Globaler Wandel

Wie Antibiotika-Resistenzen die globale Gesundheit bedrohen

Viele Antibiotika wirken nicht mehr, weil Bakterien zunehmend Resistenzen entwickeln. Die Folgen für die weltweite Gesundheit sind gravierend. Berliner Forscher sehen deshalb in der Antibiotika-Resistenz selbst einen wichtigen Faktor des globalen Wandels.

Die weltweite Gesundheit ist Teil des globalen Wandels. Die zunehmende Antibiotika-Resistenz dabei ein besonders gravierendes Problem. 
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Die weltweite Gesundheit ist Teil des globalen Wandels. Die zunehmende Antibiotika-Resistenz dabei ein besonders gravierendes Problem. Foto: Imago/Depositphotos

Von Markus Brauer

Der globale Wandel der Umwelt (englisch: global change) ist ein komplexes Phänomen, zu dem viele Faktoren wie zum Beispiel der Klimawandel, die Umweltverschmutzung durch Chemikalien, Mikroplastik, Lichtverschmutzung und invasive Pflanzen gehören. Eine Hauptaufgabe der „Global Change“-Biologie ist es, die Auswirkungen solcher Faktoren zu untersuchen und nach neuen Faktoren zu suchen.

Der Biologie Matthias C. Rillig von der Freien Universität Berlin und sein Forscherteam schlagen nun vor, auch die erhöhte Häufigkeit von Antibiotika-Resistenz-Genen in der Umwelt als einen solchen Faktor anzusehen. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht worden.

Paper just accepted Elevated levels of antibiotic resistance genes as a factor of human-caused global environmental change Will share link once available — Matthias C. Rillig (@mrillig) July 2, 2024

Globaler Wandel: Wie der Mensch in die Natur eingreift

Der Begriff globaler Wandel ist ein Sammelbegriff für verschiedene globale Veränderungsprozesse, die sich gegenseitig beeinflussen und verstärken. Dazu gehören weltweite Umweltprobleme, Überlastung der natürlichen Ökosysteme, starke Bevölkerungszunahme, wirtschaftliches Wachstum und Ressourcenverbrauch, Verlust der Biodiversität sowie soziale und demografische Folgen der Globalisierung.

 

 

Auch die globale Gesundheit ist Teil dieser Prozesse. Laut Rillig ist die zunehmende Antibiotika-Resistenz dabei ein besonders gravierendes Problem. „Diese Resistenz-Gene sind auch natürlicherweise in der Umwelt vorhanden, zum Beispiel im Boden, aber hier geht es um menschenverursachte Effekte.

Keime entwickeln gefährliche Resistenz

Die Zahl der Antibiotika-Resistenz-Gene nimmt zu. Grund ist die Reaktion auf Antibiotika, die aufgrund von unsachgemäßer Entsorgung und des erhöhten Gebrauchs in der Human- oder Tiermedizin in die Umwelt gelangen.

Allerdings nicht nur dort. Mehrere Faktoren des globalen Wandels erhöhen ebenfalls die Antibiotika-Resistenz. Belegt ist dies zum Beispiel für die Verschmutzung durch Schwermetalle oder mit Mikroplastik, aber auch bei zahlreichen anderen Faktoren.

 

 

Antibiotika-Resistenz verursacht globalen Wandel

„Angesichts der Vielzahl von ‚Global Change‘-Faktoren, welche die Antibiotika-Resistenz in der Umwelt erhöhen, der globalen Verbreitung dieser Effekte und der Tatsache, dass diese Gene biologische Effekte haben, sollte man die erhöhte Anzahl von Antibiotika-Resistenz-Genen selbst als einen Faktor des globalen Wandels ansehen“, erklärt der Biologe. Die Gene erfüllen demnach grundsätzlich alle Punkte der Definition eines Faktors des globalen Wandels.

 

 

Mit der Aufnahme von Antibiotika-Resistenz-Genen in die Liste der Faktoren des globalen Wandels ist laut Rillig zudem ein wichtiger Perspektivenwechsel verbunden. Bislang waren diese Resistenz-Gene nur Messvariablen. Dass bedeutet: Man untersuchte, ob und wie verschiedene menschengemachte Faktoren diese Gene beeinflussen. Nun aber werden diese Antibiotika-Resistenzgene selbst experimentell untersucht.

„Man kann also fragen, welche Effekte diese Gene haben zum Beispiel auf Prozessraten von Ökosystemen oder Biodiversität, wenn man sie in einem kontrollierten Experiment hinzufügt, und wie sie mit anderen wichtigen Faktoren des globalen Wandels interagieren“, erläutert der Forscher.

Antimikrobielle Resistenz: Gefahr für die Gesundheit

Nach Angaben des Europäischen Rechnungshofs sterben jedes Jahr rund 33 000 Menschen in der EU an Infektionen, die durch medikamentenresistente Keime verursacht wurden. Antimikrobielle Resistenz bedeutet, dass Mikroben wie Bakterien, Viren oder Parasiten Resistenzen gegen Arzneimittel entwickeln, die zuvor gewirkt haben.

„Antimikrobielle Resistenz ist eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit“, heißt es. Bislang spreche nur wenig dafür, dass die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung resistenter Keime die Gefahren für die Bevölkerung verringern konnten.

Übermäßiger Einsatz von Antibiotika schadet enorm

Eine zu häufige Verabreichung von Antibiotika an Menschen oder Tiere gilt als eine der Ursachen für die steigenden Resistenzen. Zumindest seien Antibiotika und andere antimikrobielle Medikamente bei Tieren zuletzt umsichtiger verwendet worden, heißt es im Rechnungshof-Bericht.

Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Masttierhaltung wird seit langem kritisiert. Auch in der Humanmedizin wird zum Teil ohne Not ein Antibiotikum verschrieben – etwa bei einer Erkältung, die keine bakterielle Erkrankung ist. In 90 Prozent der Fälle sind Viren Ursache einer Erkältung. Der Rechnungshof fordert, dass die Medikamente noch umsichtiger verwendet werden, die Resistenzen besser überwacht und Strategien für die Forschungsarbeit gestärkt werden.

Antibiotika sind Medikamente gegen zum Teil lebensbedrohliche bakterielle Infektionen. Langfristig könnten sie ihre Wirksamkeit verlieren, wenn die Bakterien „lernen“, sich den Antibiotika durch die Ausbildung von Resistenzen zu widersetzen.

Info: Antibiotika richtig einnehmen

7 Tipps für den richtigen Umgang mit Antibiotika

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Erstellt:
18. Juli 2024, 15:48 Uhr
Aktualisiert:
1. August 2024, 10:10 Uhr

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