Umfrage am Werkstor
Wie Mercedes-Mitarbeiter auf Sparpaket und Prämie blicken
Beschäftigungssicherung gegen Gehaltsverzicht: Vorstand und Betriebsrat von Mercedes-Benz haben sich auf ein Sparpaket geeinigt. Wie nehmen die Mitarbeiter die Entscheidungen auf? Ein Stimmungsbild am Werkstor in Mettingen.

© Rouven Spindler
Frank Meisel, Mitarbeiter im Qualitätsmanagement von Mercedes-Benz, vor dem Werkstor in Mettingen
Von Rouven Spindler
Schichtwechsel im Werkteil Mettingen von Mercedes-Benz. Zahlreiche Mitarbeiter des Stuttgarter Autobauers zieht es am Nachmittag in Richtung S-Bahn und Parkplatz. Hinter ihnen liegt ein Arbeitstag, an dem sich der Konzernchef Ola Källenius und der Gesamtbetriebsratschef Ergun Lümali in einer internen Videobotschaft geäußert haben.
Gemeinsam verkündeten sie ein Sparprogramm, mit dem Mercedes seine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen will. Es sieht unter anderem vor, dass die Tariferhöhung in diesem Jahr nur zur Hälfte weitergegeben wird. Im Gegenzug verlängert das Unternehmen den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für die 91 000 Tarifbeschäftigten in Deutschland um fünf Jahre bis Ende 2034 – und zahlt eine Prämie in Höhe von 5220 Euro. Wie denkt die Belegschaft über die Maßnahmen?
Verständnis für das Sparprogramm bei Mercedes
Ein Einblick in die Stimmungslage ist im Esslinger Stadtteil Mettingen möglich. Frank Meisels Gesamteindruck ist mit Blick auf die Sicherung der Arbeitsplätze „sehr gut“. Auch die Stimmung unter den Kollegen habe er als „ziemlich okay“ wahrgenommen – nicht ohne Grund, findet der 55-Jährige aus dem Qualitätsmanagement. Schließlich wäre es „schlimmer, wenn wir erfahren würden: 5000 Leute müssen weg“.
Dass die Tariferhöhung nun nur zur Hälfte weitergegeben wird, hält er für angemessen. Einschnitte müsse man „hinnehmen, damit die Gesamtheit weiterhin gut fährt“. Daher wäre für ihn auch eine niedrigere Prämie verständlich gewesen. Doch das Geld entspreche „in vollem Umfang unserer seit letztem Jahr angewandten Berechnungslogik“, sagte der Gesamtbetriebsratschef in der Videobotschaft. Frank Meisel meint: „Die Zuversicht ist da, dass es auf jeden Fall wieder aufwärts geht.“ Er verspreche sich viel von neuen Modellen des Stuttgarter Autoherstellers.
Der Betriebsratschef erhält Lob. „Was Ergun Lümali ausgesprochen hat, finde ich klasse“, bezieht sich ein 29-Jähriger aus dem Logistikbereich, der nicht namentlich genannt werden möchte, auf die verlängerte Jobvereinbarung und die doppelte Freiwilligkeit des Abfindungsprogramms. Auch er findet Abstriche bei der Vergütung für mehr Zukunftssicherheit positiv und zeigt sich daher „zu 95 Prozent“ mit der Lage zufrieden.
Auch Collin Forster äußert sich wohlwollend zur Gesamtsituation. Er ist froh über die Jahresprämie von 5220 Euro. Viele aus seinem Logistikbereich hätten erwartet, dass sie dieses Jahr noch niedriger ausfällt.
Leon Hoffmann verlässt das Werk ebenfalls positiv gestimmt. „Das Sparprogramm muss sein“, findet der 24-Jährige, der in der Gießerei tätig ist. Bei Mercedes soll auch das Management sparen. Es muss in diesem Jahr eine Nullrunde bei der Grundvergütung hinnehmen. Dass das Maßnahmenpaket auch die Führungskräfte und nicht nur die „kleinen Mitarbeiter“ betrifft, hält er für gut.
Es gibt auch Kritik an den Beschlüssen
Kritik äußert ein Mitarbeiter aus der Fertigung, der nicht mit Namen erwähnt werden möchte. Auch von vielen Kollegen habe er Misstöne vernommen. Er findet das Sparprogramm nicht fair, was auch mit seinen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarung zur Jobgarantie zu tun hat. Diese ist mit einer so genannten „Wind-und-Wetterklausel“ versehen, die bei einer unerwartet schlechten Entwicklung die Tarifparteien zu neuen Verhandlungen verpflichtet. Der Mitarbeiter befürchtet, dass „der Arbeitgeber 2030 auf uns zukommen und sagen kann: Wirtschaftlich geht es bergab, leider müssen wir Leute entlassen“.