Wenns um Professuren geht, bleiben Frauen in der Minderheit
dpa/lsw Stuttgart. Neue Zahlen aus dem Wissenschaftsministerium zeigen: Bei der Gleichstellung an den Hochschulen im Land ist noch viel Luft nach oben. Dabei hatte der Südwesten einst ganz andere Pläne.
Baden-Württemberg hat zwar die meisten Eliteuniversitäten, beim Frauenanteil an den Hochschulen kann der Südwesten im Vergleich zu anderen Bundesländern dagegen noch deutlich aufholen. Zwar steigt die Quote seit Jahren stetig, aber auch nur langsam. Das geht aus der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf eine Anfrage der SPD-Fraktion hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Demnach war zwar fast die Hälfte aller Absolventen im Prüfungsjahr 2019 weiblich, es war aber nur etwas mehr als jede fünfte Professorenstelle (21,9 Prozent) mit einer Frau besetzt. Bei den Doktoranden lag der Frauenanteil noch bei 43,1 Prozent. Besser vertreten sind Frauen dagegen in den Hochschulräten (2021: 48,4 Prozent), allerdings wird der Anteil von mindestens 40 Prozent dort auch vom Land gesetzlich vorgegeben. In den Senaten (2021: 40,1) und den Hochschulleitungen (2020: 31,2) sieht es ebenfalls besser aus.
„Baden-Württemberg ist von einer tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung immer noch sehr weit entfernt“, bemängelte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. „Je höher es auf der Karriereleiter geht, desto stärker sinkt der Anteil der Frauen.“ Die Anstrengungen von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) reichten bei weitem nicht aus. „Leider hat Baden-Württemberg offensichtlich noch einen weiten Weg vor sich“, sagte Stoch. Kaum ein anderes Bundesland stehe zum Beispiel bei den Professuren schlechter da als der Südwesten.
Bauer verweist auf den steigenden Frauenanteil und betont, die Gleichstellungssituation an den staatlichen Hochschulen in Baden-Württemberg habe sich in den vergangenen Jahren insgesamt verbessert. Grund seien nicht zuletzt zahlreiche Stipendien, Initiativen und Vorgaben des Landes an die Hochschulen. Vor allem bei den Räten und in den Leitungen seien deutlich mehr Frauen beschäftigt als zuvor. Auch der Anteil der von Frauen besetzten Professuren nimmt seit zwei Jahrzehnten stetig zu - wenngleich nur gering. Waren im Jahr 1999 noch 8,4 Prozent aller entsprechenden Posten weiblich besetzt, stieg die Quote auf 16,8 Prozent im Jahr 2010 und auf 20 Prozent fünf Jahre später.
Sehr unterschiedlich liegt der Frauenanteil an den Professuren, wenn man die Hochschularten unterteilt. Die Pädagogischen Hochschulen (PH) erreichen hier 42,8 Prozent (2019), die Universitäten 23,1 Prozent, bei den Kunst- und Musikhochschulen sind es 26,9 Prozent und bei den Dualen Hochschulen 18,2 Prozent. Allerdings ist bei den PH im Land auch der Anteil der Absolventinnen mit 83,5 Prozent mit weitem Abstand am höchsten.
Das Ungleichgewicht ist allerdings auch Bauer bewusst: „Es wird deutlich, dass bis zum Erreichen tatsächlicher Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung vom Land und den Hochschulen weitere Anstrengungen erforderlich sind“, antwortete sie der SPD auf deren Anfrage. Das Land hatte einst auch ganz andere Pläne: Bauers Vorgänger Peter Frankenberg (CDU) hatte bereits im Jahr 2008 bessere Chancen für Frauen an Hochschulen versprochen und das Ziel ausgegeben, den Anteil von Professorinnen auf 30 Prozent zu erhöhen.
Vor allem die sinkenden Frauenanteile entlang der einzelnen Karrierestufen - bekannt auch als „leaky pipeline“ - sind im deutschen Wissenschaftssystem seit langem als Problem erkannt. Nach Angaben des Ministeriums müssen Hochschulen zwar Gleichstellungspläne erstellen und darlegen, wie sie die Chancengleichheit von Frauen und Männern fördern und welche Ziele sie sich setzen. Allerdings räumt das Ministerium auch ein, dass eine Hochschule keine Konsequenzen zu befürchten hat. Es gebe zwar „Dialoggespräche zu den Struktur- und Entwicklungsplänen“, in denen beraten wird, wie Ziele erreicht werden könnten. Es hieß aber auch: „Die Nichterreichung der Ziele der Gleichstellungspläne führt zu keinen Konsequenzen in finanzieller Hinsicht.“
Das Land unterstützt die Wissenschaftlerinnen mit individuellen Förderprogrammen, für die laut Ministerium jährlich rund vier Millionen Euro bereitstehen.
Marion Woelki, Vorstand der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten, sieht die Nachteile vor allem in der Struktur des Uni-Betriebs. Die wissenschaftliche Karriere bis hin zur Professur dauere zu lange und unterliege sehr hohen Anforderungen wie Präsenz, Publikationen, Tagungen und Internationalität. Zudem sei sie extrem kompetitiv und an vielen Stellen nicht geschlechtergerecht.
„Viele Nachwuchswissenschaftlerinnen entscheiden sich daher nach der Promotion gegen ein Verbleiben in der Wissenschaft“, sagte Woelki, die das Gleichstellungsreferat der Konstanzer Universität leitet. Oft sei ihnen die Perspektive auf Dauerstellen zu unsicher, es mangele an gezielter Unterstützung und Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten.
Nachwuchswissenschaftlerinnen müssten über Karriereprogramme, Stellenangebote und flexible Kinderbetreuung gezielt gefördert werden, schlägt sie vor. Auswahlverfahren müssten gendergerecht gestaltet und Perspektiven auf Dauerstellen neben der Professur geschaffen werden.
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