Ausreißern durch Wetterlagen ist es aber auch dort schon gekommen.
Die jüngste Dunkelflaute in Deutschland unterstreicht einmal mehr die Herausforderungen der Energiewende: Um die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und besonderen Wetterlagen zu reduzieren, sind langfristige Investitionen in den Netzausbau („Stromautobahnen“), Speichertechnologien und die Diversifizierung der Energieerzeugung erforderlich.