Gefahr von Zoonosen

Wie Pelztierfarmen zur Gefahr für die Menschheit werden

Kommt der nächste Pandemie-Erreger von einer Rinderfarm in den USA? Oder einem Geflügelbetrieb in Kambodscha? Experten betrachten eine andere Brutstätte für Erreger verstärkt mit Sorge: wenig überwachte Pelztierfarmen.

Gefährliche Tierquälerei: Eine Grauer Fuchs hockt in seinem engen Käfig in einer Pelzfarm

© Imago/Blickwinkel

Gefährliche Tierquälerei: Eine Grauer Fuchs hockt in seinem engen Käfig in einer Pelzfarm

Von Markus Brauer/AFP/dpa

China gehört zu den größten Pelzproduzenten weltweit. Eine neue Studie zeigt, dass die in Farmen gehaltenen Marderhunde, Nerze und Nagetiere potenziell zoonotische Viren tragen – also solche Erreger, die vom Tier auf den Menschen überspringen könnten. Die Pelztierfarmen seien eine bisher zu wenig beachtete mögliche Quelle für neu auftretende Krankheitserreger beim Menschen, heißt es im Fachjournal „Nature“.

Viruses that could infect people are rampant in farms breeding mink, raccoons and foxes for their fur. https://t.co/CZVQ6NR2Ub — nature (@Nature) September 9, 2024

Brutstätte für Krankheitserreger

Pelztierfarmen bergen nach Ansicht von Shuo Su und seinem Forscherteam von der Fudan-Universität in Shanghai erhebliches Potenzial, zur Brutstätte für Krankheitserreger zu werden, die womöglich auch auf den Menschen überspringen.

Bei einer Untersuchung von Tieren aus Pelzfarmen in China wurden 125 Virusarten entdeckt. Darunter befanden sich demnach 36 neue Arten und 39 Virusstämme, bei denen ein potenziell „hohes Risiko“ einer artübergreifenden Übertragung besteht.

 

 

Für die Untersuchung wertete das von chinesischen Wissenschaftlern geleitete Forscherteam Genmaterial aus Lungen- und Darmproben von 461 Tieren wie Nerzen, Kaninchen, Füchsen und Marderhunden aus, die zwischen 2021 und 2024 in China an Krankheiten starben. Die meisten der Tiere stammten von Pelzfarmen, einige wurden allerdings auch zur Fleischgewinnung oder für die traditionelle Medizin gehalten, während es sich bei etwa 50 um Wildtiere handelte.

Sieben Varianten von Coronaviren

Gefunden wurden bei Meerschweinchen auch Erreger wie das Japanische Enzephalitis-Virus und Säugetier-Orthoreoviren, die auch Menschen infizieren können. Eine Japanische Enzephalitis kann dauerhafte psychiatrisch-neurologische Schädigungen wie schwere motorische, kognitive und sprachliche Defizite oder wiederkehrende Krampfanfälle zur Folge haben. Ein Teil der Erkrankten stirbt. Säugetier-Orthoreoviren infizieren die Atemwege und den Magen-Darm-Trakt.

Von den 39 bei der Untersuchung entdeckten Virusarten mit potenziell „hohem Risiko“ einer artübergreifenden Übertragung seien allerdings 13 neu, heißt es in der Studie.

 

 

Bei Meerschweinchen, Nerzen und Bisamratten wurden zudem mehrere Arten der Vogelgrippe nachgewiesen. Außerdem wurden sieben Arten von Coronaviren entdeckt. Allerdings war keines dieser Viren eng mit SARS-CoV-2 verwandt, das Ende 2019 erstmals in China in Erscheinung getreten war und die weltweite Corona-Pandemie ausgelöst hatte.

Neue Pandemie im Anmarsch?

Die Haltung von Pelztieren könne die öffentliche Gesundheit bedrohen, schreibt das Team um Shuo Su. Die Nähe von Farmtieren, Wildtieren und Menschen biete ideale Bedingungen für die Übertragung von Viren. Angesichts ihrer Funde fordern die Wissenschaftler eine verstärkte Überwachung und Regulation der Pelztierhaltung.

Virologe Edward Holmes von der Universität Sydney, der in der Vergangenheit unter anderem zu Covid-19 forschte, sieht die Ergebnisse der Studie mit Sorge: Die globale Pelztierindustrie sei „eine der wahrscheinlichsten Möglichkeiten für den Ausbruch einer neuen Pandemie“.

 

 

Unbekannte Virusarten unter wild lebenden Säugetieren

Die größte Sorge bereitet Holmes das Zwergfledermaus-Coronavirus HKU5, das bei der Untersuchung in zwei gezüchteten Nerzen entdeckt wurde und mit dem Coronavirus des Middle East Respiratory Syndrome (MERS) verwandt ist, welches für Menschen tödlich sein kann. „Dass wir jetzt sehen, dass es von Fledermäusen auf gezüchtete Nerze übergesprungen ist, muss die Alarmglocken schrillen lassen“, erklärt Holmes. „Dieses Virus muss überwacht werden.“

Es wird angenommen, dass Tausende noch unbekannte Virusarten unter wild lebenden Säugetieren zirkulieren. Wissenschaftler befürchten, dass Pelzfarmen dazu führen könnten, dass sich Nutztiere mit solchen Viren infizieren, wodurch wiederum Menschen damit in Kontakt geraten.

Stärkere Überwachung gefordert

Der Weg über die Pelzindustrie gehört zu den verschiedenen Hypothesen zur Herkunft des Coronavirus Sars-CoV-2. Der Berliner Virologe Christian Drosten sieht diesen Weg als plausibelste Quelle an, unter anderem, weil der Ursprung der ersten Sars-Epidemie in den Jahren 2002/03 bei Marderhunden und Schleichkatzen als Übergangswirten lag.

Mit Blick auf Influenzaviren sagt der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Martin Beer, dass Pelztierfarmen ein Faktor seien, „der lange viel zu wenig im Blick war“. Analysen aus China zufolge kursierten bei Tieren dort alle möglichen Influenzaviren, was zu einem potenziell gefährlichen Gemisch führen könne.

Info: Zoonosen

Verursacher Zoonosen (altgriechisch: „zōon“/Tier und „nósos“/Krankheit) sind von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten, die bei Wirbeltieren natürlicherweise vorkommen. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO können die Infektionen durch Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen und andere Parasiten (vor allem Würmer) verursacht werden.

Typen Unterschieden wird in Zooanthroponosen (Wirbeltierkrankheiten, die auf den Menschen übertragen werden) und Anthropozoonosen (Humanerkrankungen, die auf ein Wirbeltier übertragen werden). Weltweit sind bis heute etwa 200 Zoonosen bekannt. Sie reichen von Tollwut und Tuberkulose bis hin zu Sars, Schweinepest und Borreliose.

Erreger Beispiele für virale Zoonosen sind: Noroviren, Tollwut, Vogelgrippe, SARS, Schweinegrippe, Ebolafieber, Herpes B. Beispiele für bakterielle Zoonosen sind: Borreliose, Milzbrand, Pest, Salmonellose, Tuberkulose.

Toxoplasma gondii In Deutschland ist im Zusammenhang mit Heimtieren der Erreger Toxoplasma gondii wohl am gefährlichsten. Bei Menschen, deren Immunsystem supprimiert ist, kann eine solche Infektion unter Umständen sehr schwer verlaufen. Die Katze ist der Wirt dieses Parasiten. Menschen können sich direkt bei den Katzen anstecken oder wenn sie mit dem Erreger kontaminiertes Fleisch essen. Problematisch ist eine Neuerkrankung mit Toxoplasma gondii während der Schwangerschaft. Nach einer RKI-Studie machen jährlich etwas mehr als 4000 schwangere Frauen eine Toxoplasmose durch, über 300 Neugeborene kommen mit klinischen Symptomen der Krankheit zur Welt.

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Erstellt:
10. September 2024, 13:12 Uhr
Aktualisiert:
10. September 2024, 13:37 Uhr

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