Schutz der Erde
Wie Röntgenstrahlen Asteroiden umlenken sollen
Der Einschlag eines Asteroiden könnte der Erde verheerende Zerstörung bringen. Zum Schutz vor den Gesteinsbrocken aus dem All testen Wissenschaftler im Labor, wie Röntgenstrahlung die Bahn gefährlicher Asteroiden verändern kann. Eine potenzielle Rettung für die Erde vor kosmischen Kollisionen?
Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer
Asteroiden aus dem Weltall ist die Menschheit nicht mehr ganz so hilflos ausgeliefert wie noch vor Jahrzehnten. Was in Hollywood-Blockbustern wie „Armageddon“ actiongeladene Science Fiction war, könnte zur realistischen Möglichkeit werden. Die nach einer griechischen Göttin benannte Mission „Hera“ der europäischen Raumfahrtagentur Esa soll dazu beitragen. Starten soll sie in diesem Oktober.
„Hera“ folgt auf „Dart“
„Hera“ soll prüfen, was der Einschlag der Sonde „Dart“ der US-Raumfahrtagentur Nasa auf Dimorphos, dem kleineren Teil eines Doppel-Asteroiden, angerichtet hat. Wie schaut der knapp 160 Meter lange Brocken jetzt aus? Hat er einen Krater, wurde er verformt? Wie schwer ist er?
„Diese Fragen wird ‚Hera‘ beantworten“, sagt der Asteroidenexperte Detlef Koschny, Professor für Lunare und Planetare Exploration an der Technischen Universität München. Die Mission sei damit ein wichtiger Beitrag zum Thema Planetenverteidigung.
Mit 23 000 km/h in den Asteroiden gekracht
„Dart“ (Double Asteroid Redirection Test) war im November 2021 gestartet und im September 2022 mit einer Geschwindigkeit von gut 6,6 Kilometern pro Sekunde - umgerechnet mehr als 23 000 Kilometern pro Stunde - in den Asteroiden gekracht.
Der Einschlag veränderte messbar die Umlaufbahn von Dimorphos, eine Art Mond des größeren Asteroiden Didymos. „Damit wurde gezeigt, dass wir die Bahn eines eventuell auf Kollisionskurs befindlichen Asteroiden verändern können“, erläutert Koschny.
„Wir brechen jetzt in eine neue Ära der Menschheit auf, in der wir die Möglichkeit haben könnten, uns gegen den Einschlag eines Asteroiden zu schützen“, hieß es nach dem Einschlag von der Nasa.
Start von „Hera“ im Oktober geplant
Wie verheerend größere Asteroiden sein können, haben Einschläge schon mehrfach in der Geschichte unseres Planeten gezeigt. So gilt ein Treffer vor rund 65 Millionen Jahren als hauptverantwortlich für das Aussterben der Dinosaurier.
Gegen solche Gefahren wollen Nasa und Esa künftig besser gewappnet sein. „Hera“ soll, frühestens am 7. Oktober, vom Kennedy Space Centre in Florida an Bord einer Falcon-9-Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX starten. 26 Monate später soll die Raumsonde mit der wissenschaftlichen Untersuchung beginnen.
„Wir bereiten uns seit Monaten vor“, betont der Leiter des Esa-Kontrollzentrums, Simon Plum, zum anstehenden Start. „Wir sind auf einem guten Weg und zuversichtlich, dass wir so gut wie möglich vorbereitet sein werden.“ Vom Kontrollzentrum in Darmstadt aus wird wie die meisten Esa-Missionen auch „Hera“ gesteuert.
Asteroiden-Abwehr mithilfe von Röntgenstrahlen
Unterdessen verfolgen Forscher noch einen ganz anderen Ansatz, wie sich Asteroiden möglicherweise abwehren ließen: mit Röntgenstrahlen. Das berichtet ein Forscherteam um Nathan Moore von den Sandia National Laboratories in den USA im Fachblatt „Nature Physics“.
An X-ray pulse may be able to vaporise the surface of an asteroid and change its trajectory, according to a paper in @NaturePhysics. A laboratory experiment suggests that this technology could potentially be used for future planetary defence missions: https://t.co/kng7MRoWH8 — Springer Nature (@SpringerNature) September 23, 2024
Wie Moore und Kollegen mit Laborexperimenten prinzipiell zeigen konnten, würden extrem starke Röntgenstrahlen einen Teil der Oberfläche eines Asteroiden schlagartig verdampfen und so einen kräftigen Rückstoß erzeugen, der ihn aus der Bahn wirft.
„Z“-Maschine kommt zum Einsatz
Für seine Experimente nutzten Die Wissenschaftler die „Z-Maschine“ der Sandia Labs, eine der stärksten Röntgenquellen der Welt. Die „Z-Maschine“ ist eine Versuchsanlage, um Materialversuche unter sehr hohen Temperaturen und extremen Druckverhältnissen durchzuführen. Sie steht in den Sandia National Laboratories (SNL) in Albuquerque (US-Bundesstaat New Mexico). Sie soll auch als Kernfusionsreaktor dienen.
Im Jahr 2005 war sie zudem die leistungsstärkste künstliche Röntgenquelle. Sie diente damit ursprünglich auch dem Test elektronischer Ausrüstung von Atomsprengköpfen, um sicherzustellen, dass diese nicht durch benachbarte Kernexplosionen gestört werden
Mit den von der „Z-Maschine“ produzierten Röntgenpulsen beschossen die Forscher zwölf Millimeter große Asteroiden-Modelle aus Quarz und aus Quarzglas in einem Vakuum. Die Röntgenpulse verliehen den kleinen Körpern Geschwindigkeiten von etwa 250 Kilometern pro Stunde.
„Die Skalierung dieser Ergebnisse auf größere Körper zeigt, dass sich mit dieser Methode Asteroiden mit einer Größe von bis zu vier Kilometern ausreichend ablenken lassen“, schreiben die Wissenschaftler. Das Team will die Experimente jetzt im Labor auf weitere Objekte mit unterschiedlichen Zusammensetzungen ausweiten.
Allerdings: Ob dereinst genügend starke Röntgenquellen vorhanden wären, um Asteroiden im All damit zu beschießen, muss sich in Zukunft noch zeigen.