Echter Horror zu Halloween
Wie Pilze Lebewesen in Zombies verwandeln
In der dystopischen US-Horror-Serie „The Last of Us“ verwandeln Pilze Menschen in willenlose Zombies. In der Realität ist ein solches Phänomen etwa bei Ameisen und Fliegen bekannt, die von parasitären Pilzen befallen werden. Müssen sich auch Menschen Sorgen vor derartigen Mutationen machen?
Von Markus Brauer
Im Jahr 1986 verfilmte der Horror-Body-Spezialist David Cronenberg „The Fly“ („Die Fliege“) neu. Das Original aus dem Jahr 1958, basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von George Langelaan, die 1957 im Magazin „Playboy“ erschien, erzählt die Geschichte des Wissenschaftlers André Delambre.
„The Fly“: Von der Fliege zum Monster
Delambre forscht an einem Teleportationsgerät. In einem Selbstversuch übersieht er eine Fliege im Gerät. Mit der Folge, dass die technische Anlage die beiden Spezies kreuzt. Delambre hat nun einen gigantischen Fliegenkopf und einen Fliegenarm, während die Fliege mit einem menschlichen Kopf davonfliegt.
In Cronenbergs Remake dieses Horror-Filmklassikers (mit Jeff Goldblum in der Hauptrolle als Wissenschaftler Seth Brundle) sorgt vor allem das perfekt animierte Fliegenmonster bei den Zuschauern für wohliges Gruseln.
„Last of us“: Dystopische Zombie-Pilz-Apokalypse
Ähnlich ekelig-grausig ist die Story über das dystopische, von einer verheerenden Pilz-Epidemie heimgesuchte Amerika der nahen Zukunft. In „The Last of Us“ greift ein Pilz die Gehirne an und macht Menschen zu willenlosen, fremdbestimmten Mutanten. Große Teile der amerikanischen Bevölkerung sind durch den Killer-Pilz in zombieartige Infizierte verwandelt worden.
Die postapokalyptische TV-Serie basiert auf dem gleichnamigen Videospiel. Am 15. Januar 2023 ging "The Last of Us" an den Start und brach gleich reihenweise Rekorde. Seit dem 12. März 2023 ist die erste Staffel vollständig veröffentlicht.
Die sechs Folgen der ersten Staffel sind die erfolgreichste HBO-Serie seit „Game of Thrones“. Inzwischen hat HBO die Fortsetzung mit einer weiteren Staffel angekündigt. Der Sender hat angekündigt, dass die Ausstrahlung der zweiten Staffel vermutlich im Laufe des kommenden Jahres erfolgen soll.
Ophiocordyceps unilateralis: Ein Pilz macht Ameisen zu Zombies
Fliegen-Mutanten, Zombie-Pilze, „Walking-Dead“-Apokalypsen: Zum Glück ist das alles nur pseudowissenschaftliche Fiktion, pure Fantasie. Oder doch nicht?
In der realen Welt können tatsächlich manche Pilze beispielsweise Ameisen in ferngesteuerte Monster verwandeln. So hatten Forscher im Jahr 2011 im brasilianischen Regenwald vier bis dahin unbekannte Arten dieser Zombie-Pilzarten entdeckt.
Die Pilze manipulieren das Verhalten von Rossameisen und töten die Insekten dort, wo sie ideale Bedingungen für ihre Sporen vorfinden. Die Pilze, die im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais gefunden wurden, hat ein Team um David Hughes von der Pennsylvania State University in Philadelphia im Fachjournal „PLoS ONE“ detailliert beschrieben.
Zombie ants have it worse than we thought. Ophiocordyceps unilateralis is a fungus. Its spores attach to a carpenter ant, chemically eat through it exoskeleton, take over its body, & make it walk to place with perfect humidity and temperture for fungal growth. It then makes... pic.twitter.com/OK26QsvOvz — Kierán Suckling (@KieranSuckling) November 14, 2017
Zombie-Pilz auf Ameisenart spezialisiert
Den Wissenschaftlern zufolge gehören die Entdeckungen zum Komplex Ophiocordyceps unilateralis. Einer Pilzart, die speziell Ameisen befällt und zum Tode der Insekten führt – meist in entstellter Position. Die toten Tiere kauern verkrümmt auf einem Blatt und beißen dabei in eine Blattader hinein.
Das Besondere der vier neuen Arten sei, dass jede auf eine eigene Rossameisen-Art spezialisiert ist, schreiben die Forscher. Dies sei exemplarisch für die Artenvielfalt dieser Region. Außerdem würden die Pilze verschiedene Sporen besitzen, um ihre Opfer mit Sicherheit zu infizieren.
Gehirn der Insekten wird umprogrammiert
Frühere Studien hatten bereits gezeigt, wie und warum Ophiocordyceps unilateralis gezielt Ameisen attackiert. Seine Sporen setzen sich auf dem Exoskelett der Tiere ab. Anschließend wächst dem Insekt ein Pilzfaden in den Kopf und programmiert es um. Von ihrem Nest in den Baumwipfeln wandeln die Ameisen dann willenlos und stürzen irgendwann in die Tiefe.
Über dem Boden herrschen eine hohe Luftfeuchtigkeit und fast gleichbleibende Temperaturen – ideale Lebensbedingungen für den Pilz. Dieser bildet am Ende seines Wachstums einen Fruchtkörper mit Sporen, die wieder neue Ameisen befallen können.
Parasitologie: Nichts für schwache Nerven
Ophiocordyceps unilateralis ist keine Ausnahme im wunderbaren Reich der Natur. Im Laufe der Evolution haben zahlreiche Organismen besonders raffinierte Verbreitungsstrategien entwickelt: Sie wurden zu Neuroparasiten. Diese entwickeln sich in einem Tier und beeinflussen dabei sein Verhalten zu ihrem eigenen Vorteil, was in der Regel zum Tod des Wirtes führt.
Parasiten gibt es nicht nur im Pflanzen- und Tierreich. In der Humanmedizin beschäftigt sich die Parasitologie mit der Prophylaxe (vorbeugenden Maßnahmen), Diagnostik (Bestimmung körperlicher oder psychischen Krankheiten) sowie Therapie (Behandlung von Behinderungen, Krankheiten und Verletzungen) parasitärer Erkrankungen. Stoff für die schlimmsten Albträume, wie die Fotos im nachfolgenden Artikel eindrucksvoll beweisen.
Zombie-Pilz auf frischer Tat ertappt
Ein anderes Beispiel für einen Neuroparasiten zeigt ein in einem Nationalpark in Peru aufgenommenes, preisgekröntes Foto. Zu sehen ist eine Fliege, aus deren Körper ein parasitärer Pilz wächst. Erstellt hat diese Makroaufnahme der Biologe Roberto García-Roa von der Universität Valencia in Spanien. Er hat damit im Jahr 2022 den ersten Preis im Fotowettbewerb des Fachjournals „BMC Ecology and Evolution“ gewonnen.
„Das faszinierende Bild illustriert die Gleichzeitigkeit von Leben und Tod: Der Tod der Fliege gibt dem Pilz neues Leben“, sagte damals Christy Anna Hipsley vom Redaktionsteam des Journals.
Zombie fly and fountains of lava — August’s best science images #photography via #naturehttps://t.co/L4TcVOC6hzpic.twitter.com/4ZZeC8tvFl — Jeff Thompson (@jeffjthompson) September 7, 2022
Zombie-Pilz infiltriert Geist von Fliegen
„Meine Aufnahme zeigt einen Wettkampf, der von tausenden Jahren der Evolution geprägt wurde“, erklärt García-Roa. „Die Sporen des sogenannte Zombie-Pilzes haben das Exoskelett und dann den Geist der Fliege infiltriert und brachten sie dazu, einen Ort aufzusuchen, der für das Wachstum des Pilzes optimal ist. Dann brechen die Fruchtkörper des Pilzes aus dem Körper der Fliege heraus und können mit ihren Sporen weitere Opfer infizieren.“
Sind Zombie-Pilze auch für Menschen gefährlich?
Prinzipiell können Neuroparasiten wie Ophiocordyceps unilateralis auch Menschen befallen. Nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand gilt das aber als äußerst unwahrscheinlich. Denn der Pilz hat mehrere Millionen Jahre der Evolution gebraucht, allein um eine einzige Ameisenart zu infizieren und sich auf diese zu spezialisieren.
Derzeit sind rund 35 Ophiocordyceps-Pilzarten bekannt, die alle verschiedene Insekten quasi in Zombies verwandeln. Forscher gehen indes davon aus, dass es weit mehr als 600 Mutationen gibt.
Der Erfinder des „The Last of Us“-Videospiels, der israelisch-amerikanische Schriftsteller, Creative Director und Computerspiel-Entwickler Neil Druckmann, war nach eigenen Angaben übrigens so fasziniert von einem Video in "National Geographic", das die Infektion einer Ameise durch Ophiocordyceps unilateralis zeigt, dass er auf die Idee der Zombie-Pilz-Apokalypse als Videospiel und später als TV-Serie kam. Genau das Richtige, um sich an Halloween so richtig zu gruseln.