Krankmachender Krach

Wie stark Fluglärm der Gesundheit schadet

In der Nähe großer Flughäfen gibt es oft Streit um Fluglärm. Denn die Geräuschkulisse kann auf die Gesundheit schlagen. Eine Studie zeigt nun, wie das Herz auf den stetigen Lärmpegel reagiert.

Eine Boeing 747 setzt im letzten Tageslicht auf dem Flughafen Frankfurt zur Landung an. Der von der Fraport betriebene Flughafen gehört zu den wichtigsten Luftverkehrs-Drehkreuzen Europas.

© dpa/Boris Roessler

Eine Boeing 747 setzt im letzten Tageslicht auf dem Flughafen Frankfurt zur Landung an. Der von der Fraport betriebene Flughafen gehört zu den wichtigsten Luftverkehrs-Drehkreuzen Europas.

Von Markus Brauer/dpa

Eine Studie zeigt erstmals die konkreten Auswirkungen von permanentem Fluglärm auf das Herz. Bei der Auswertung von Herzaufnahmen per Magnetresonanztomographie (MRT) stellten britische Wissenschaftler fest, dass die linke Herzkammer bei Menschen, die Fluglärm in besonderem Maße ausgesetzt waren, um durchschnittlich sieben Prozent schwerer war als bei anderen Personen.

Dies erhöhe das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme wie Herzrhythmusstörung, Herzinfarkt oder Schlaganfall um 32 Prozent, schreibt die Gruppe um Cristian Topriceanu vom University College London im „Journal of the American College of Cardiology“ (JACC). Deutsche Experten loben die Studie, das Resultat sei auf Deutschland übertragbar.

Higher aircraft noise exposure assoc w/ worse heart structure and function. Findings are consistent with the existing literature on aircraft noise and #CVD, and need to be considered by policymakers and the aviation industry. https://t.co/XpySXSLKG9#JACC#CMR@CTopriceanupic.twitter.com/ChdvrvS5Ki — JACC Journals (@JACCJournals) January 8, 2025

Dauerschallpegel von 50 Dezibel oder mehr ausgesetzt

„Mit der Expansion der Luftfahrtindustrie wächst in Gemeinden, die in der Nähe von Flughäfen oder unter Flugrouten leben, die Besorgnis über mögliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und den Schlaf“, schreiben die Autoren.

Sie werteten in einer medizinischen Datenbank – der UK Biobank – Herzaufnahmen von 3635 Menschen aus, die in der Nähe eines von vier großen englischen Flughäfen lebten: London-Heathrow, London-Gatwick, Manchester und Birmingham.

Nach dem Abgleich mit Lärmdaten der britischen Luftfahrtbehörde CAA (Civil Aviation Authority) kalkulierten die Wissenschaftler, dass acht Prozent dieser Teilnehmer einem gemittelten Dauerschallpegel von 50 Dezibel oder mehr ausgesetzt sind.

Langzeitrisiken durch krankmachenden Krach

Drei Prozent lebten mit einem nächtlichen Fluglärm von 45 Dezibel oder mehr. Bei diesen Anwohnern war unter anderem die linke Herzkammer um durchschnittlich sieben Prozent schwerer. Zum Vergleich: 50 Dezibel entsprechen etwa einer angeregten Unterhaltung.

Die Langzeitrisiken durch Veränderungen der linken Herzkammer ermittelte das Team aus Herzaufnahmen und anderen Daten von 21.360 Patienten aus der englischen Datenbank. Bei der Risikokalkulation berücksichtigten die Forscher zahlreiche andere Faktoren, die Einfluss auf die Herzgesundheit haben können – darunter Geschlecht, Alter, Einkommen, Rauchen, Alkoholkonsum, Luftqualität und sonstige Lärmquellen.

Höherer Blutdruck durch Fluglärm

Wie genau Fluglärm auf das Herz-Kreislauf-System einwirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Es gibt jedoch Hinweise, dass diese Geräuschkulisse mit Übergewicht und Bluthochdruck in Verbindung steht.

„Zwischen einem Viertel und der Hälfte des Zusammenhangs wurden einem höheren Körper-Masse-Index bei Teilnehmern zugeschrieben, die größerem Fluglärm ausgesetzt waren“, erklärt Topriceanu. Bei Patienten, die tagsüber mit Fluglärm konfrontiert waren, führten die Wissenschaftler zwischen 9 und 36 Prozent des Unterschieds auf höheren Blutdruck zurück.

Auf Bluthochdruck kann der Körper mit einem verstärkten Dickenwachstum des Herzmuskels reagieren. Bei den vom Fluglärm Betroffenen hatte eine verdickte Herzwand den größten Anteil an der durchschnittlich sieben Prozent schwereren linken Herzkammer. In der Folge wird das Herz steifer, kann sich weniger stark dehnen, und die Pumpleistung nimmt ab. „Andere Faktoren, die durch Stressreaktion auf Fluglärm ausgelöst werden könnten, sind Schlafstörungen, Entzündungen und Arteriosklerose“, betonte Topriceanu.

Nächtlicher Lärm ist besonders schädlich

Der Kardiologe Thomas Münzel von der Universitätsmedizin Mainz lobt die Untersuchung. „Bisher konnte sich noch keine Studie über den Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf so viele Daten stützen.“ In einem „JACC“-Kommentar schreibt er zusammen mit anderen Experten, Lärmbelastung durch Verkehr sei ein weltweites und zunehmendes Problem. Nächtlicher Lärm sei besonders schädlich.

Thomas Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung, betonte, dass die Studie das Forschungsfeld erweitere. „Die MRT-Aufnahmen sind in hohem Maße standardisiert, deshalb sind die Herzaufnahmen gut miteinander vergleichbar“, erklärt der Kardiologe. Die Ergebnisse der Studie seien auf Deutschland übertragbar, denn Anwohner von Flughäfen hierzulande seien ähnlichen Dezibelwerten ausgesetzt wie in England. Meinertz, Münzel und auch die Autoren der Studie plädieren dafür, der Staat solle seine Einwohner besser vor gesundheitsschädlichem Fluglärm schützen.

Dezibel – abgekürzt dB – ist die Maßeinheit für akustische Messungen. Der Hörschwelle ist der Wert Null dB zugeordnet, der zehnfach stärkeren Schallintensität der Wert 10 dB, der hundertfachen 20 dB und so weiter. Denn: Eine Verzehnfachung der Schallintensität empfindet das Gehör als Verdoppelung der Lautstärke. Die Schmerzgrenze liegt bei etwa 130 dB.

 

Während etwa ein Flüstern mit einer Lautstärke von 30 dB wahrgenommen wird – und bereits den Schlaf stören kann . . .

© Patrick Seeger/dpa

Während etwa ein Flüstern mit einer Lautstärke von 30 dB wahrgenommen wird – und bereits den Schlaf stören kann . . .

60 dB (normales Gespräch, leises Radio) stören die Konzentration; erste Belastungsreaktionen treten auf.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

60 dB (normales Gespräch, leises Radio) stören die Konzentration; erste Belastungsreaktionen treten auf.

. . . . erreicht eine angeregte Unterhaltung bereits einen Wert um 75 dB.

© Marijan Murat/dpa

. . . . erreicht eine angeregte Unterhaltung bereits einen Wert um 75 dB.

80 dB (Hauptverkehrsstraße) bedeuten ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko bei dauernder Belastung.

© Paul Zinken/dpa

80 dB (Hauptverkehrsstraße) bedeuten ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko bei dauernder Belastung.

Schwerlastverkehr ist nicht nur eine Belastung für die Umwelt, sondern schädigt mit 95 dB auch massiv das Gehör.

© Gareth Fuller/PA Wire/dpa

Schwerlastverkehr ist nicht nur eine Belastung für die Umwelt, sondern schädigt mit 95 dB auch massiv das Gehör.

Viele Motorräder sind nicht lauter als 78 dB, das entspricht dem EU-Grenzwert. Die Maschinen, gegen die sich die „Initiative Motorradlärm“ in Baden-Württemberg richtet, erreichen dagegen nicht selten mehr als 100 dB.

© Joan Monfort/AP/dpa

Viele Motorräder sind nicht lauter als 78 dB, das entspricht dem EU-Grenzwert. Die Maschinen, gegen die sich die „Initiative Motorradlärm“ in Baden-Württemberg richtet, erreichen dagegen nicht selten mehr als 100 dB.

Aus einer seitlichen Entfernung von 300 Metern bringt es ein Airbus 320 beim Start auf 85 dB.

© Christoph Schmidt/dpa

Aus einer seitlichen Entfernung von 300 Metern bringt es ein Airbus 320 beim Start auf 85 dB.

100 dB werden von einer Kreissäge oder bei einem Rockkonzert erreicht und führen bei jahrelanger Dauerbelastung zu Gehörschäden.

© Jan Woitas/dpa

100 dB werden von einer Kreissäge oder bei einem Rockkonzert erreicht und führen bei jahrelanger Dauerbelastung zu Gehörschäden.

100 dB wie in einer lauten Fabrikhalle, von einer Kreissäge oder einem Presslufthammer können bei jahrelanger Belastung Gehörschäden zur Folge haben.

© Foto Frank Rumpenhorst/dpa

100 dB wie in einer lauten Fabrikhalle, von einer Kreissäge oder einem Presslufthammer können bei jahrelanger Belastung Gehörschäden zur Folge haben.

Die Intensität einer Autohupe wird mit 110 dB veranschlagt . . .

© Johannes Schmitt-Tegge/dpa

Die Intensität einer Autohupe wird mit 110 dB veranschlagt . . .

. . . in der Diskothek werden Werte bis zu 120 dB erreicht.

© Hauke-Christian Dittrich/dpa

. . . in der Diskothek werden Werte bis zu 120 dB erreicht.

Ein startender Düsenjet in 100 Meter Entfernung bringt es auf 125 dB.

© Greek Defence Ministry/AP/dpa

Ein startender Düsenjet in 100 Meter Entfernung bringt es auf 125 dB.

140 dB: Düsentriebwerk in 25 Metern Entfernung.

© Uncredited/Indian Air Force/AP/dpa

140 dB: Düsentriebwerk in 25 Metern Entfernung.

Genauso laut ist eine Trillerpfeife, deren Dauergeräusch in nächster Nähe schon nach kurzer Zeit zu möglichen Gehörschäden führen kann.

© Patrick Seeger/dpa

Genauso laut ist eine Trillerpfeife, deren Dauergeräusch in nächster Nähe schon nach kurzer Zeit zu möglichen Gehörschäden führen kann.

160 dB (Gewehrschuss in Mündungsnähe) führen zu Gehörschäden schon bei einmaliger Einwirkung.

© Jane Barlow/PA Wire/dpa

160 dB (Gewehrschuss in Mündungsnähe) führen zu Gehörschäden schon bei einmaliger Einwirkung.

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Erstellt:
9. Januar 2025, 13:26 Uhr

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