Social Media im Wahlkampf
Wie soziale Medien die Politik verändern
Meta-Chef Mark Zuckerberg will die Prüfung von Inhalten auf Facebook und Instagram durch Faktenchecker zumindest in den USA abschaffen. Welche Folgen hat das für den politischen Diskurs?
Von Werner Ludwig
Elon Musk hat auf X, vormals Twitter, den Anfang gemacht und das sogenannte Fact-Checking von Inhalten abgeschafft. Nun zieht Meta-Chef Mark Zuckerberg nach. Auch auf seinen Plattformen Facebook und Instagram soll künftig die Verbreitung von Falschbehauptungen und Lügen nicht mehr systematisch bekämpft werden. Wie beurteilen Kommunikationsforscher diesen Schritt und welche Rolle spielen Soziale Medien in Wahlkämpfen? Wir beantworten wichtige Fragen dazu.
Was bedeutet der Wegfall von Faktenchecks für politische Debatten?
„Es ist zu erwarten, dass die Qualität von Diskursen darunter leiden wird“, sagt Philipp Müller, Akademischer Rat am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Mannheim. Das von Facebook angekündigte Community Fact Checking durch die Nutzer selbst könne die Prüfung von Inhalten durch qualifiziertes Personal nicht ersetzen. „Soziale Medien dürfen nicht komplett aus der Regulierung entlassen werden“, warnt Müller. Andreas Jungherr sieht die Sache etwas gelassener: „Ich würde jetzt nicht das Ende des politischen Diskurses ausrufen“, so der Politologe von der Universität Bamberg. Auf den aktuellen Wahlkampf in Deutschland seien ohnehin keine Auswirkungen zu erwarten. Bislang beziehen sich die Ankündigung des Meta-Chefs nur auf die USA. Zudem gelten in der EU engere gesetzliche Grenzen für Social-Media-Plattformen.
Was weiß man generell über die Wirkung Sozialer Medien auf die Politik – insbesondere auf Wahlen?
„Wahlentscheidungen hängen von sehr vielen Faktoren ab“, sagt Judith Möller – beispielsweise von persönlichen Erfahrungen und dem sozialen Umfeld. „Der Anteil, für den Medien allgemein oder soziale Medien im Speziellen allein verantwortlich sind, ist sehr klein“, sagt die Wissenschaftlerin, die sich an der Universität Hamburg und am dortigen Leibniz-Institut für Medienforschung mit den Wirkungen von Medien auf die Gesellschaft beschäftigt. Auch wenn soziale Medien nur einer von vielen Einflussfaktoren seien, hätten ihre Auswirkungen auf den Politikbetrieb in den letzten Jahren zugenommen. So gehe etwa die Diversität von Meinungen auf den Plattformen zurück. „Wenn in einem digitalen Raum eine toxische Kultur herrscht, ziehen sich bestimmte Gruppen eher zurück als andere“, so Möller. Generell werde die Forschung zum Einfluss von Facebook & Co. dadurch erschwert, dass die Konzerne nur sehr ungern entsprechende Daten zur Verfügung stellten.
Wie wirken sich Soziale Medien auf den übrigen Medienbetrieb aus?
Nach Ansicht von Kommunikationsexperten sind die indirekten Wirkungen von Plattformen wir Facebook, X oder TikTok mindestens so bedeutend wie die direkten Effekte auf einzelne Individuen. So greifen die etablierten Medien häufig Themen auf, die auf Social Media groß gespielt werden. „Redaktionen sollten nicht über jedes Stöckchen springen, das ihnen von den Sozialen Medien hingehalten wird“, sagt der Mannheimer Experte Müller. Auf der anderen Seite könne man die Plattformen aber auch nicht ignorieren. Schließlich würden dort Themen abgehandelt, die viele Menschen bewegten. Müller verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Soziale Medien für Menschen unter 24 Jahren mit Abstand die wichtigste Informationsquelle seien.
Welche positiven Effekte sind denkbar?
Der Politologe Jungherr sieht in Sozialen Medien eine Art Fenster zum Alltag. „Sie machen Streit und Bruchlinien sichtbar.“ Das könne ein Anreiz für die Politik sein, sich mit gesellschaftlichen Problemen zu beschäftigen. „Soziale Medien verstärken das, was ohnehin schon da ist.“ Jungherr räumt aber zugleich ein, dass sich daraus oft kein realistisches Bild ergibt. „Randständige Positionen werden überschätzt,“ sagt der Medienexperte Müller. Bei der Verbreitung von Falschinformationen spielten aber häufig auch die politischen Akteure selbst eine unrühmliche Rolle. Das bekannteste Beispiel dafür ist der neue US-Präsident Donald Trump, der täglich Unwahrheiten verbreitet.
Profitieren rechte Parteien wie die AfD besonders stark von Sozialen Medien?
„Die Plattformen bevorzugen nicht unbedingt die eine oder andere politische Richtung“, sagt Jungherr. Ihre Auswirkungen auf die politische Kommunikation beträfen prinzipiell alle Partien. Dass die AfD in den Sozialen Medien so erfolgreich sei, führt Jungherr vor allem darauf zurück, dass sie dieses Feld früher als andere beackert und dabei viel gelernt habe. Der Politikwissenschaftler wünscht sich, dass auch die etablierten Parteien Social Media stärker nutzen und damit experimentieren. Sonst bestehe tatsächlich die Gefahr, dass demokratiefeindliche Inhalte in den Vordergrund rücken. Eine erfolgreiche Social-Media-Kampagne führe auch nicht zwangsläufig zu politischen Erfolgen. Als Beispiel nennt Jungherr die hochprofessionelle Kampagne der demokratischen US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Die habe zwar sehr viel Aufmerksamkeit bekommen, doch das habe sich am Ende nicht in einem guten Wahlergebnis niedergeschlagen.