Volksbank-Stuttgart-Chef Zeidler
„Wenn Mittagspause nicht reicht, um eine Mercedes-Aktie zu kaufen, stimmt etwas nicht“
Die Volksbank Stuttgart ist nah dran an den Kunden und ein guter Seismograf für die Entwicklungen in der Region. So boomt der Aktienkauf. Doch Vorstandschef Stefan Zeidler warnt vor zu viel Bürokratie und Insolvenzen.

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Volksbank-Kunden werden vermehrt zu Aktionären. Aber es gibt auch einen Gegentrend.
Von Daniel Gräfe
Trump, Ukraine-Krieg, Rezession: Auch für eine Volksbank gibt es sicherlich ein besseres wirtschaftliches Umfeld, die Stuttgarter Volksbank sieht sich aber gerade in der Krise stark. Man könne mit persönlichen Kontakten und Vertrauen punkten, sagt Vorstandsvorsitzender Stefan Zeidler am Mittwoch zur Präsentation der Jahreszahlen. „Die Leute wollen in Phasen wie diesen dem Berater in die Augen schauen.“
Zehntausende Stuttgarter sind Miteigentümer der Volksbank
270 000 Privat- und Firmenkunden betreut die Volksbank Stuttgart, weitaus mehr als jeder Zweite ist Mitglied und damit Miteigentümer der Bank. Die Bank wirbt mit den direkten Kundenkontakten, wo man viel aus erster Hand über die Trends erfahre. Etwa, dass die Bereitschaft zum Aktienkauf massiv steigt. 4200 neue Wertpapierdepots haben die Kundinnen und Kunden im vergangenen Jahr neu eröffnet und dank der guten Entwicklung an den Aktienmärkten großteils ihr Vermögen dabei noch ordentlich vermehrt.
Es ist der Hauptgrund, dass das Geschäftsvolumen der Bank, das auch alle Kredite und Einlagen erfasst, 2024 um 880 Millionen Euro auf 18,3 Milliarden Euro wuchs – fast doppelt so stark wie im Vorjahr. Das Ergebnis vor Steuern liegt mit 55,2 Millionen Euro nur 1,9 Prozent unter dem Vorjahresrekord. Die Bankteilhaber können mit einer Dividende von vier Prozent rechnen.
Doch Zeidler warnt, was grundsätzliche Dinge betrifft. Wenig Verständnis hat er beim Aktienkauf für die vorgeschriebenen und von Verbraucherschützern gelobten Beratungsprotokolle. Sie kosteten Zeit und Geld. „Die Überregulierung ist dramatisch. Wenn die Mittagspause nicht mehr ausreicht, eine Mercedes-Aktie zu kaufen, dann stimmt etwas nicht.“
Gleichzeitig täusche der Aktienboom nicht über die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Nicht-Aktionäre hinweg. Unter dem Strich legten die Kundinnen und Kunden nach wie vor zu wenig Wertpapiere an und verschenken damit Geld. Grund sei oft die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz in einer Region, in der die Automobilindustrie sich auf Talfahrt befinde. Beliebt seien immer kürzere Anlagezeiten, viele wollten nicht länger als ein Jahr investieren. „Das führt zu einem Angstsparen“, meint Zeidler, zum Beispiel zur Anlage eines Tages- und Festgeldkontos.
Als Seismograf taugt die Bank auch für die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Region, etwa wenn es um Insolvenzen geht. Vor der Insolvenz komme die Pfändung, betont Zeidler, und vor der Pfändung das ungedeckte Konto. „Die schlechte Nachricht ist: Beides steigt seit zwei Jahren im zweistelligen Bereich an. Wir vermuten, dass es zu einigen Insolvenzen kommt, ob bei Unternehmen oder im privaten Bereich.“ Die Volksbank hat deshalb rund acht Millionen Euro zusätzlich in die Risikovorsorge gesteckt, so Zeidler. „Wir wissen nicht, wann es passiert, aber es wird passieren.“
„Wir schauen zu wenig auf die kleinen Firmen“, mahnt Zeidler
Zeidler sieht die Politik in der Verantwortung. „Wir schauen zu oft auf die großen Unternehmen und zu wenig auf die kleinen Firmen, die das Rückgrat der Wirtschaft sind.“ Vor allem die Bürokratie überfordere diese: Wenn ein Zehn-Leute-Unternehmen eine halbe Stelle für bürokratische Dinge einplanen müsse, könne es das nur schwer stemmen. „Es werden mehr Unternehmen unter Druck geraten. Andere fragen sich, warum sie es überhaupt noch machen“, so Zeidler. „Sie verkaufen dann die Firma noch oder geben sie einfach auf.“ Zeidler hat aber auch gute Nachrichten. Der für die Volksbank Stuttgart wichtige Immobilienmarkt habe sich 2024 sehr gut entwickelt. So habe die Immobilientochter „Volksbank Stuttgart Immobilien“ rund 30 Prozent mehr Objekte vermittelt als im Jahr zuvor. Das Neugeschäft in der Baufinanzierung sei um 27 Prozent auf 466 Millionen Euro gestiegen. Auch für das Jahr 2025 erwartet Zeidler einen lebhaften Immobilienmarkt: „Angesichts stetig steigender Mieten und einer moderaten Preisentwicklung bei Kaufimmobilien bei günstigen Finanzierungsbedingungen ist die Investition in Immobilien wieder interessant.“
Und wie sieht es mit dem persönlichen Service aus, für den die Bank steht? Man plane derzeit nicht, Filialen zu schließen, sagt Zeidler. Bewährt habe sich, dass man in den vergangenen Jahren sich Filialen mit der BW-Bank teilte. Würden Geldautomaten abgebaut, könnten Volksbank-Kunden oft Automaten anderer Kreditinstitute nutzen.
Die Zahl der Beschäftigten ist leicht auf rund 1000 gestiegen, den Mitgliederschwund aufzuhalten, ist schwer, auch wenn es bisher klappt. Viele seien bereits über 80 Jahre alt, betont Zeidler. Man müsse jährlich 5000 neue Mitglieder gewinnen, um die aktuelle Zahl von gut 175 000 zu halten – das seien rund 20 pro Arbeitstag. Auch für die Volksbank bleiben es herausfordernde Zeiten.