Schwere Infektion in Berlin
Wie gefährlich ist Diphterie für Kinder im Land?
In Berlin muss Berichten zufolge eine Zehnjähriger nach einer Diphterie-Infektion beatmet werden. Wie gefährlich ist die Krankheit und welche Rolle spielt sie in Baden-Württemberg?
Von Werner Ludwig
Ein Schulkind in Berlin ist schwer an Diptherie erkrankt und muss invasiv beatmet werden. Laut einem Bericht der „Märkischen Allgemeinen“ handelt es sich um einen zehn Jahre alten Schüler einer Waldorfschule, der nicht gegen die hoch ansteckende Krankheit geimpft sein soll. Das zuständige Gesundheitsamt hat Kontaktpersonen des Jungen im privaten und schulischen Umfeld auf den Erreger getestet und Antibiotikabehandlungen veranlasst.
Diphterie ist eine hoch ansteckende Infektionskrankheit. Besonders gefährlich ist die Rachendiphterie, die durch das Bakterium Corynebacterium diphtheriae hervorgerufen wird. Daneben gibt es die Hautdiphterie, die von zwei anderen Corynebacterium-Arten verursacht wird und zu entzündlichen Wunden führt. Zu den Symptomen einer Rachendiphterie zählen nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) Halsschmerzen, Fieber, pfeifende Geräusche beim Einatmen oder Schwellungen der Halslymphknoten. Auch Mandelentzündungen können auftreten. Das von den Bakterien produzierte Toxin kann auch andere Organe schädigen und etwa zu Herzmuskelentzündungen führen. In schweren Fällen kann die Erkrankung tödlich enden. Übertragen wird der Erreger durch Tröpfcheninfektionen.
„Würgeengel der Kinder“
Diphterie wurde lange Zeit auch als „Würgeengel der Kinder“ bezeichnet. Aufzeichnungen zufolge starben in Deutschland im Jahr 1892 mehr als 50 000 meist junge Menschen daran. 1913 wurde die Impfung eingeführt, die Infektionen gingen zurück. Für 2024 verzeichnet das RKI bisher 37 bestätigte Fälle, davon zwei in Berlin. Seit 2001 liegen die Fallzahlen für Deutschland jährlich im ein- oder zweistelligen Bereich. Lediglich 2022 und 2023 wurden mehr als 100 Fälle registriert. Diphterie ist meldepflichtig.
In Baden-Württemberg wurden nach Angaben des Sozialministeriums in diesem Jahr bislang sechs Diphteriefälle an das Landesgesundheitsamt gemeldet. Alle Betroffenen seien über 18 Jahre alt gewesen. In den vergangenen beiden Jahren habe es auch im Südwesten einen zeitweisen Anstieg auf 79 Fälle im Jahr 2022 und 46 Fälle im Jahr 2023 gegeben. Dabei habe es sich meist um die weniger gefährliche Hautdiphterie gehandelt. Betroffen gewesen seien vor allem Asylsuchende. „Im Vergleich zu den Jahren 2022 und 2023 stellen die bislang in diesem Jahr gemeldeten sechs Diphtheriefälle keinen signifikanten Anstieg dar“, teilt das Ministerium mit. Im langfristigen Verglich seien „geringfügig mehr Fälle zu beobachten.“
Diphterie-Impfungen bieten keinen vollständigen Schutz vor Infektionen oder der Weitergabe der Erreger. Sie können aber schwere Erkrankungen verhindern, weil sie das gefährliche Toxin der Bakterien unschädlich machen.
Impfschutz alle zehn Jahre auffrischen
Die Grundimmunisierung soll nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Stiko bereits im frühen Kindesalter erfolgen. Nach der ersten Impfung im Alter von zwei Monaten folgen zwei weitere im Alter von vier und elf Monaten. In der Regel wird dabei ein Sechsfachimpfstoff eingesetzt, der auch vor Tetanus, Keuchhusten (Pertussis), Kinderlähmung (Polio), Hepatitis B und gegen eine Infektion mit dem Bakterium Haemophilus influenzae Typ b schützt. Erste Auffrischungsimpfungen gegen Diphterie werden im Alter von fünf bis sechs Jahren sowie neun bis 17 Jahren empfohlen. Im Erwachsenenalter sollten laut Stiko im Abstand von zehn Jahren weitere Auffrischungsimpfungen folgen.
Impfquoten im Vergleich
Baden-WürttembergDaten der Einschulungsuntersuchungen aus dem Untersuchungsjahr 2022/2023 zeigen nach Angaben des Sozialministeriums, dass in Baden-Württemberg 87,8 Prozent der untersuchten Kinder grundimmunisiert gegen Diphtherie waren.
Deutschland Im Bundesdurchschnitt liegt die durchschnittliche Quote laut der Nationalen Lenkungsgruppe Impfungen mit gut 92 Prozent (2020) etwas höher als im Südwesten. In der Altersgruppe bis 24 Monate weist das RKI für Baden-Württemberg und Sachsen die niedrigsten und für Niedersachsen und Schleswig-Holstein die höchsten Impfquoten aus.