Wie sicher ist Backnang?
Es klingt alarmierend: Die Zahl der Straftaten in der Stadt hat im vergangenen Jahr um 26,3 Prozent zugenommen. Bei genauerem Hinsehen relativiert sich die Dramatik allerdings: Vor der Coronapandemie lag die Kriminalität bereits auf ähnlichem Niveau.
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© Alexander Becher
Trotz wieder gestiegener Fallzahlen sieht Dennis Ehrhardt keinen Grund zur Beunruhigung: „Aus unserer Sicht ist Backnang sehr sicher“, sagt der Leiter des Polizeireviers. Archivfoto: Alexander Becher
Von Kornelius Fritz
Backnang. Insgesamt 2.092 Straftaten hat die Polizei im vergangenen Jahr im Backnanger Stadtgebiet registriert. Das geht aus der Sicherheitsanalyse hervor, die der Leiter des hiesigen Polizeireviers, Dennis Ehrhardt, nun im Gemeinderat vorstellte. Das ist der höchste Wert in den vergangenen fünf Jahren. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Sicherheit in der Murr-Metropole:
Wie hat sich die Kriminalität im Jahr 2022 in Backnang entwickelt?
Wie fast überall im Land ist die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr gestiegen. Das hat Dennis Ehrhardt allerdings nicht überrascht: „Das Jahr 2021 war noch stark von Corona geprägt“, erklärt der Revierleiter. So gab es während der Pandemie kaum größere Veranstaltungen, bei denen es häufiger zu Straftaten kommt. Auch Ladendiebe hatten im Lockdown schlechte Karten. Mit der Rückkehr des öffentlichen Lebens sind nun auch die Straftaten erwartungsgemäß gestiegen, in Backnang allerdings stärker als anderswo. Während der Zuwachs landesweit bei 13,1 Prozent lag und im Rems-Murr-Kreis bei 12,6 Prozent, fiel das Plus in Backnang mit 26,3 Prozent doppelt so hoch aus. Trotzdem gab es nicht wesentlich mehr Kriminalität als vor Corona: Im Jahr 2019 meldete die Polizei in Backnang 2021 Straftaten. Erfreulich: Auch die Aufklärungsquote ist in Backnang mit 66 Prozent überdurchschnittlich, der Landesschnitt liegt nur bei 61,4 Prozent.
Welche Delikte haben besonders zugenommen?
Besonders hohe Zahlen meldet das Polizeirevier Backnang bei den Diebstahlsdelikten, die innerhalb eines Jahres um 58 Prozent zugenommen haben. Die sogenannten „Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum“ haben sich sogar mehr als verdoppelt von 80 auf 166 Fälle. Einen Fünfjahreshöchststand meldet die Polizei auch bei den Drogendelikten (116). Nicht immer ist allerdings klar, ob eine Zunahme der Fallzahlen auch mit einem Anstieg der Kriminalität gleichzusetzen ist. Bei Drogendelikten, die selten angezeigt werden, haben die Fallzahlen auch damit zu tun, wie intensiv die Polizei in diesem Bereich ermittelt. Bei Ladendiebstählen spielt es eine Rolle, ob Geschäftsinhaber eigene Detektive beschäftigen und ob sie auch kleinere Diebstähle konsequent anzeigen oder nicht.
Wie steht Backnang im Vergleich zu anderen Städten da?
Um Städte unterschiedlicher Größe miteinander vergleichen zu können, berechnet die Polizei die sogenannte Häufigkeitszahl. Dabei wird die Zahl der Straftaten auf 100.000 Einwohner hochgerechnet. In Backnang ergibt sich dabei ein Wert von 5.585. Unter den Großen Kreisstädten im Rems-Murr-Kreis steht Backnang damit an dritter Stelle. Den unrühmlichen Titel als „Kriminalitätshauptstadt“ trägt derzeit Winnenden (6.661), auf Rang zwei folgt mit deutlichem Abstand Fellbach (5.939). Am sichersten lebt es sich im Rems-Murr-Kreis in Weinstadt mit einer Häufigkeitszahl von 3.821.
Wer sind die Täter?
Insgesamt 1144 Tatverdächtige konnte die Polizei im vergangenen Jahr in Backnang ermitteln, 216 mehr als im Jahr davor. Auffällig ist, dass vor allem die Zahl der jungen Täter stark gestiegen ist. So waren 29 Prozent der Tatverdächtigen jünger als 21 Jahre, im Jahr davor waren es lediglich 21 Prozent. Insgesamt 64 Straftaten (Vorjahr: 40) wurden von Kindern unter 14 Jahren begangen. Gestiegen ist auch die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass, nämlich von 40,1 auf 41,0 Prozent. Der Anteil der Geflüchteten ist hingegen von 10,2 auf 9,4 Prozent zurückgegangen.
Gibt es besondere Brennpunkte?
Nein, sagt Revierleiter Dennis Ehrhardt, echte Kriminalitätsschwerpunkte gebe es in der Stadt zum Glück nicht: „Aus unserer Sicht ist Backnang sehr sicher.“ Dass der Plattenwald in der Statistik der Aggressionsdelikte gehäuft als Tatort aufgeführt wird, ist vor allem auf ein einzelnes Ereignis zurückzuführen: Im Mai 2022 war es dort auf dem Waldspielplatz zu einer Massenschlägerei zwischen zwei Gruppen gekommen. Diese floss laut Ehrhardt als 20 Einzelfälle in die Jahresstatistik ein. Auch zwei von fünf registrierten Messerangriffen ereigneten sich bei dieser Auseinandersetzung. Mit Banden- oder Clankriminalität habe man es in Backnang bislang aber nicht zu tun, versichert der Revierleiter.
Wie sicher sind die Straßen?
Einen Anstieg meldet das Polizeirevier auch bei der Zahl der Verkehrsunfälle in Backnang von 380 im Jahr 2021 auf 421 im vergangenen Jahr (+10,7 Prozent). Dabei wurden 99 Personen verletzt (Vorjahr: 82). Besonders erschreckend ist, dass es im Backnanger Stadtgebiet 2022 gleich drei Verkehrstote gab. Die tragischen Unfälle waren laut Ehrhardt allerdings alle auf individuelles Fehlverhalten zurückzuführen. An 36 Unfällen waren Fahrräder oder Pedelecs beteiligt – mehr als doppelt so viele wie 2021. Das kann aber auch daran liegen, dass mittlerweile einfach mehr Menschen die Zweiräder als Verkehrsmittel nutzen. Zu den erfreulichen Entwicklungen gehört, dass die Zahl der Unfälle, die durch zu hohe Geschwindigkeit verursacht wurden, rückläufig ist (–10,5 Prozent).
Was sagen OB und Gemeinderat?
Die Frage nach der Sicherheit in Backnang beschäftigte den Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung mehr als zwei Stunden lang. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich bedauerte dabei den deutlichen Anstieg der Kriminalität. „Durch die Einschränkungen der Pandemie haben einige offenbar auch soziales Verhalten verlernt“, vermutete Friedrich. Die Stadt hat darauf bereits reagiert und setzt neben dem eigenen Vollzugsdienst abends und an den Wochenenden auch einen privaten Sicherheitsdienst ein. Dieser ist laut Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer unter anderem im Plattenwald und an der Murrpromenade im Bereich der Oberen Walke im Einsatz.
SPD-Stadträtin Siglinde Lohrmann hat nach Gesprächen mit der Bürgerschaft das Gefühl, dass es in Backnang etliche Orte gibt, an denen sich gerade ältere Menschen nicht sicher fühlen. „Solche Angsträume müssen wir beseitigen“, forderte Lohrmann. Dennis Ehrhardt machte allerdings deutlich, dass die Polizei gegen Gruppen, die sich an öffentlichen Plätzen treffen, nur vorgehen kann, wenn sich diese etwas zuschulden kommen lassen. „Ohne konkreten Anlass können wir Personengruppen nicht vertreiben“, so der Revierleiter.
Sabine Kutteroff sieht im Kampf gegen Jugendkriminalität neben der Polizei auch die städtischen Sozialarbeiterinnen gefordert. „Das Team der mobilen Jugendarbeit müsste häufiger vor Ort sein“, forderte die CDU-Stadträtin. So könne man die jungen Leute vielleicht schon erreichen, bevor sie überhaupt kriminell werden.