Archäologie in Ägypten

Wie Archäologen in Ägypten zufällig ein uraltes Grab fanden

Wissenschaftler haben in Ägypten ein fast 3900 Jahre altes Grab entdeckt. Den wahren Reiz der Forschung macht für den Ägyptologen Jochem Kahl aber etwas anderes aus.

Die Grabkammer der ägyptischen Priesterin Idy bei Auffindung.

© ©/ Andrea Kilian/Jochem Kahl/The Asyut Project

Die Grabkammer der ägyptischen Priesterin Idy bei Auffindung.

Von Markus Brauer/dpa

Auch nach vielen Jahren der Feldarbeit und Erfahrung war es für den Ägyptologen Jochem Kahl ein Highlight. Ein von ihm geleitetes Forscherteam hat im Sommer 2024 im ägyptischen Assiut ein fast 3900 Jahre altes und sehr gut erhaltenes Grab einer altägyptischen Priesterin entdeckt. „Es war nie die Absicht, Idy zu finden“, sagt der Wissenschaftler, der Professor an der Freien Universität Berlin ist. „Das war völlig überraschend.“

Schätze aus der Nekropole von Assuit

Die Nekropole von Assiut (auch Asyut) liegt 375 Kilometer südlich von Kairo am Westufer des Nils. Schon vor mehr als 4000 Jahren wurden hier regionale Fürsten in aufwendig in den Felsuntergrund gehauenen Grabstätten bestattet.

Das Grab befindet sich in einem etwa 200 Meter hohen Berg aus Kalkstein, in dem zur Zeit der Pharaonen ungefähr 10.000 Menschen bestattet wurden, wie Kahl schätzt. Vor allem wohlhabende Menschen wurden dort begraben.

Das Grab von Priesterin Idy wurde jahrhundertelang von Forschern übersehen. „Es ist selten, heutzutage ein Grab in Ägypten zu finden, das ein relativ komplettes Grabinventar hat“, so Kahl.

Idy starb mit 40 Jahren und hatte ein Fußleiden

Zu den weiteren Grabbeigaben gehören Statuen, ein Dolch, Herrschaftsinsignien sowie Nahrungsopfer. Eine ebenfalls beschriftete Kiste enthielt die Kanopen, in denen die bei der Mumifizierung entnommenen Eingeweide Idys – Leber, Milz, Lunge und Gedärm – aufbewahrt wurden.

„Idys Särge und ihre Dekoration übertreffen zeitgleiche Objekte durch die Kunstfertigkeit ihrer Ausführung und knüpfen damit nahtlos an die herausragende Qualität der Texte und Bilder im Grab ihres Vaters an“, berichtet der Ägyptologie.

Die im Sarkophag gefundenen Gewandreste und Knochen der Hathor-Priesterin legen nahe, dass Idy im Alter von rund 40 Jahren gestorben sein muss und dass sie ein Fußleiden hatte. Sie hatte den Titel „Herrin des Hauses“ getragen, was sie als Frau aus einer wohlhabenden Familie ausweist.

Weitere Analyse der Relikte könnten in Zukunft noch mehr über Leben und Sterben der Priesterin verraten. Dafür müssen die Funde samt der Überreste der Toten vorsichtig und mit großem Aufwand aus dem engen, tiefen Schacht geborgen werden.

Vater der Priesterin wurde zum Gott erhoben

Idys Vater Djefai-Hapi I. wurde in der Antike vergöttlicht. Sein Grab war mehr als 2000 Jahre ein fester Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses des alten Ägyptens. Das Grab aus der Zeit um 1880 v. Chr. besticht durch seine monumentale Felsarchitektur mit über 11 Meter hohen, bis zu 28 Meter tiefen und 70 Meter weit in den Fels gehauenen Räumen, die mit Malereien und Inschriften versehen sind.

Sarg kunstvoll dekoriert

Neben den zwei ineinandergeschachtelten und mit kunstvollen Zeichnungen und Texten versehenen Holzsärgen – ein Zeichen für Wohlstand – fand das internationale Forschungsteam in der Kammer unter anderem Statuen, einen Dolch und Gefäße für die Eingeweide, sogenannte Kanopen.

Idys Mumie sei von antiken Grabräubern zerfleddert worden, erzählt Kahl. Ihre Knochen hätten nicht mehr im Sarg, sondern in einer Ecke der Kammer gelegen.

Ratschläge für die Reise ins Jenseits

Die Ritualtexte auf dem Sarg enthielten Tipps, wie der Übergang ins Jenseits gelinge oder auch Frage-und-Antwort-Spiele, die Idy bestehen müsse, so der Glaube der alten Ägypter.

„Also zum Beispiel: Ich bin das Gestern. Ich kenne das Morgen. Was bedeutet das?“, erläutert der Ägyptologe. Außerdem sei eine Liste mit Opfergaben auf die Innenseite des Deckels gezeichnet worden, die ihr symbolisch mit auf den Weg gegeben worden seien. Darunter unter anderem Brot, Bier, Öl, aber auch Pfeil und Bogen und 2000 Harfen.

Die Grabkammer befindet sich in der Seite eines rund 14 Meter tiefen Schachts innerhalb des Grabes ihres Vaters, Djefai-Hapi I., das aus der Zeit um 1880 v. Chr. stammt. Im Oktober wurde erstmals über den Fund berichtet. Das Grab hat Räume, die bis zu 11 Meter hoch und 28 Meter tief sind. Sie sind 70 Meter weit in den Berg gebaut. „Das ist das größte nicht-königliche Grab seiner Zeit in Ägypten“, berichtet Kahl.

„Unerschrockenheit und viel Herzblut“

Für die Ausgrabung mussten der Ägyptologe und seine Kollegen durch enge Schächte krabbeln. Bei 40 Grad und feuchter Luft sei das eine richtige Knochenarbeit. Die Arbeit erfordere Unerschrockenheit und viel Herzblut.

Rund 20 Wissenschaftler sowie zwischen 40 und 80 ägyptische Grabungsarbeiter seien jedes Jahr zwischen Mitte August und Mitte Oktober in Assiut beschäftigt. Die Arbeiten finden in Zusammenarbeit mit der Universität Sohag (Ägypten), der Universität Kanazawa (Japan) und der Polnischen Akademie der Wissenschaften statt.

6000 Jahre Geschichte der Menschheit

„Wir rekonstruieren die Geschichte dieser antiken Stadt, über all das, was wir auf dem Berg finden.“ Die Forschungsarbeiten liefen seit 21 Jahren. Kahl ist von Anfang an dabei. Es gehe um 6000 Jahre Geschichte, von 4000 Jahre v. Chr. bis heute.

Die Stadt selbst sei komplett überbaut worden und für die Forschung unzugänglich. Deshalb werde der Berg in Assiut, wo in den 1990er Jahren Terroranschläge verübt wurden, erforscht. Er diente nicht nur als Friedhof für Menschen, sondern auch als Bestattungsplatz für Tiere, war Ausflugsziel und Standort von Klöstern. Heute ist er Militärgebiet. „Wir arbeiten also sieben Tage in der Woche, 24 Stunden unter Polizeischutz.“ Auf dem Berg seien Soldaten stationiert.

Assiut habe einen großen Anteil am kulturellen Gedächtnis des Alten Ägypten, erklärte Kahl. In der Nekropole – so nennt man einen großen Friedhof, der wie eine Stadt angebaut ist – sind Inschriften von der Ersten Zwischenzeit (2205 bis 2020 v. Chr.) und des Mittleren Reiches (2020 bis 1630 v. Chr.) gefunden worden.

Wie es mit Idy weitergeht

Wie aufregend war die neuste Entdeckung für ihn? „Der Fund ist im Prinzip nicht mehr und nicht weniger als ein kleiner Baustein, um die Geschichte von Assiut besser zu verstehen“, betont Kahl. Berührend sei, dass es durch Idy persönlich werde und durch die Inschriften und Malereien so viele Informationen über sie vorlägen. Am meisten fasziniere ihn bei seiner Arbeit, die Kultur der alten Ägypter in Gänze zu erfassen.

In den nächsten Monaten werden die Funde aus der Grabkammer von Holz-Anatomisten, Restauratoren, Archäozoologen, Anthropologen, Fotografen, Grabungstechnikern und Ägyptologen untersucht und auch der Schacht soll genau inspiziert werden. Was passiert mit Idy, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind? „Sie wird wieder auf den Berg zurückgebracht.“

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Erstellt:
20. Dezember 2024, 11:20 Uhr

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