Vor 9 Milliarden Jahren

Wie zwei Schwarze Löcher in der Milchstraße einst verschmolzen

Das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße, Sagittarius A*, verdankt seine heutigen Merkmale einer Verschmelzung. Es ist vor rund neun Milliarden Jahren mit einem zweiten supermassereichen Schwarzen Loch kollidiert, wie Astronomen jetzt entdeckt haben.

Das zentrale Schwarze Loch in der Milchstraße verdankt seine heutige Größe, Rotation und Neigung einer Verschmelzung mit einem zweiten, kleineren Schwerkraftgiganten.

© © International Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA, J. da Silva/Spaceengine

Das zentrale Schwarze Loch in der Milchstraße verdankt seine heutige Größe, Rotation und Neigung einer Verschmelzung mit einem zweiten, kleineren Schwerkraftgiganten.

Von Markus Brauer

Im Herzen der Milchstraße liegt das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A*. Dieses 27 000 Lichtjahre von der Erde entfernte und rund vier Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Loch ist heute zwar inaktiv, doch gewaltige Blasen aus schnellen Gasen und Gammastrahlen zeugen von vergangenen Ausbrüchen und hoher Aktivität.

Von Sagittarius A* geht bis heute ein starkes, geordnetes Magnetfeld aus. Das zeigen Beobachtungen mit dem „Event Horizon Telescope“ (EHT, Ereignishorizont-Teleskop), einem Netz von acht über den ganzen Planeten verteilten Radioteleskop-Anlagen. Die Aufnahmen und Daten enthüllen, dass Sagittarius A* unerwartet schnell rotiert und dabei gegen die Galaxienebene gekippt ist.

Sagittarius A* – Gigant im Herzen unserer Galaxie

Schwarze Löcher sind Objekte mit einer so starken Schwerkraft, dass nicht einmal Licht aus ihnen entkommen kann. Sie entstehen, wenn große Sterne mit der vielfachen Masse unserer Sonne am Ende ihrer Existenz als Supernova explodieren und der übrig gebliebene Sternenrest kollabiert.

Abgesehen von den stellaren Schwarzen Löchern gibt es supermassereiche Schwarze Löcher, die in den Zentren der meisten Galaxien vermutet werden. Diese Schwarzen Löcher können die milliardenfache Masse unserer Sonne besitzen. Das massereichste in unserer Galaxie ist das erwähnte Sagittarius A*.

Widerspruch zu Wachstumsmodellen

„Wenn diese Daten stimmen, dann steht diese Rotation von Sagittarius A* im Widerspruch zu den Modellen des Wachstums supermassereicher Schwarzer Löcher durch Akkretion“, erklären Yihan Wang und Bing Zhang von der University of Nevada in Reno im gleichnamigen US-Bundesstaat.

Denn nach diesen zehren die zentralen Schwarzen Löcher von dem Material ihrer Wirtsgalaxie und bewegen sich dadurch etwa gleichschnell und in derselben Ebene mit diesen. Die Studie ist im aktuellen Fachmagazin „Nature Astronomy“ erschienen.

Using the spin constraints on Sgr A* from @BlackHoleCam observations, Wang & Zhang suggest that Sgr A* experienced a past SMBH merger with a 4:1 mass ratio, which aligns with the Milky Way-Gaia Enceladus merger. https://t.co/huwYqPcf8f or https://t.co/eawoiOkyHkpic.twitter.com/pgDNscIxGF — Nature Astronomy (@NatureAstronomy) September 6, 2024

Doch das ist bei Sagittarius A* nicht der Fall, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben. Auf der Suche nach einer Erklärung haben die Astronomen die EHT-Daten noch einmal genauer analysiert und auf ihrer Basis mehrere Simulationen durchgeführt. In diesen testeten sie, welches Szenario das heutige Verhalten des zentralen Schwarzen Lochs in der Milkey Way am besten erklären kann.

 

 

Verschmelzung im Massenverhältnis 4:1

„Die Akkretionsmodelle sind nicht ausreichend, um die vom EHT beobachteten Eigenschaften des Schwarzen Lochs zu rekonstruieren“, berichten Wang und Zhang. Stattdessen muss Sagittarius A* eine Verschmelzung mit einem zweiten massereichen Schwarzen Loch erlebt haben.

Dieses war nur rund ein Viertel so schwer wie Sagittarius A* und muss fast senkrecht zum Schwarzen Loch der Milchstraße orientiert gewesen sein, wie das Team ermittelt hat.

„Diese Verschmelzung veränderte das Tempo und die Ausrichtung mit der Sagittarius A* rotiert dramatisch“, erläutert Wang. Der kleinere Partner bei dieser 4:1-Kollision der Schwarzen Löcher bildete ursprünglich das Zentrum einer größeren Zwerggalaxie, die mit der Milchstraße kollidierte.

Dabei bewegte sich diese kleinere Galaxie quer zur unsrigen und rotierte wahrscheinlich in entgegengesetzter Richtung, wie die Astronomen eruierten.

 

 

Kollisionspartner stammte aus Gaia-Enceladus-Zwerggalaxie

Die Daten verraten auch, wann diese Verschmelzung erfolgt sein muss. Sie passen zudem gut zur bereits bekannten Geschichte der Milchstraße. Nach dieser erlebte unsere Heimatgalaxie vor rund neun Milliarden Jahren ihre schwerste Kollision, als sie mit ihrer Nachbargalaxie Gaia-Enceladus zusammenstieß. „Diese Verschmelzung hatte ein 4:1-Massenverhältnis und eine Neigung von 145 bis 180 Grad in Bezug auf unsere Sichtlinie“, erklären die Astronomen.

Damit hatte diese Kollision genau die Merkmale, die das heutige Verhalten von Sagittarius A* am besten erklären können, schreibt das Forscherteam.„Die Galaxienverschmelzung dauerte rund eine Milliarde Jahre und begann vor rund zehn Milliarden Jahren.“

„Daraus ergibt sich, dass Sagittarius A* vor rund neun Milliarden Jahren mit dem Schwarzen Loch von Gaia-Enceladus verschmolz.“ Nachdem die Folgen dieser galaktischen Karambolage abgeklungen waren, pendelten sich Rotation und Neigung von Sagittarius A* in die heute beobachteten Werte ein.

Hierarchische Verschmelzungen

„Diese Entdeckung gibt uns neue Einblicke in die dynamische Geschichte unserer Galaxie“, erläutern Wang und Zhang. „Gleichzeitig bestätigt sie die Theorie, nach sich der Schwarze Löcher durch solche hierarchischen Verschmelzungen wachsen und sich entwickeln.“

Schon häufiger haben Astronomen Paare supermassereicher Schwarzer Löcher in fernen Galaxien beobachtet – also Giganten-Duos kurz vor ihrer Verschmelzung. Die Gravitationswellen-Detektoren LIGO, Virgo und KAGRA haben zudem schon mehr als hundert Verschmelzungen kleiner, stellarer Schwarze Löcher detektiert.

Wie jedoch die Kollision zweier supermassereicher Schwarzer Löcher wie Sagittarius A* und seinem Gaia-Enceladus-Partner abläuft, wurde bisher noch nie direkt beobachtet. Die Astronomen gehen  davon aus, dass künftige, weltraumgestützte Gravitationswellen-Detektoren wie die Laser Interferometer Space Antenna (LISA) solche Verschmelzungen detektieren können.

Info: Wichtige Begriffe erklärt

Schwarzes Loch Schwarze Löcher sind eine der Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Physik-Nobelpreisträger Albert Einstein (1879-1955) vor mehr als einem Jahrhundert aufgestellt hat. In ihnen ist die Masse von einigen bis mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimiert. Durch die immense Gravitation kann aus der direkten Umgebung nicht einmal Licht entkommen, daher der Name. Schwarze Löcher können beispielsweise entstehen, wenn ausgebrannte Riesensterne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenstürzen.

Radiowellen Diese Wellen sind genau wie sichtbares Licht elektromagnetische Wellen, sie haben nur eine sehr viel größere Wellenlänge. Ihr Vorteil ist, dass sie von Gas und Staub nicht so stark geschluckt werden. Die Schwarzen Löcher sind in der Regel von großen Mengen Gas und Staub umgeben, so dass sich der Ereignishorizont nur mit Radiowellen erspähen lässt.

Ereignishorizont Als Ereignishorizont (englisch: Event horizon) bezeichnen Wissenschaftler die Grenze um ein Schwarzes Loch, hinter die sich nicht blicken lässt, weil aus dem Bereich dahinter nichts, nicht einmal Licht, entkommen kann. Die Daten der Teleskope werden mit speziellen Supercomputern kombiniert, so dass sich ein gigantisches virtuelles Teleskop vom Durchmesser der Erde ergibt.

Schatten Bei Schwarzen Löchern wie Sagittarius A* oder M87 zeigt sich ein leuchtender Ring um einen dunklen Kern. Diesen dunklen Bereich bezeichnen die Forscher als Schatten des Schwarzen Lochs. Er ist etwa doppelt so groß wie der eigentliche Ereignishorizont, weil das Licht durch die starke Gravitation um das Schwarze Loch herum gelenkt wird und somit sowohl Vorder- als auch Rückseite des Objekts zu sehen sind.

Akkretionsscheibe Bei dem leuchtenden Ring handelt es sich um aufgeheiztes Gas, das um das Schwarze Loch herumwirbelt, die sogenannte Akkretionsscheibe. Die Gravitation zwingt auch die von diesem Gas ausgehende Strahlung auf gekrümmte Bahnen und sorgt so für einen verzerrten Blick auf die Umgebung des Schwarzen Lochs.

Masse Viele Schwarze Löcher verleiben sich neue Materie ein. Diese Materie fällt aber nicht auf direktem Weg ins Schwarze Loch. Stattdessen sammelt sie sich auf einer immer schneller rotierenden Scheibe – ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fließt. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe wird die Materie durch gegenseitige Reibung Millionen Grad heiß und leuchtet dadurch hell auf, bevor sie im Schlund des Schwerkraftmonsters für immer verschwindet. Schwarze Löcher besitzen zwar unvorstellbar viel Masse, sind dabei aber sehr klein. Ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Erde wäre beispielsweise nur so groß wie eine Kirsche.

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Erstellt:
9. September 2024, 16:22 Uhr
Aktualisiert:
9. September 2024, 16:32 Uhr

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