Wickeltisch statt Büro
Elterngeld wird beliebter
Viele Unternehmen bezeichnen sich als familienfreundlich. Doch nach wie vor ist bei vielen Männern die Angst vor beruflichen Nachteilen groß.
Stuttgart Julian B. ist Rechtsanwalt und Steuerberater – und als solcher kennt er sich mit Rechtsansprüchen aus. Dennoch war der 33-jährige Würzburger zunächst besorgt, als er gegenüber seinem Arbeitgeber einen gesetzlich garantierten Anspruch geltend machen wollte: jenen auf Elternzeit nach der Geburt seiner Tochter. Wie die Vorgesetzte und die Kollegen in der Kanzlei seine Pläne, nach der Geburt fünf Monate zu Hause zu bleiben, um sich ganz Frau und Kind widmen zu können, wohl aufnehmen würden? Als seine Partnerin im fünften Monat schwanger war, suchte er das Gespräch mit seiner Chefin – und war erleichtert: „Sie hat ganz offen reagiert und meine Entscheidung unterstützt. Mir wurden keine Steine in den Weg gelegt.“
Die Zeiten, in denen Männer ihre Kinder nur abends im Schlafanzug sehen, sind weitgehend vorbei: Immer mehr junge Väter machen eine Babypause und nehmen Elterngeld in Anspruch. Laut jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes haben 2017 insgesamt 410 000 Väter Elterngeld bezogen – elf Prozent mehr als 2016. Doch die Elterngeld-Bezugsdauer von Vätern ist immer noch vergleichsweise kurz: Durchschnittlich 3,3 Monate blieben die Väter 2017 zu Hause. Und vier von fünf Vätern nahmen lediglich die Mindestbezugsdauer des Elterngeldes von zwei Monaten in Anspruch.
Das hat Gründe, die vor einiger Zeit in einer Forsa-Umfrage zutage traten: Demnach haben 45 Prozent der befragten Männer im Alter zwischen 20 und 55 Jahren Angst vor einem Karriereknick, wenn sie ihr gesetzlich garantiertes Recht auf Elternzeit wahrnehmen. Sie gaben an, mit „sehr oder eher negativen“ Konsequenzen zu rechnen.
Mitunter verdrängen Männer daher den Wunsch, näher und länger bei ihren Kindern zu sein. „Zwar bezeichnen sich viele Organisationen als familienfreundliche Unternehmen, in Wirklichkeit sind sie es aber gar nicht“, erklärt Annette von Alemann, Soziologin an der Universität Paderborn. „Unausgesprochene Erwartungen und verborgene Regeln widersprechen offiziellen Bekundungen.“ Insbesondere in Firmen, bei denen Umstrukturierungen anstünden, sei die Angst der Männer vor beruflichen Nachteilen durch Arbeitsreduzierung groß. Grundsätzlich seien Väter hier verwundbarer als Mütter, da sich viele auch heute noch als Ernährer ihrer Familie verstünden.
Bereits im Jahr 2010 kam eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung der Väter, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, stark von Erwerbsstatus und Einkommen der Partnerin abhängt. Ist die Partnerin in Vollzeit erwerbstätig, erhöht sich demnach die Chance, dass der Vater in Elternzeit geht, um 150 Prozent im Vergleich zu einem Paar, bei dem die Partnerin nicht erwerbstätig ist. Bei zwei erwerbstätigen Partnern ist die Chance beim Mann ebenfalls um etwa 150 Prozent höher, wenn die Partnerin das höhere Nettoeinkommen hat.
Auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes beider Elternteile ist ein wichtiger Faktor: So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein erwerbstätiger Vater Elternzeit in Anspruch nimmt, um mehr als 50 Prozent, wenn das Arbeitsverhältnis unbefristet ist, er eine Führungsposition innehat oder in einem großen Unternehmen beziehungsweise im öffentlichen Dienst tätig ist.
Volker Baisch ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Väter gGmbH, die sich darauf spezialisiert hat, familienfreundliche Unternehmenskulturen zu ermöglichen. Für ihn ist klar: Auch die Unternehmen müssen sich von traditionellen Rollenbildern verabschieden. Um qualifiziertes Personal langfristig zu binden, müssten Unternehmen auch die männlichen Mitarbeiter in ihrer Rolle als Elternteil unterstützen, sagt Baisch. „Der partnerschaftliche Vater will beides: Kind und Karriere.“ Dafür sei er auch bereit, vorübergehend in Teilzeit zu arbeiten. „Wollen Väter und Mütter eine umfassende partnerschaftliche Aufteilung leben, braucht es die Bereitschaft der Unternehmen, wirkliche Teilzeitarbeitsplätze für Väter zu schaffen.“ Mit einer Reduktion der Wochenarbeitszeit um fünf bis zehn Stunden, ohne das Arbeitsvolumen abzusenken, sei Vätern nicht geholfen. Vielmehr sei ein Umdenken erforderlich.
Dazu gehört auch, jungen Eltern im Anschluss an die Elternzeit das Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen. Das Angebot von Homeoffice sei auch ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte, heißt es beim IT-Branchenverband Bitkom. Die Unternehmen müssten sich umstellen, denn flexibles Arbeiten von zu Hause würden vor allem Hochschulabsolventen erwarten.
Auch die Väter selbst können einiges dafür tun, Widerständen bei ihrem Arbeitgeber vorzubeugen. Julian B. sagt, es sei sicherlich hilfreich gewesen, seine Vorgesetzte in der Kanzlei sehr früh informiert zu haben. „Auch die Personalabteilung rechtzeitig einzubinden kann nicht schaden.“
Wer es richtig macht, kann auch beruflich von seiner Babypause profitieren: „Ich bin in Stresssituationen deutlich gelassener geworden“, sagt Julian B. und ergänzt: „Das strahlt auch auf den Beruf aus.“ Im Übrigen sei es auch ein Vorurteil, dass Väter, die in Elternzeit gingen, eine ruhige Kugel schieben würden: „Die Zeit nach der Geburt meines Kindes war anstrengender als der Beruf.“ Denn auch in schwierigen Projekten könne man irgendwann mal abschalten und ein paar Stunden schlafen. „Ein kleines Kind nimmt da keine Rücksicht.“