Pisa für 16- bis 65-Jährige

Wenn Erwachsene die einfachsten Sätze nicht verstehen

Die Pisa-Ergebnisse versetzen Deutschland regelmäßig einen Schock. Jetzt wurden in einer Studie nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen getestet – mit Ergebnissen, die aufmerken lassen. Zwei Probleme sind besonders auffällig.

Wie gut können Erwachsene lesen und rechnen? Damit hat sich jetzt eine eigene Studie beschäftigt.

© KNA/Julia Steinbrecht

Wie gut können Erwachsene lesen und rechnen? Damit hat sich jetzt eine eigene Studie beschäftigt.

Von Tobias Peter

Erwachsenen-Pisa: Das ist das Wort, mit dem sich die Internationale Studie zur Untersuchung von Alltagsfähigkeiten Erwachsener (PIAAC) am besten zusammenfassen lässt. Sie wird, wie der große Kompetenzvergleich für die Schülerinnen und Schüler, von der OECD durchgeführt. Wie gut schneiden die Menschen in Deutschland, die aus dem Kindesalter raus sind, hier ab? Das Wichtigste in Fragen und Antworten.

Wie sind die deutschen Ergebnisse? Die 16- bis 65-Jährigen in Deutschland liegen beim Lesen, in Mathe und bei der angewandten Problemlösung im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld. Das bedeutet: Ihre Ergebnisse liegen über dem Durchschnitt der 31 Länder und Volkswirtschaften, die an dem Vergleichstest teilgenommen haben – wenn auch nicht sehr weit darüber. Die Spitzenreiter Finnland, Japan, Schweden und Norwegen sind deutlich besser. Für Deutschland lassen sich aus den Ergebnissen zudem zwei größere Probleme ablesen. Eines davon sind die schlechten Ergebnisse im untersten Leistungsspektrum.

Was bedeutet das konkret? Es gibt eine größere Anzahl Menschen, die einfachste Aufgaben nicht lösen können oder mindestens größere Probleme damit haben. Neun Prozent der Menschen in Deutschland können beim Leseverstehen noch nicht einmal Aufgaben der Stufe 1 bewältigen. Weiteren 13 Prozent gelingt das gerade noch – aber dann ist für sie die Grenze der Leistungsfähigkeit erreicht. Mehr als 20 Prozent der Getesteten verfügen also nur über ein minimales Kompetenzniveau. Denn Aufgaben der Stufe 1 sind solche, die ein 10-Jähriger bewältigen können sollte. In Mathe sind die Ergebnisse ähnlich. Auch hier erreicht ein Fünftel beim Leistungsniveau nur Stufe 1 oder ist noch schlechter.

Woran scheitern Menschen, die beim Leseniveau nicht einmal die erste Kompetenzstufe schaffen? Die Tests sind auf dem Tablet durchgeführt worden. Eine Aufgabe bestand darin, eine Übersicht mit Kindergartenregeln zu lesen. Darin standen Sätze wie: „Bitte bringen Sie Ihr Kind vollständig angezogen mit, nicht im Schlafanzug.“ Oder auch: „Bitte bringen Sie eine kleine Decke oder ein Kissen und/oder ein kleines Stofftier für den Mittagsschlaf mit .“ Und: „Bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind bis 10 Uhr hier ist.“ Die Aufgabe bestand zunächst lediglich darin, auf der Liste mit den Regeln den Satz zu markieren, der zu der Frage passt: „Um welche Uhrzeit sollten die Kinder spätestens im Kindergarten eintreffen?“ Wer das nicht hinbekommt, scheitert bereits an Stufe 1. Die schwachen Fähigkeiten zum Leseverständnis sind nicht nur ein berufliches Problem, sondern können auch im Alltag zu erheblichen Schwierigkeiten führen.

Und was ist das zweite größere Problem, das die Ergebnisse für Deutschland zeigen? In Deutschland sind familiärer Hintergrund und Bildungserfolg eng aneinandergekoppelt. Das ist, wie auch das schlechte Kompetenzniveau am unteren Ende, keine Überraschung. Denn beide Probleme spiegeln sich auch seit langem in den Ergebnissen der regelmäßigen Pisa-Vergleiche für Schüler wider. Auch das Erwachsenen-Pisa zeigt: Wer Eltern mit einem hohen Bildungsniveau hat, schneidet deutlich besser ab als jemand aus einer Familie mit einem niedrigen Bildungsniveau. Schlechte Chancen werden weitervererbt. Die große Bildungsungleichheit ist ein zentraler Punkt, der Deutschland von Spitzenreitern in der internationalen Vergleichsstudie wie Finnland oder Schweden unterscheidet. In Sachen Bildungsgerechtigkeit hat Deutschland ähnlich schlechte Ergebnisse wie die USA, in denen die Gesellschaft seit jeher auf einer größeren Ungleichheit beruht.

Sind die Ergebnisse repräsentativ? Ja. Für die Studie wurden in 31 Ländern und Volkswirtschaften 160 000 Menschen im Alter von 16 bis 65 Jahren befragt. Erhoben wurden die Daten bereits im Jahr 2023 – die Auswertung bei einer so großen Studie erfordert viel Zeit. In Deutschland sind 5000 Menschen befragt worden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ihren Sitz in Paris. Zu den 31 Ländern, die an der Studie teilgenommen haben, gehören neben zahlreichen europäischen Ländern auch die USA, Kanada, Neuseeland, Singapur und Chile.

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Erstellt:
10. Dezember 2024, 15:52 Uhr

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