„Hart aber fair“ zur Aufrüstung
Wie sexy ist die Bundeswehr?
Braucht Deutschland mehr Militär? Im ARD-Talk „Hart aber fair“ gibt es leise Widersprüche von drei Studiogästen zum allgemeinen Tenor.

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Bei „Hart aber fair“ wurde über die Bundeswehr diskutiert (Symbolfoto).
Von Christoph Link
Die Weltlage war rasch umrissen in der Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend in der ARD. Und der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter setzte da die Akzente, sprach von einem Russland, dem unter Präsident Wladimir Putin „nicht zu trauen“ sei. Neunmal sei Kiesewetter seit dem Ausbruch des Krieges in die Ukraine gereist und er habe ein Land gesehen, das sich und Europa verteidige um in Frieden und Freiheit zu leben.
Russland gehe in den eroberten Gebieten brutal vor mit Kindesentführungen, Vergewaltigungen, der Zwangsabgabe von Wohnungen und der Rekrutierung von Häftlingen. Auf der anderen Seite ist ein US-Präsident Donald Trump, der eigentlich „nur eine schnelle Lösung“ im Ukraine-Konflikt wolle und die Europäer deshalb gar nicht erst einbinde, sagte Jeff Rathke, Präsident des American-German-Institutes. Auf der anderen Seite stehe Putin, der gar kein Interesse an einem bedingungslosen Waffenstillstand habe. Europa müsse seine Stimme erheben, so Rathke, und selbst für seine Sicherheit sorgen – ebenso wie Deutschland als Kernland.
Politik vor „einem Scherbenhaufen“
Aber wie stark ist die Bereitschaft in Deutschland, sich für die Bundeswehr und die nationale Verteidigung überhaupt einzusetzen? Unter den sieben Studiogästen waren doch zumindest drei Stimmen, die leise Zweifel an der allgemeinen Aufrüstung hegten, die der Bundestag ja am Dienstag mit der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung auch in Deutschland durchsetzen will. „Deutschland muss in der Lage sein, sich verteidigen zu können“, meinte der Philosoph Julian Nida-Rümelin. Die Bundeswehr leide an einem massiven Effizienzproblem. Gleichwohl sieht Nida-Rümelin die europäische Ukrainepolitik aber auch vor einem „Scherbenhaufen“. Es sei einseitig gewesen, die Strategie allein auf einen Sieg der Ukraine zu setzen. Europa müsse handlungsfähig und eine kooperierende Großmacht werden, „die Brücken baut“. Gemeint war die Brücke nach Osten – denn Russland werde „nicht von der Landkarte“ verschwinden, so Nida-Rümelin.
Reden mit dem Menschenschlächter
Ähnlich äußerte sich Bascha Mika, Ex-Chefredakteurin von „taz“ und „Frankfurter Rundschau“. Es sei „absolut widerlich“, so Mika. Aber man müsse mit dem „Kriegsverbrecher und Menschenschlächter“ Putin reden, sonst komme man nicht weiter. Ein Krieg lasse sich nur am Verhandlungstisch beenden und dieser Krieg dauere nun schon drei Jahre.
Mika erfüllt es mit Sorge, dass der Aufschrei über das Wort „Kriegstüchtigkeit“ von Verteidigungsminister Boris Pistorius längst verblasst sei und es mittlerweile hoffähig geworden sei. Sie sei auch für die Aufrüstung der Bundeswehr, wenn sie denn der Verteidigungsfähigkeit diene, aber gleichzeitig müsse doch auch „massiv“ in Diplomatie investiert werden. „Was ist eigentlich sexy am Arbeitgeber Bundeswehr?“, fragte Mika den anwesenden Jugendoffizier der Bundeswehr, David Matei, der mit Clips auf Tiktok flotte Reklame für die deutsche Armee macht. „Jetzt überraschen Sie mich, wollen Sie Reservistin werden?“ fragte da Moderator Louis Klamroth dazwischen. Aber Mika ergänzte, sie halte die Bundeswehr für sexistisch, rassistisch und in Teilen rechtsextrem – im übrigen verlasse jeder vierte Neuling nach sechs Monaten die Truppe wieder.
Dem konnte Influencer Matei natürlich nur energisch widersprechen. Seit 14 Jahren sei er bei der Bundeswehr, er habe dort früh gelernt, Menschen zu führen und Deutschland sei eine „der erfolgreichsten Demokratien“, die es wert sei zu verteidigen. Das mit dem Rassismus und Sexismus stimme so nicht.
Eine Erklärung für die hohe Abbrecherquote bei der Bundeswehr lieferte Andrea Rotter von der Hanns-Seidel-Stiftung. In einer Befragung hätten die meisten Abbrecher gesundheitliche und familiäre Gründe für den Ausstieg genannt, aber auch falsche Vorstellungen über den Beruf. Es werde jetzt nicht nur um die Frage der Neugewinnung von Personal gehen müssen, so Rotter, sondern auch um die Frage, wie die Truppe „attraktiver“ werden könne und das Personal gehalten werden könne.
Traumatisiert in Afghanistan
Dann wurde das Schicksal von Soldat Robert Müller aus Stade per Video eingespielt. Müller war 21 Jahre beim Bund, er ist schwer körperlich verletzt worden, doch diese Wunden sind heute verheilt. Geblieben ist eine posttraumatische Belastungsstörung, die ihn gerade in den dunklen Jahreszeiten schwer zu schaffen macht und er nicht weiß, wie er den Tag überstehen soll. „Der Krieg geht für uns immer weiter“, sagt der Kriegsveteran. Und trotzdem, so sagt Müller, würde er sich auch heute wieder für die Bundeswehr entscheiden.
Für den Podcaster Ole Nyomen ist das unverständlich. Er selbst wolle nicht im Krieg sterben und sei nicht bereit, „zu den Waffen zu greifen“. Laut eine Forsa-Umfrage gehört er damit zu einer Mehrheit in Deutschland, demnach wollten 60 Prozent im Falle eines militärischen Angriffs „auf keinen Fall“ oder „wahrscheinlich nicht“ zu den Waffen greifen. Er würde junge Leute sogar vor der Bundeswehr warnen, meinte Nyomen. Deren Werbung komme „cool“ daher, sei aber „verharmlosend“.
Zumindest bei Moderator Klamroth machte Nyomen da einen Punkt, auch er fand, die Videoclips der Bundeswehr vermittelten den Eindruck, da handele es sich um einen „großen Abenteuerspielplatz“.