Wie der Rollator zur Gehhilfe wird
Mediziner aus Stuttgart und Berlin warnen: Bei falscher Handhabung drohen Unfälle bis hin zu folgenschweren Stürzen
Der Umgang mit Rollatoren ist nicht so einfach wie gedacht: Wichtig ist vor allem, auf eine aufrechte Haltung zu achten, sagen Ärzte und Altersforscher. Sie haben für Betroffene einen Ratgeber herausgebracht.
Berlin/Stuttgart Komische Blicke erntet heute niemand mehr, der mit einem Rollator unterwegs ist. Schätzungen zufolge sind in Deutschland bereits drei Millionen Rollatoren im Einsatz, Tendenz steigend. Dass die Gehwagen heute so allgegenwärtig sind, hat Vorteile: „Rollatoren sind nicht mehr mit einem Stigma behaftet“, sagt Joachim Dung von der Deutschen Seniorenliga. Manche Mediziner warnen aber davor, die Hilfsmittel vorschnell einzusetzen. Sie raten, einen Rollator nicht auf eigene Faust anzuschaffen, sondern erst nach einer Beratung durch den Arzt.
Inzwischen gibt es ein großes Angebot verschiedenster Modelle, sogar solche mit zusätzlichem Elektroantrieb sind auf dem Markt. „Grundsätzlich sind Rollatoren eine gute Sache, da dadurch die Mobilität erhalten bleibt. Die richtige Nutzung ist aber das A und O“, betont Dung. Denn nicht immer ist dieses Hilfsmittel die richtige Wahl. So können zum Beispiel Menschen, die auf längere Sicht unsicher beim Gehen sind, davon profitieren. Sind sie aber – zum Beispiel nach längerem Liegen – sehr geschwächt, bietet ihnen der Wagen zu wenig Stabilität. Dann kann ein Gehbock sinnvoller sein.
In anderen Fällen – etwa nach einer Hüftoperation – benötigen Patienten oft nur für kurze Zeit eine Gehhilfe. „Nur wer einen Rollator braucht, sollte ihn benutzen. Denn wer sich zu früh daran gewöhnt und daher bestimmte Fähigkeiten wie das Gleichgewicht nicht ausreichend trainiert, kann dies möglicherweise durch den Gebrauch des Rollators verlieren“, heißt es in dem Ratgeber „Rollator“, den das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) zusammen mit der Klinik für geriatrische Rehabilitation des Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart erstellt hat.
Rudolf Siegert von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie hält diese Befürchtungen für unbegründet. „Das Gleichgewicht wird dadurch trainiert, dass man sich bewegt“, sagt er. Da es der Rollator Menschen ermögliche, längere Strecken zu gehen, trage er zur Schulung des Gleichgewichts bei. „Auf der Straße sehe ich allerdings schon manchmal Menschen, bei denen ich mich frage: Brauchen sie den Rollator wirklich?“, berichtet der Experte für mobile geriatrische Rehabilitation. „Aber man muss mit Urteilen vorsichtig sein, da man die Patientengeschichte nicht kennt.“ Seiner Erfahrung nach sei es auch nicht so, dass Patienten vorschnell einen Gehwagen haben wollten: „Vielmehr muss man sie oft motivieren. Viele schrecken vor Rollatoren zurück, weil sie befürchten, damit als alt und gebrechlich abgestempelt zu werden.“
Für alte Menschen, die auf längere Sicht deutliche Gangunsicherheiten haben, bieten Rollatoren Siegert zufolge viele Vorteile. „Dadurch, dass sie die Gehfähigkeit erhalten, ermöglichen sie körperliches Training. Und davon profitieren sowohl der gesamte Bewegungsapparat als auch Kreislauf, Herz und Lunge.“ Zudem verringerten die Gehhilfen das Sturzrisiko und verschafften mehr Mobilität. „Wichtig ist aber, dass man das richtige Rollator-Modell wählt und dieses auch richtig benutzt“, erklärt Siegert.
Genau dies ist ein kritischer Punkt: Der Rollator werde oft völlig falsch verwendet, bemängelt Klaus-Michael Braumann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention. „Die meisten Leute gehen vornübergebeugt und schieben den Rollator vor sich her, anstatt aufrecht dicht an dem Gerät zu gehen. Das bedeutet eine starke Belastung für die Wirbelsäule, was längerfristig zu Schmerzen führt.“
Wichtig ist, den Rollator nah am Körper zu führen und nicht wie einen Einkaufswagen vor sich herzuschieben. „Der Körperschwerpunkt sollte sich senkrecht über dem Becken befinden“, sagt Braumann. Daher sollte das Gehen mit Rollatoren unter fachkundiger Anleitung geübt werden.
Auch andere Experten halten ein solches Training für wichtig. „Wenn der Arzt den Rollator verordnet, sollte er auch ein Rezept für eine Physio- oder Ergotherapie ausstellen, damit die Betroffenen eine fachgerechte und individuelle Einweisung erhalten“, heißt es dazu im ZQP-Ratgeber. Wer das Gerät in der Klinik bekommt, wird von den Therapeuten dort geschult. Dazu gehört unter anderem, dass der Rollator eingestellt, der Umgang damit geübt und das Gehen trainiert wird.
Aber wie findet man angesichts der großen Auswahl das passende Modell? „Grundsätzlich raten wir von Billig-Rollatoren aus dem Discounter oder gar aus dem Internet ab“, betont Dung. Stattdessen empfiehlt er, sich im Fachhandel beraten zu lassen. Es gilt nämlich, viele Faktoren zu berücksichtigen: Neben der Körpergröße und der Beweglichkeit des Patienten kommt es darauf an, wo und wie der Rollator eingesetzt werden soll.
Je nachdem, ob er für Straße oder Wohnung gedacht ist, empfehlen sich unterschiedliche Modelle. Siegert sagt: „Entscheidend ist, dass die Bremsen gut funktionieren und dass man mit ihnen auch umgehen kann.“ Sonst könnten Stürze die Folge sein.