Perm-Trias-Grenze vor 252 Millionen Jahren
Wie es zum größten Massenaussterben der Erdgeschichte kam
Beim größten Massenaussterben der Erdgeschichte vor 252 Millionen Jahren könnte das Klimaphänomen El Niño eine entscheidende Rolle gespielt haben. Neue Untersuchungen von Fossilfunden zeigen, dass es damals Jahrzehnte andauernde Mega-El Niños gab.
Von Markus Brauer
Vor 252 Millionen Jahren: Bei der Perm-Trias-Katastrophe starben innerhalb von 200 000 Jahren rund 90 Prozent aller Meeresbewohner und mehr als 60 Prozent der Landlebewesen aus.
Ursache für das größte Massensterben in der Erdgeschichte waren Vulkanausbrüche im heutigen Russland – und in der Folge gigantische Treibhausgas-Emissionen und umkippende Meere. Dabei wurde so viel Kohlendioxid freigesetzt, dass das globale Klima kollabierte. Ein gigantischer Flutbasalt - Trapp genannt - aus extrem dünnflüssiger basaltischer Lava überzog die Landschaft und gestaltete das heutige Sibirien.
Globale Folgen des Sibirischen Trapp
Dieses Sibirische-Trapp-Ereignis setzte rund 40 000 Gigatonnen Kohlenstoff frei. Die Folge war ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um fünf bis zehn Grad Celsius.
Dieser Klimaschock führte zum größten Artensterben der Erdgeschichte. Es dauerte mehrere Millionen Jahre, bis sich die Fauna und Flora an Land und in den Meeren von diesem Ereignis erholt hatte. Während dieser Regenerationsperiode war das Kohlenstoff-Klima-Regulierungssystem der Erde wahrscheinlich schwach und ineffizient, was zu einer langfristigen Klimaerwärmung führte.
Große Artenverluste schon vor dem Trapp-Zenit
Die Erde hätte damals fast ihre gesamte Lebenswelt verloren. Doch was bisher aber kaum bekannt war: Viele Tier- und Pflanzenarten starben schon Jahrtausende vor dem Zenit der vulkanbedingten Erwärmung und Ozeanversauerung aus.
„Es gibt eine klare Diskrepanz im Timing der marinen und terrestrischen Artenverluste mit den postulierten Aussterbe-Mechanismen“, erklären Yadong Sun von der chinesischen Universität für Geowissenschaften in Wuhan und seine Kollegen.
„Und keiner dieser Prozesse kann das Ausmaß, die räumliche Heterogenität oder die asynchrone Natur der Krise am Ende des Perm vollständig erklären.“ Ihre Studie ist jetzt im Fachmagazin „Science“ erschienen.
When rapid warming at the end of the Permian period sparked intense El Niño events, the resulting damage to global ecosystems may have fed into an ever-intensifying cycle of extreme climate events. https://t.co/fhMrvj22p5 — Science News (@ScienceNews) September 15, 2024
Auswirkungen von El Niño im Perm und heute
Wo ist das fehlende Puzzlestück zu finden? Sun und seine Kollegen wurden fündig bei einem Klimaphänomen, das bis heute für Wetterkapriolen sorgt: El Niño. Diese Wetteranomalieverursacht vor der Westküste von Südamerika, Südasien und Australien Extremwetter wie Hitze, Frost, Wirbelstürme und Starkregen.
Bei El Niño kommt es zu einem Auftreten außergewöhnlicher, nicht zyklischer, veränderter Meeresströmungen im sogenannten ozeanografisch-meteorologischen System (englisch: El Niño-Southern Oscillation/Enso) des äquatorialen Pazifiks.
Dieses treibt die Meerestemperaturen im tropischen Pazifik in die Höhe, verändert die großräumigen Luftströmungen und verursacht Dürren und Hitzewellen, Starkregen und Erdrutsche in den Regionen rund um den Pazifik. Ein starke El Niño heizt aber auch das Klima weltweit auf und verstärkt Wetterextreme, wie jüngst im Jahr 2023.
El Niño hat Einfluss auf das Wetter weltweit, weil er Hoch- und Tiefdrucksysteme, Winde und Niederschläge beeinflusst – auch in Deutschland. Aufgrund der größeren Energiemenge, die El Niño weltweit liefert, sind auch neue und extremere Hitzerekorde und möglicherweise besonders heftiger Starkregen von den Alpen bis zur Nordsee wahrscheinlich.
Wie die Klima-Kapriolen an der Perm-Trias-Grenze entstanden
„Steigende Treibhausgase erwärmen nicht nur den Planeten insgesamt, sie erhöhen auch die Schwankungen des Wetters und Klimas“, erläutert Koautor Alexander Farnsworth von der University of Bristol.
Auch El Niño kann dadurch häufiger, heftiger und länger anhaltender werden. Die Forscher haben daher die Bedingungen rund um den Superkontinent Pangäa vor, während und nach dem Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren in einem Modell rekonstruiert. Dieser letzte Superkontinent zerbrach vor rund 200 Millionen Jahren und teilte sich in die heutigen Kontinente Afrika, Asien, Amerika, Antartika, Australien und Europa.
Schon rund 40 000 Jahre vor dem Höhepunkt der Perm-Krise gab es signifikante Veränderungen der Meerestemperaturen. „Im Prinzip wurde es überall zu heiß“, erklärt Farnsworth. Gleichzeitig veränderten sich die großräumigen Luftströmungen und Wetterextreme nahmen auch an Land zu – wie bei einem Niño.
El Niño in Mega-Dimensionen
Doch es gab einen fundamentalen Unterschied:: „Heute dauern El-Niño-Ereignisse nur ein bis zwei Jahre. Aber am Ende des Perm hielten die El Niño mehr als eine Dekade an“, berichtet Farnsworth. „Dadurch kam es an Land zu einer jahrzehntelangen Dürre, gefolgt von sintflutartigen Regenfällen.“
Die lange Dauer der Klimaschwankungen führten dazu, dass die Temperaturen an Land und im Meer deutlich stärker anstiegen als bei heutigen El- Niño-Ereignissen, auch die Wetterextreme fielen durch die Mega-El-Niños extremer aus.
Für die Lebenswelt im späten Perm hatte dies katastrophalen Folgen: Die Kombination von Klimaerwärmung und Mega-El-Niño brachte die Vegetation auf dem Superkontinent Pangäa an ihre Belastungsgrenzen. „Die Arten waren einfach nicht dafür ausgerüstet, sich an diese extremen Veränderungen und Wechsel zu gewöhnen oder anzupassen“, berichtet Farnsworth.
Feuer, Dürren, Entwaldung
Durch die langen Dürreperioden trockneten die Wald- und Feuchtgebiete aus und riesige Waldbrände überzogen das Land. Zwar wuchs die Vegetation Pangäas in den nassen Perioden zwischen den Mega-El-Niños teilweise nach. Dabei verschob sich allerdings das Artenspektrum: Schnellwachsende Pflanzen, welche lange Dürren überleben konnten, dominierten gegenüber Bäumen und anderen langsam wachsende Pflanzen. „Dies führte letztlich zu einem Aussterben der Regenwaldpflanzen.“
Die Folge war eine großräumige Entwaldung. „Unsere Simulationen zeigen, dass die südliche Laubwald-Taiga als erste betroffen war“, schreiben die Forscher. Innerhalb von 25 000 lichtete sich der globale Baumbestand um fast die Hälfte. Der einst waldreiche Superkontinent Pangäa wurde zu einer kargen Steppe, was den meisten Landtieren die Nahrungsgrundlage raubte.
Überhitzung auch im Meer
„An Land trieben die Mega-El-Niños die Temperaturen so schnell in die Höhe, dass dies die thermischen Toleranzgrenzen der meisten Spezies zu rapide überschritt, sie konnten sich nicht rechtzeitig anpassen“, erläutert Sun. In den Ozeanen bremste die trägere Reaktion der Wassermassen die Entwicklung ab. Doch auch dort zeigten sich die Spuren der Klimafluktuationen, wie Fossilfunde belegen.
Zuerst fielen Plankton-Organismen den Mega-El-Niños zum Opfer. Danach starben Korallenriffe und andere riffbauende Organismen ab. Schließlich verschwanden rund 80 Prozent aller Meeresorganismen.
Planet im Krisenmodus
„Die Erde war im Krisenmodus: Das Land brannte und die Ozeane stagnierten“, fasst Koautor David Bond von der University of Hull den Zustand am Ende des Perm-Zeitalters zusammen. Für die meisten Organismen bedeutete dies das Ende, doch nicht für alle. „Es war fast das Ende des irdischen Lebens, aber nicht ganz“, unterstreicht Sun.
Das Leben auf der Erde überstand auch dieses größte Massensterben seiner Geschichte. Die Evolution brachte auf wunderbare Weise neue, fortgeschrittenere Lebewesen hervor.