Hirnforschung und Filme
Wie sich Gehirne von Actionfilm- und Krimi-Fans unterscheiden
Warum schauen sich Menschen Action-, Kriminalfilme oder Dokumentationen an? Nur aus Interesse? Nicht nur: Forscher haben herausgefunden, dass sie unbewusst auch spezifische Emotionen und optimale Stimulationen im Gehirn hervorrufen wollen.
Von Markus Brauer
Krimis, Action, Comedy oder lieber Dokumentationen? Die Genres der Lieblingsfilme eines Menschen verraten einiges darüber, wie sein Gehirn funktioniert. Das legt eine neue Studie unter Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) nahe, die im Fachmagazin „Frontiers in Behavioral Neuroscience“ erschienen ist.
"These results support an emerging theory of the high-dimensional emotion space, illuminating its neural foundations distributed across transmodal regions" https://t.co/R10GoJiSO4pic.twitter.com/ThfawtOGvF — Jesus Ramirez-Bermudez (@JRBneuropsiq) August 23, 2024
Filmvorlieben und Verarbeitung negativer Emotionen im Gehirn
Die Forscher verglichen die Daten zu Filmvorlieben mit Aufnahmen der Gehirnaktivität von rund 260 Menschen. Es zeigte sich, dass Fans von Actionfilmen und Komödien sehr stark auf negative emotionale Reize reagieren. Bevorzugten die Teilnehmer dagegen Dokumentarfilme oder Krimis, fiel ihre Reaktion deutlich geringer aus.
Filme sind für die Psychologie generell von großem Interesse. „Der große Reiz von Filmen ist, dass sie nicht nur alle menschlichen Emotionen abbilden, sondern auch auslösen können. Negative Emotionen, wie Wut oder Angst, spielen in vielen Filmen eine zentrale Rolle“, erklärt Esther Zwiky vom Institut für Psychologie der MLU. Bisher sei noch relativ wenig bekannt über den Zusammenhang zwischen Filmvorlieben und der Verarbeitung negativer Emotionen im Gehirn.
Gehirnaktivitäten mittels fMRT untersucht
Dieses Zusammenspiel untersuchten die Wissenschaftler näher. Hierfür analysierten sie Daten von 257 Personen. Im Rahmen der Studie gaben die Befragten auch Auskunft über ihre Filmvorlieben. Außerdem wurde die Gehirnaktivität aller Teilnehmer mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) untersucht.
Während die Personen in dem MRT-Gerät lagen, wurden ihnen ängstliche oder wütende Gesichter sowie geometrische Formen gezeigt. „Dabei handelt es sich um einen etablierten Test, mit dem sich messen lässt, wie das Gehirn emotionale Reize verarbeitet“, erläutert Zwiky.
Amygdala und Nucleus accumbens im Fokus
Die Forscher konzentrierten sich auf zwei Hirnareale: Die Amygdala ist für die Verarbeitung von lebenswichtigen Emotionen zuständig. „Als Reaktion auf Bedrohungen kann die Amygdala eine Kampf- oder Fluchtreaktion auslösen“, betont Zwiky.
Dieses auch Mandelkern genannte Gebiet im Zentralgehirn ist Teil des Limbischen Systems – also jener Region, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient. Außerdem untersuchte das Team die neuronale Aktivität des als Belohnungszentrum bekannten Nucleus accumbens.
Sehr viele Reize bei Actionfilm-Fans
Das Ergebnis: „Die stärksten Reaktionen in beiden Arealen haben wir bei Fans von Actionfilmen gefunden. Das hatten wir nicht erwartet, da Actionfilme typischerweise sehr viele Reize vermitteln. Deshalb wäre es naheliegend gewesen, dass Actionfans nicht so leicht zu stimulieren sind“, unterstreicht Zwiky.
Die Ergebnisse ließen hingegen vermuten, dass Actionfans besonders sensibel auf emotionale Reize reagieren und gerade diese Stimulation als Anreiz empfinden.
Deutliche weniger Stimulation bei Krimis und Dokus
Eine ähnliche Aktivität zeigte sich bei Liebhabern von Comedy-Filmen. Für Anhänger von Krimis und Thrillern oder Dokumentationen zeigte sich ein anderes Bild: Hier reagierten beide Bereiche im Gehirn deutlich weniger als bei den anderen Gruppen auf die emotionalen Reize. „Es scheint so, dass Menschen sich die Filmgenres aussuchen, die ihr Gehirn optimal stimulieren“, fasst Zwiky zusammen.