25.388 Haftbefehle in Baden-Württemberg

Wer suchet, der findet nicht immer - offene Haftbefehle im Südwesten

Diebstahl, Betrug, Fahren ohne Führerschein, Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz: Die Palette der Taten ist lang, wegen derer Menschen gesucht werden. Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.

Mal klicken die Handschellen bei der Einreise am Flughafen, mal bei einer zufälligen Verkehrskontrolle an der Autobahn. Gegen viele Menschen liegen offene Haftbefehle vor. (Symbolbild)

© dpa/Soeren Stache

Mal klicken die Handschellen bei der Einreise am Flughafen, mal bei einer zufälligen Verkehrskontrolle an der Autobahn. Gegen viele Menschen liegen offene Haftbefehle vor. (Symbolbild)

Von red/dpa/lsw

Mal klicken die Handschellen bei der Einreise am Flughafen, mal bei einer zufälligen Verkehrskontrolle an der Autobahn. Gegen viele Menschen liegen offene Haftbefehle vor. Bei den früheren RAF-Terroristen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub beispielsweise weiß man das. Doch oft sind die Gesuchten der Öffentlichkeit unbekannt. Dass es gar nicht so wenige sind, zeigt ein Blick ins polizeiliche Informationssystem.

Wie viele offene Haftbefehle gibt es in Baden-Württemberg?

25.388 Haftbefehle waren dort laut dem Landeskriminalamt (LKA) am Stichtag 1. Juli ausgeschrieben. Beim deutlich kleineren Teil (2.897) ging es demnach um die Festnahme von Tatverdächtigen. In den anderen 22.491 Fällen um Strafvollstreckung. Dabei geht es darum, dass die Strafe durchgesetzt wird, wenn ein Urteil gegen einen Straftäter rechtskräftig wird. 

Haftbefehle werden beispielsweise erlassen, wenn ein Täter oder eine Täterin die Haft nicht antritt oder eine Geldstrafe nicht rechtzeitig bezahlt. Ein anderer Anlass kann sein, wenn die Bewährung widerrufen wird - etwa weil nach einem Urteil gegen Auflagen verstoßen wurde.

Wie haben sich die Zahlen entwickelt?

Die Gesamtzahl offener Haftbefehle im Südwesten ist in den vergangenen Jahren laut dieser Statistik gestiegen. So waren es - jeweils zum 1. Juli - im vergangenen Jahr 23.294, ein Jahr zuvor 19.971 und 2021 sogar nur 13.542. Allerdings lag die Zahl 2020 mit 16.771 höher als ein Jahr später. Die Zahl der Festzunehmenden dagegen ist seither von 3.053 stetig gesunken.

Allerdings betont eine LKA-Sprecherin, dass der Vergleich der Zahlen zu bestimmten Stichtagen nur bedingt Aufschluss gibt. „Haftbefehle werden täglich vollstreckt, die Fahndungsnotierung nach der Person wird dann umgehend gelöscht“, erklärt sie. Gleichzeitig würden neue Haftbefehle erlassen und Personen zur Fahndung ausgeschrieben. Bei Stichtagserhebungen handelt es sich demzufolge immer nur um eine Momentaufnahme.

Was sagen diese Zahlen aus?

Die Polizei schreibt Haftbefehle den Angaben nach im polizeilichen Informationssystem in der Regel dann aus, wenn das zugrundeliegende Delikt in Baden-Württemberg bearbeitet wird. Die Haftbefehle betreffen also nicht zwingend nur Menschen, die im Südwesten wohnen oder sich hier aufhalten. Auch kann es mehrere Haftbefehle zu einer Person geben.

Um welche Taten geht es?

Bei den Haftbefehlen zur Strafvollstreckung geht es laut der LKA-Sprecherin hauptsächlich und in absteigender Reihenfolge um Diebstahlsdelikte, Straßenverkehrsdelikte, Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz und Betrugsdelikte.

Nach welcher Zeit werden offene Haftbefehle in der Regel vollstreckt?

Zu dieser Frage liegen zwar keine statistischen Daten vor. Dass man sich als Verbrecherin oder Verbrecher aber im Zweifel auch nach Jahrzehnten noch nicht in Sicherheit wähnen sollte, macht ein Blick in die Tiefen des polizeilichen Informationssystems deutlich: Die älteste dort von der Polizei Baden-Württemberg eingegebene Ausschreibung aufgrund eines Haftbefehls stammt der Sprecherin zufolge aus dem Jahr 1992.

Gibt es denn eine Ablaufzeit?

Das ist von Delikt zu Delikt unterschiedlich. „Im Wesentlichen sind dabei die strafrechtlichen Regelungen zur Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung der zugrundeliegenden Straftaten zu beachten“, erklärt die Sprecherin. Hier gilt etwa die alte Redewendung „Mord verjährt nie.“ Ansonsten richtet sich etwa die Verfolgungsverjährung nach der Höchststrafe, die das Gesetz für eine Tat allgemein vorsieht. Droht - außer bei Mord - eine lebenslange Freiheitsstrafe, endet die Verjährungsfrist nach 30 Jahren. Dann sinkt sie gestaffelt und beträgt für leichtere Kriminalität wie Fahren ohne Fahrerlaubnis und Beleidigung drei Jahre.

Verantwortlich für den Erlass von Haftbefehlen sind Gerichte. In der Regel beantragen Staatsanwaltschaften sie. Dafür gibt es verschiedene rechtliche Grundlagen - je nach Delikt, um das es geht. Auch die Ausschreibung zur Fahndung ist Sache der Justiz.

Wann sind die Suchen nach Kriminellen und Verdächtigen erfolgreich?

Haftbefehle können durch unterschiedliche Maßnahmen vollstreckt werden. „Grundsätzlich zieht ein erhöhter Kontrolldruck auch eine vermehrte Feststellung von Personen nach sich, nach denen – nicht nur per Haftbefehl – gefahndet wird“, erläutert die LKA-Sprecherin. So hatte die Bundespolizei in Stuttgart nach den vorübergehend verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Baden-Württemberg während der Fußball-Europameisterschaft mitgeteilt, dass allein mehr als 100 offene Haftbefehle vollstreckt worden seien. 

Wie erfahre ich denn, nach wem gefahndet wird?

In der Regel gar nicht, weil die Gesuchten nicht an den Pranger gestellt werden. In wenigen Ausnahmefällen fahndet die Polizei aber öffentlichkeitswirksam etwa mit Fotos von Überwachungskameras von möglichen Verbrecherinnen und Verbrechern. Auf der Internetseite fahndung.polizei-bw.de sieht man diese. Dort geht es aber auch um die Suche nach Vermissten oder Hinweise, die beim Identifizieren von Toten helfen sollen.

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Erstellt:
27. August 2024, 09:00 Uhr

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