Die erste Liebe und Helikopter-Eltern
Wie sich Eltern ins Liebesleben der Kinder einmischen
Manche Helikopter-Eltern überwachen auch das Liebesleben ihrer Kinder. Doch bei aller Liebe: Das richtet mehr Schaden an, als Eltern lieb sein sollte. Denn es gibt Grenzen.
Von Sandra Markert
„Aber der geht doch auf die Gesamtschule! In deiner Klasse gibt es doch bestimmt auch nette Jungs!“ Die eben noch so glückliche Tochter schaut ihre Eltern besorgt an. Ganz offensichtlich haben sie etwas gegen ihren neuen Freund. Und vielleicht sind ihre Bedenken gar nicht so verkehrt?
Wenn pubertierende Kinder ins Liebesleben starten, spielen auch die Gefühle vieler Eltern verrückt. Sie machen sich Sorgen. Sie sind traurig oder eifersüchtig, weil ein anderer Mensch plötzlich so eine wichtige Rolle für das Kind spielt. Sie erinnern sich an die ersten eigenen Liebeleien. Und sind aus all diesen und vielen anderen Gründen mit der Partnerwahl einfach nicht einverstanden.
Eltern mischen sich ein
Das war vermutlich schon immer so. „Einige Kinder stellen das heute jedoch gar nicht infrage, wenn sich Eltern auch in die Beziehungen einmischen und dort bestimmen wollen“, sagt Susanne Mierau, Familienbegleiterin und Autorin zahlreicher Erziehungsratgeber.
Wo früher Türen geknallt und der Schwarm dann eben heimlich und als Übernachtungsbesuch bei der Freundin getarnt getroffen wurde, finden es viele Teenager heute in Ordnung, wenn ihnen die Eltern vorgeben, wen sie daten sollen – oder eben nicht. Zumindest in den Familien, in denen die Eltern seit Geburt wie Helikopter über ihren Kindern kreisen.
„Diese Kinder sind damit aufgewachsen, dass ihre Eltern schon im Kindergarten Playdates für sie ausgemacht haben. Es ist für sie also ganz normal, dass Freundschaften für sie arrangiert werden“, sagt Susanne Mierau.
Das Problem: Viele Eltern haben bei diesen sozialen Arrangements nur vermeintlich das Wohl ihrer Kinder im Blick. „Bei kleinen Kindern geht man zu den Treffen ja oft noch mit, dann sucht man sich vor allem die Kinder als Freunde für den Nachwuchs aus, deren Eltern einem sympathisch sind“, sagt Susanne Mierau. Wenn es dann um die Wahl erster Liebespartner gehe, werde auch stark mit Stereotypen gearbeitet. Auf welche Schule geht der Schwarm? Wo und wie wohnt er? Was arbeiten die Eltern?
Von der Privatsphäre Gebrauch machen
Grundsätzlich ist nichts verkehrt daran, wenn sich Eltern für die Freundschaften und Beziehungen ihrer Kinder interessieren. „Dabei sollte aber doch eigentlich die Frage im Mittelpunkt stehen, wie die Person mit meinem Kind umgeht und wie sich dieses durch die Beziehung emotional entwickelt“, findet Susanne Mierau.
Deshalb rät sie Eltern grundsätzlich dazu, abzuwarten und den Auserwählten oder die Auswählte in Ruhe kennenzulernen. „Und wenn das Kind hier erst einmal von seiner Privatsphäre Gebrauch macht, die Person nicht gleich vorstellen möchte oder nicht viel erzählt, ist das völlig in Ordnung“, sagt Susanne Mierau.
Denn damit Kinder zu selbstbewussten und kompetenten Persönlichkeiten heranwachsen können, brauchen sie Freiräume, um eigene Entscheidungen treffen und eigene Erfahrungen sammeln zu können. Die kindliche Privatsphäre, die Eltern gern mal vergessen, wenn sie heimlich Telefonaten lauschen oder Chatverläufe durchforsten, ist sogar gesetzlich geschützt – sowohl durch die Grundrechte als auch durch die UN-Kinderrechtskonvention. Willkürliche Eingriffe ins Privatleben und in den Schriftverkehr sind nach Artikel 16 tabu.
Unsicherheit wird gefördert
So zumindest die Theorie. In der Praxis wird jedoch kaum ein Kind seine Eltern verklagen, wenn sie die Privatsphäre missachten – auch wenn dies rechtlich möglich wäre. Ungestraft kommen die Eltern dennoch nicht davon. Denn die Eltern-Kind-Beziehung leidet immer, wenn Vertrauen durch Kontrolle ersetzt wird.
„Wenn ich meinem Kind ständig Vorgaben mache, dann nehme ich ihm das Gefühl, dass ich ihm etwas zutraue. Und das kann Kinder stark verunsichern und beschädigt ihr Selbstgefühl“, sagt Familienberaterin Christine Ordnung vom Deutsch-Dänischen Institut für Familientherapie und Beratung.
Dieses Gefühl, „Irgendwie passe ich nicht so, wie ich bin“, könne bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen bleiben. „Nur wissen die Erwachsenen dann nicht mehr, woher ihre Unsicherheit und ihr mangelndes Selbstwertgefühl kommen“, so Ordnung.
Sie findet es „sehr anmaßend“ von Eltern, wenn diese der Meinung sind, genau zu wissen, welcher Partner zu ihrem Kind passt. „Eltern dürfen sich hier ruhig in Bescheidenheit üben und die Kinder eigene Erfahrungen machen lassen“, findet Christine Ordnung. Dann seien auch die Chancen groß, dass die Kinder mit wichtigen Themen wie der ersten großen Liebe weiterhin zu den Eltern kämen. „Wer jedoch zu viel kontrolliert oder immer alles besser weiß, der verspielt sich diese Rolle“, sagt Christine Ordnung.
Zuhören, ruhig bleiben, kennenlernen
Statt den oder die Auserwählte des Kindes gleich zu bewerten, rät sie Eltern dazu, erst einmal zuzuhören. Da dürfe man durchaus auch sagen, wenn man mit einer Verhaltensweise oder einer Eigenschaft Schwierigkeiten habe. Aber eben so, dass klar werde: Das ist der elterliche Eindruck, dieser muss aber nicht zwingend richtig sein. „Insbesondere wenn man bei der Partnerwahl Bedenken hat, kann man ja vielleicht zunächst nachfragen, was das Kind an der Person gut findet“, sagt Susanne Mierau.
Ohnehin könnten Eltern gerade bei den ersten Beziehungen ihrer Kinder eigentlich viel entspannter sein, wenn ihnen jemand mal so gar nicht passt. Denn: In der Regel halten diese ohnehin nur wenige Wochen oder Monate. Weil Teenager selbst noch gar nicht so recht wissen, welche Eigenschaften sie an einem Partner mögen oder wie eine Beziehung für sie ablaufen soll. Deshalb testen sie sich – und ihre Eltern. Das mag nicht immer einfach sein, ist aber ein wichtiges Übungsfeld für spätere Beziehungen im Erwachsenenalter.
Info:
Perfekte Partner aus Eltern- und KindersichtVor einigen Jahren befragte die amerikanische Psychologin Carin Perilloux Eltern und deren Kinder im Studentenalter danach, was den perfekten Partner für sie ausmacht. Übereinstimmungen gab es dabei kaum.