Güter auf die Gleise?

Wer auf die Bahn setzt, zahlt drauf

Der CO2 -Ausstoß von Lastwagen wird nach einer Reform der Lkw-Maut zu einem noch stärkeren Kostenfaktor. Eigentlich eine Chance für die Schiene. Doch schon bei den verfügbaren Gleisen hakt es.

Für Stahltransporte ist die Schiene heute immer noch unersetzlich.

© Lotter

Für Stahltransporte ist die Schiene heute immer noch unersetzlich.

Von Andreas Geldner

Die Gleise im Ludwigsburger Industriegebiet haben schon mal bessere Zeiten gesehen. Nur ein einziger Betrieb, der Stahlhändler Lotter, empfängt hier heute noch eine Handvoll Güterwagen. Drei bis fünf sind es etwa am Tag, die von der Rangierlok über ein drei Kilometer langes Anschlussgleis aus dem nahen, großen Rangierbahnhof Kornwestheim bis ans Werkstor geschoben werden.

Stahl – das ist immer noch ein Klassiker der Eisenbahnfracht. Und vor allem deshalb liegen für Lotter hier als letzten Nutzer noch die Schienen. Für das Unternehmen eine klare Rechnung: Die schwere Fracht würde mit dem Lkw für einen hohen CO2-Ausstoß sorgen. Und auf die Waggons passt auch sperriger Stahl.

Geholfen hat dabei auch, dass die Gleise im Besitz der Stadt Ludwigsburg sind, die bei dieser Infrastruktur nicht so spitz rechnet wie die Deutsche Bahn. Bei einer nahe gelegenen weiteren Strecke musste Lotter hingegen selber das Heft in die Hand nehmen.

Firma muss selber bezahlen

Als die Deutsche Bahn im Jahr 2005 die Nebenstrecke von Ludwigsburg nach Markgröningen stilllegte, pachtete das Unternehmen von der Bahn kurzerhand einen 3,5 Kilometer langen Abschnitt und betrieb ihn auf eigene Kosten weiter, um weiterhin Waggons mit Flüssiggas zu einem Firmenlager zu bringen. Rund zehntausend Euro lässt sich die Firma das jedes Jahr kosten. Dass diese Gleise so weiter bestanden, hat sich im Nachhinein als wertvoll erwiesen, weil dieser Streckenabschnitt jetzt für die geplante Ludwigsburger Stadtbahn nicht erst reaktiviert werden muss.

Suchspiel mit Waggons

Für Lotter eignet sich die Bahn, weil es bei der Vorratshaltung im Stahllager häufig nicht auf den Tag ankommt. „Einen Lastwagen muss man gleich abladen – für einen Waggon hat man den Tag über Zeit, bis er abends wieder abgeholt wird“, sagt Geschäftsführer Helmut Ernst. Die auch im Güterverkehr notorischen Verspätungen sind dennoch ein Minuspunkt. „Es ist schon ärgerlich, wenn man auf den Waggon wartet und die Bahn nicht sagen kann, wo er ist“, sagt Ernst. Denn im Gegensatz zum Lkw ist es bei Güterbahnen noch immer nicht möglich, den Standort der Wagen durchgehend zu verfolgen. Die einzelnen Firmenstandorte untereinander per Bahn zu beliefern, sei wegen der kleinen Frachtmengen schwierig.

Wie findet man neue Nutzer?

Potenziell kämen auch Firmen in der Nachbarschaft als Nutzer in Frage. Doch es sei lange her, seitdem man diese von einer gemeinsamen Nutzung zu überzeugen versucht habe, heißt es bei Lotter. „Es sind eigentlich genügend Firmen vor Ort und haben Produktionsstätten“, sagt die grüne Ludwigsburger Landtagsabgeordnete Silke Gericke: „Wir bräuchten einen Runden Tisch, um die Schiene besser mitzudenken.“

Deutsche Bahn oft nicht interessiert

Da Lotter nur einzelne Waggons empfängt, ist der Stahlhändler von der Deutschen Bahn abhängig. Sie ist das einzige Unternehmen, das in Deutschland ein ausreichend großes entsprechendes Netzwerk unterhält – und mit diesem inzwischen staatlich subventionierten Angebot dennoch rote Zahlen einfährt. Es gebe keinen bei der Bahn, der solche Verkehre wirklich verkaufen wolle, heißt es bei vielen Firmen.

Zahl der Gleisanschlüsse dümpelt vor sich hin

Ein Wust an Regularien und eine effektive Benachteiligung gegenüber der Straße schreckten zudem viele Firmen ab, sagt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, der eine umfangreiche Liste an Behinderungen und Benachteiligungen zusammengestellt hat. Ein Beispiel: Wer die Gleise von seinem Werk an das öffentliche Bahnnetz anbinden will, muss selber für die Kosten aufkommen. Auf der Straße gilt das nicht.

Um die Gleise zu betreiben, braucht es im Gegensatz zur Straße umfangreiche Genehmigungen. Und viele Firmen mit Gleisanschlüssen fürchten das Risiko, dass die Deutsche Bahn, wie das in der Vergangenheit geschehen ist, auf einmal aus wirtschaftlichen Gründen die Bedienung einstellt.

Das Land bietet Unterstützung an

Das Land Baden-Württemberg versucht, im Rahmen seiner Möglichkeiten gegenzusteuern. Man beobachte ein verstärktes Interesse der Unternehmen, vorhandene Gleisanschlüsse zu reaktivieren, heißt es im Verkehrsministerium. Das Land hat ein Kompetenzzentrum aufgebaut, das Firmen durch die komplexen Förder- und Genehmigungsanträge lotst.

Aber die Verantwortung liege in Berlin. Es brauche mehr Kostengerechtigkeit, welche der Bund und die EU schaffen müssten. „Der Schienenverkehr braucht nur etwa ein Viertel der Energie pro transportierter Tonne“, sagt Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die vom kommenden Jahr an geltende CO2-Komponente der Lastwagenmaut wird hier die Rechnung verändern. „Wir brauchen neben Gleisanschlüssen auch mehr dezentrale, sogenannte kombinierte Terminals zur Verladung der Güter auf die Schiene, wie zum Beispiel das Black-Forest-Terminal in Horb-Heiligenfeld“, sagt Hermann. Solche Terminals sind deshalb auch in Reutlingen und Lahr geplant.

Gleisanschlüsse als Stiefkind

Rückgang Seit dem „Mora C“ genannten, letzten umfassenden Kahlschlag der Deutschen Bahn vor zehn Jahren, bei dem etwa ein Drittel der Gleisanschlüsse gekappt wurden, dümpelt deren Zahl trotz aller Förderprogramme bei weniger als 2500. Um die Jahrtausendwende waren es sogar noch mehr als doppelt so viel wie heute.

Anschlüsse im Land Etwa 300 Gleisanschlüsse gibt es, laut der aktuellsten einer Zählung des Landesverkehrsministeriums aus dem Jahr 2020, heute noch in Baden-Württemberg. Manche werden allerdings nur selten oder gar nicht genutzt.

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Erstellt:
17. Oktober 2023, 11:40 Uhr

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