Hohe Dosen Nikotin

Wie schädlich sind Nikotinbeutel?

Sie sind in Deutschland gar nicht legal - über das Internet und in bestimmten Läden aber dennoch leicht zu bekommen. Viele Schülerinnen und Schüler nutzen sogenannte Nikotinbeutel. Eine Krankenkasse warnt vor Gefahren.

Alles andere als harmlos: Tabakfreie Nikotinbeutel liegen in einer Hand.

© dpa/Robert Michael

Alles andere als harmlos: Tabakfreie Nikotinbeutel liegen in einer Hand.

Von Markus Brauer/dpa

Tabakfreie Nikotinbeutel können einer Studie zufolge hohe Dosen Nikotin abgeben. Diese seien in Deutschland zwar verboten, unter Jugendlichen aufgrund der Werbung in sozialen Medien aber trotzdem verbreitet, erläutern Fachleute von der Tabak-Ambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zusammen mit dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hatten sie untersucht, welche Nikotinmengen diese Produkte abgeben und welche Auswirkungen das auf den menschlichen Körper hat.

Tabakfreie Nikotinbeutel enthalten dem BfR zufolge ein Pulver, das aus Nikotinsalzen und Trägerstoffen besteht. Diese werden unter die Oberlippe geklemmt , sind den Forschern zufolge also unauffällig und überall einsetzbar.

Zum Teil höhere Nikotinaufnahme als bei Zigaretten

In der Studie, die im Fachblatt „Frontiers in Pharmacology“ veröffentlicht wurde, testeten die Forschenden Beutel verschiedener Marken mit deklarierten Nikotingehalten von 6, 20 und 30 Milligramm an 15 Menschen, die regelmäßig Zigaretten rauchen.

Dabei zeigte sich den Forschern zufolge, dass die Produkte hohe Nikotinmengen abgeben können – zum Teil sogar höhere als Zigaretten. Von einem hohen Suchtpotenzial der untersuchten Nikotinbeutel müsse deshalb ausgegangen werden, sagte der Leiter der LMU-Tabakambulanz, Tobias Rüther.

Vielfältige gesundheitliche Gefahren

Wie beim Zigaretten-Konsum hatten die Beutel mit 20 und 30 Milligramm Nikotin Auswirkungen auf Herz und Kreislauf, unter anderem eine erhöhte Herzfrequenz. Zudem verursachten alle Beutel Mundreizungen.

Das Suchtpotenzial könne zu einem ernsthaften Problem werden, ergänzt die Co-Autorin Andrea Rabenstein. Aus Nachbarländern wie Österreich höre man, dass die dort legal erhältlichen Nikotinbeutel bereits massiv in Schulen angekommen seien, betont Rabenstein. „Neben der Entwicklung einer Abhängigkeit von Nikotin ist natürlich dadurch der Einstieg in das Konsumieren weiterer Nikotinprodukte oder Tabakzigaretten stark zu befürchten.“

Nikotin-Beutel bei Jugendlichen weit verbreitet

Etwa jeder siebte Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren hat nach Daten der Krankenkasse DAK-Gesundheit schon einmal Nikotinbeutel probiert. Bei Jungen sei der Konsum stärker als bei Mädchen, teilte die DAK mit. DAK-Vorstandschef Andreas Storm fordert mehr Kontrollen etwa von Online-Shops zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Die Variante mit Tabak heißt Snus, ihr Verkauf ist in der EU mit Ausnahme von Schweden untersagt. Die tabakfreien Nikotinbeutel fallen in Deutschland unter das Lebensmittelrecht und sind ebenfalls verboten. Doch über das Internet sind die Beutelchen leicht zu beschaffen. Wegen fehlender Kontrollen seien sie oft sogar in Tabakläden, Kiosken oder Tankstellen erhältlich, kritisieren Suchtberater. 

„Nikotinbeutel sind gefährlich und können abhängig machen“

Dem DAK-Präventionsradar zufolge greifen Jugendliche mit einem niedrigen sozialen Status eher zu den Beuteln als Teenager aus höheren sozialen Schichten. „Nikotinbeutel sind gefährlich und können abhängig machen“, erklärt  Storm. Neben mehr Kontrollen sei die Aufklärung der Eltern und Lehrkräfte über die gesundheitlichen Risiken von Nikotinprodukten wichtig. 

 Reiner Hanewinkel vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung, das das DAK-Präventionsradar wissenschaftlich realisiert, warnt vor der Suchtgefahr. „Je früher eine Nikotinsucht entsteht, desto eher verfestigt sie sich in späteren Lebensjahren – mit allen gravierenden negativen gesundheitlichen Folgen.“

Info: Kampf gegen das Rauchen

Gesundheit Der lange Kampf gegen das Rauchen reicht in Deutschland bis in die 1970er und 1980er Jahre zurück, als die Zigarette allmählich nicht mehr so sehr als Genussmittel, sondern zunehmend als Gesundheitsgefahr gesehen wurde. Folge war unter anderem, dass gefährliche Inhaltsstoffe - vor allem Teer, aber auch Nikotin und Kondensat - schrittweise verringert wurden.

Werbung Damals begannen Werbeverbote beziehungsweise Werbeeinschränkungen - zunächst freiwillige - für das Fernsehen, den Hörfunk und schließlich auch für das Kino und in den Zeitungen und Zeitschriften. Es gab eine Kinder- und Jugendschutzklausel, die auch dafür sorgte, dass Zigarettenautomaten an der Straßenecke mehr und mehr verschwanden. Tabakwaren waren schließlich noch in Einkaufsläden und Supermärkten an den überwachten Kassen zugänglich oder in Kiosken und Tankstellen.

Rauchverbote Einen tiefen Einschnitt für die Tabakbranche brachte das Nichtraucherschutzgesetz von 2007, das Basis für das Rauchverbot am Arbeitsplatz, in öffentlichen Einrichtungen, Zügen der Deutschen Bahn und in Restaurants war.

Schockfotos Seit 2016 nehmen Warnhinweise plus Schockfotos zwei Drittel der Zigarettenverpackungen ein. Es folgten Werbeverbote für Tabak und nikotinhaltige elektronische Zigaretten in Printmedien. Ebenfalls verboten ist Werbung etwa im Internet, Hörfunk und Fernsehen.

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Erstellt:
22. November 2024, 08:28 Uhr
Aktualisiert:
18. Dezember 2024, 17:44 Uhr

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