Positive Bilanz des Partnerstädtefestivals in Backnang
Mitten in Europa (7) Das erste Partnerstädtefestival mit Straßenkunst aus Backnang und den Partnerstädten bot Gelegenheit, sich über die Kultur zu begegnen. Die Menschen nutzten sie rege und erlebten Lustiges, Ernstes, Intensives.
Von Nicola Scharpf
Backnang. Es war viel – viel Programm, vielseitig, vielschichtig. Das erste Partnerstädtefestival „Mitten in Europa“ brachte am Wochenende einfach viel Leben nach Backnang. Die Innenstadt wurde zur Bühne für Straßenkunst aus Backnang und Chelmsford, aus Bácsalmás und Annonay. Und aus Barge: Wenn Freunde feiern, sind schließlich auch die Freunde von Freunden willkommen, also war die italienische Partnerstadt von Annonay, Barge im Piemont, ebenso mit dabei bei diesem Festival für die Freundschaft „Mitten in Europa“. Der „paneuropäische Geist“, so Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, seine Anwesenheit war an vielen Orten zu spüren.
Ausgesprochene Freundschaft Bei der Eröffnung des Festivals am Samstagvormittag auf dem Marktplatz verleiht nicht nur OB Friedrich der Freundschaft Worte. Auch die beiden Festivalinitiatorinnen und -organisatorinnen Juliane Putzmann und Jasmin Meindl vom Bandhaus-Theater richten sich an die anwesenden Gleichgesinnten, „sich über die Kultur zu treffen“, so Meindl. 70 Jahre Frieden in Europa, das sei historisch eine Ausnahme. „Zurzeit haben wir es alle nicht so leicht“, wendet sie sich an die Gäste. Umso wichtiger sei es, das zu betonen, was gut funktioniere. Und OB Friedrich schickt ein „dreifaches Hoch auf unser Europa in Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit“ hinterher. Beim Festival der Straßenkunst gehe es eben gerade nicht um überhitzte politische Debatten, sondern darum, den europäischen Gedanken fortzusetzen. In diesem Sinne präsentieren die Gruppen Gentleman of Io aus England, Mare Tera aus Italien und die Ungarndeutsche Heimatblaskapelle aus Backnang sich und ihre Musik als Appetitmacher auf das, was die Gäste erwartet.
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Straßenkunst mitten in Backnang
Das erste Partnerstädtefestival "Mitten in Europa" mit Straßenkunst aus Annonay, Bácsalmás, Chelmsford und Backnang erwies sich als Publikumsmagnet - und als vielseitig, entspannt und intensiv.
Erlebte Freundschaft Los gehts am Obstmarkt mit SiSiNonNon aus Annonay – ein Quintett aus energiegeladenen, akrobatischen Clowns, die vor der Kulisse eines rosafarbenen Wohnwagens völlig durchgeknallte Szenen spielen. Darin treffen sich fünf Charaktere, die sich nicht gekannt haben, aber sich und dadurch auch die anderen kennenlernen. So beschreibt Palmira Picón, Direktorin des nationalen Zentrums für Straßenkunst und öffentlichen Raum in Annonay, das Stück „Hier ist das Gras mehr rosa...“. Sobald die Hähnin auf dem Wohnwagendach kräht, anschließend mit dem Becher nach dem Teebeutel fischt, der an der Angel hängt, und das Zielwasser aus der Teekanne einfängt, springt der Funke zum Publikum über. Eine Stunde lang ist herzhaftes Amüsement angesagt. Wie viele Hühnereier passen denn in einen Mund? Für die Antwort auf diesen übermütigen Versuch braucht es keine Worte. Für Zicken und Zacken, Witz und Verrücktheiten sind Gestik und Mimik ohnehin die geeigneten Mittel. „Wie fantastisch, wie großartig war das denn?“, ruft Jasmin Meindl am Schluss sichtlich begeistert in die Zuschauerreihen. „Danke, dass Sie alle gekommen sind. Das ist auch eine Art von Gastfreundschaft.“ Der Auftritt von SiSiNonNon steht stellvertretend dafür, dass es für freundschaftliche Begegnung nicht vieler Worte bedarf. Weitere Stellvertreter: Der italienische Männerchor Mare Tera sitzt bei Bier und Wein zur Mittagszeit im Biergarten am Gänsebrunnen, stimmt traditionelle Lieder aus den Tälern der westlichen Alpen an und ist umringt von Zuhörern; auf den Stufen am Fuß des Stadtturms finden mit Dani Suara, Breichle, Benny Redick und der Dance Intense Factory Rap und Soul, Musik und Hip-Hop und Tanz für jedermann genre- und generationenübergreifend zusammen. Weil der szenische Audiospaziergang „Schweres Gepäck“ am Samstagnachmittag so überbucht ist, wird er kurzerhand spontan ein weiteres Mal angeboten, um dem hohen Bedarf gerecht zu werden
Freundschaft aus der Dose Zwar abseits der Innenstadtschauplätze, aber doch zur Zufriedenheit der Akteure von Festivalbesuchern stark frequentiert, setzt sich die Straßenkunst auch im Murrpott ganz am Ende der Fabrikstraße und an der alten Turmstation der Stadtwerke an der Aspacher Straße fort. Dort werden mit Farbsprühdosen bleibende bildliche und gegenständliche Erinnerungen an das kulturelle Happening geschaffen. Sind am Turm Profis aus Chelmsford am Werk, unter anderem den Backnanger Gänsekrieg als Graffiti neu zu interpretieren, üben beim Workshop im Murrpott zwölf motivierte künstlerische Anfänger unter der Anleitung von Thomas Idler und Joschka Zettler von der Backnanger Agentur Adkru, ihre Ideen mit Spraydosen, Pinseln und Acrylfarben auf Ölfässern umzusetzen. „Es sieht erst einfach aus, wenn man es kann“, stellt Zettler fest. Aber die Teilnehmer geben sich gegenseitig Tipps, Hilfestellung und Beratung. „Die Gruppe versteht sich gut“, freuen sich die Workshopleiter. „Die Kunst bringt eben zusammen.“
Freundschaft in Fortsetzungen Das Städtepartnerfestival ist zu Ende, viele Gäste sind wieder abgereist. Zurück bleibt mehr als der neue, bunte Graffititurm am Stadtrand. Jasmin Meindl und Juliane Putzmann sagen: Es wurden Ideen geboren. Zum Beispiel fragten die Kulturverantwortlichen aus Frankreich bei den Ungarn an, ob es nicht auch eine französische Version von „Schweres Gepäck“ geben könnte. Direktorin Picón zeigte sich sehr interessiert daran, dass das Backnanger Fernweh-Ensemble mal in Annonay gastiert. Und wenn dieses neue Städtepartnerfestival künftig Jahr für Jahr von Partnerstadt zu Partnerstadt rotieren könnte, das wäre „cool“, so Putzmann. Die beiden Damen vom Bandhaus-Theater loben die Kulturverantwortlichen in den Partnerstädten dafür, dass sie professionelle Gruppen und Künstler für das Festival ausgewählt hatten, die für Backnang stimmig waren. Sie loben das ehrenamtliche, unermüdliche Helferteam, das sich so verantwortlich fühlte. Sie empfanden die Künstler als sehr wertschätzend und das Festival aufgrund seiner Kleinheit als intensiv. Meindl: „Man spürt den guten Geist. Der strahlt so aus.“