Prozess in Ingolstadt

Wer steckt hinter dem Kelten-Gold-Diebstahl?

Rund zwei Jahre nach dem spektakulären Golddiebstahl aus einem Museum in Oberbayern stehen vier Angeklagte vor dem Landgericht Ingolstadt. Die aber sagen kein Wort – und eine Spur zur überwiegend noch verschwundenen Beute scheint zu fehlen.

Einer der Angeklagten versteckt sich hinter einem Aktenordner.

© dpa/Sven Hoppe

Einer der Angeklagten versteckt sich hinter einem Aktenordner.

Von Patrick Guyton

Der Schock war groß, als die Angestellten des Keltenmuseums in Manching bei Ingolstadt am Morgen des 22. November 2022 zur Arbeit kamen. Die Türen waren aufgebrochen – und das Herzstück des Hauses, der antike Keltengoldschatz, war weg. 483 Goldmünzen aus dem ersten Jahrhundert vor Christus gestohlen, insgesamt rund 3,7 Kilogramm schwer. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sprach von einem „Anschlag auf unser kulturelles Gedächtnis und einen unersetzlichen Wert“.

Es überraschte die genaue Planung und auch die Dreistigkeit, mit der die Diebe vorgegangen waren. In Manching hatten sie nachts die Glasfaser- und Kupferkabel in einem Telekom-Verteilerhäuschen zerschnitten, 13 000 Bürger waren ohne Telefon und Internet. Damit war auch die Alarmanlage des Museums ausgeschaltet. Innerhalb von nur neun Minuten, von 1.26 bis 1.35 Uhr, waren sie ins Museum gelangt, hatten die Glasplatte der Vitrine ausgehebelt, das Gold genommen und waren weggefahren.

Die Anklage: schwerer Bandendiebstahl

Seit Dienstag stehen nun vier Männer vor dem Landgericht Ingolstadt. Sie haben nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Schatz gestohlen – und auch zuvor schon viele Jahre lang viele weitere Überfälle begangen. Schwerer Bandendiebstahl wird ihnen unter anderem vorgeworfen. Zwei kommen am Morgen herein in den Verhandlungssaal 011 und zeigen ihr Gesicht ganz offen. Zwei weitere verbergen sich hinter Mützen und Aktenordnern. 43 bis 52 Jahre sind sie alt, allesamt Deutsche aus Schwerin.

Mehr als zweieinhalb Stunden braucht die Staatsanwaltschaft, um die Anklage runter zu rattern. Erst da offenbart sich so richtig, um was für ein professionelles Diebesquartett es sich handelt. Seit 2007 sind sie laut Anklage schon zusammen, die ersten Raubzüge sollen ihnen seit 2014 nachgewiesen werden. Etwa im oberpfälzischen Pressath ihr Vorgehen war immer ganz ähnlich: Die Telekomkabel wurden zerstört, dann der Geldautomat in dem Einkaufszentrum mit einem Winkelschleifer aufgeflext. In Pressath wurden so knapp 11 000 Euro erbeutet. Tage später waren es im nordhessischen Edermünde 95 000 Euro bei einem Spielcasino. Die vier Männer hatten laut Anklage eine klare Aufgabenteilung: Zwei standen vor den Tatorten Schmiere, die beiden anderen gingen vor Ort zu Werk – mit Brecheisen, Sägen, Gartenscheren und anderem Equipment. Immer trugen sie Sturmhauben und Ganzkörper-Overalls, um auf Überwachungsbildern nicht erkannt zu werden. Sie stahlen laut Staatsanwaltschaft quer durch die Republik und auch darüber hinaus wie der Vorsitzende Richter Konrad Kliegl nebenbei sagte. Die Planung der Raubzüge und die Auskundschaftung der Orte war laut Staatsanwaltschaft äußerst akkurat durchgeführt. Zur Ausspähung mieteten sich die Angeklagten Autos. Sie nächtigten teils unter falschen Namen in Hotels, die aber einige Dutzend Kilometer von den Tatorten entfernt waren. Potenzielle Ziele lagen meist in kleinen Orten, nie in ihrem Schweriner Umkreis. Sie bevorzugten entlegene Gegenden wie Gewerbegebiete. In der Nähe musste ein Fluss oder ein See sein, um Werkzeug und Kleidung zu entsorgen. Auch wurde Wert gelegt auf einen Autobahnzugang, um rasch fort zu kommen.

Die vier Angeklagten schweigen

Die Angeklagten hatten, wie Staatsanwältin Sophie Sutor ausführt, eine „Frühjahrs-„ und eine „Herbstsaison“. Im Sommer und im Winter begingen sie keine Aktionen. Als Nächte wurde sonntags auf montags bevorzugt. Ein 47-Jähriger war wohl der handwerklich Begabteste. Alle Flexarbeiten machte er – mit Hörschutz und Schutzmaske. Wenn die Maschine zu heiß lief, kühlte man sie ab, damit kein Feuermelder anging. Sie nahmen dafür etwa Apfel- oder Orangensaft. Im Alltag gaben sich die Angeklagten als Bürger, die ihren Berufen nachgingen – sie sind Koch, Fliesen- und Dachdecker, Hotel- und Betriebswirt, Facharbeiter.

Über einen DNA-Treffer aus mehreren Diebstählen kam man den mutmaßlichen Tätern auf die Spur. Nun schweigen sie. Vom Goldschatz waren neun Monate später 70 der 483 Münzen bei einer Übergabe aufgespürt worden – eingeschmolzen in 18 Klumpen. Damit ist ihre geschichtliche Bedeutung verloren. 413 Münzen fehlen weiterhin. Der reine Materialwert liegt bei 250 000 Euro, als antike Sammlermünzen wären sie 1,5 Millionen wert.

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Erstellt:
21. Januar 2025, 17:16 Uhr

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