Naturschützer: Kein Windkraft-Ausbau ohne Artenschutz

dpa/lsw Radolfzell. In Baden-Württemberg müssen sich dringend mehr Windräder drehen, damit das Land seine Klimaziele erreicht. Auch die Umweltschützer setzen natürlich auf Erneuerbare Energien. Windräder soll es aber nicht auf Kosten von Natur- und Artenschutz geben, fordern sie.

Ein Windrad eines Windparks. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Ein Windrad eines Windparks. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Der deutliche Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg kann nach Ansicht von Umweltschützern nur funktionieren, wenn auch seltene Tiere und die Natur stärker geschützt werden. „Das wird nur vorankommen, wenn zu sehen ist, dass es auch an anderer Stelle vorwärtsgeht“, sagten die Vorsitzenden der beiden großen Landesverbände, Johannes Enssle (NABU) und Sylvia Pilarsky-Grosch (BUND), am Freitag im Rahmen der ersten digitalen Naturschutztage in Radolfzell. Klima- und Artenschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Unter anderem müssten Vogel- und Fledermausarten besonders unterstützt werden, damit auf zwei Prozent der Landesfläche wie geplant 1000 neue Windräder entstehen könnten.

Die Kosten für Personal, Artenhilfsprogramme und ein Artenmonitoring - eine Art Bestandserfassung - schätzen der Naturschutzbund (Nabu) und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf 15 bis 20 Millionen Euro jährlich. „Klima- und Artenschutz gibt es nicht umsonst“, sagten Enssle und Pilarsky-Grosch. Außerdem könnten Konflikte umgangen werden, wenn Öffentlichkeit und Verbänden früh genug und ergebnisoffen beteiligt würden. „Die Öffentlichkeitsbeteiligung kann dazu beitragen, Konflikte zu befrieden“, sagte Pilarsky-Grosch. Außerdem dürften nicht mehr als die bereits angekündigten zwei Prozent der Landesfläche für den Ausbau zur Verfügung gestellt werden.

Es müsse sichergestellt sein, „dass sich der Erhaltungszustand der Populationen von windenergiesensiblen Arten auf landesweiter Ebene nicht verschlechtert“, heißt es in einem Forderungskatalog der Verbände. Hilfsprogramme zum Schutz von Fledermaus- und Vogelarten müssten gesetzlich verankert und verbindlich umgesetzt werden. Möglich sei unter anderem, Sommer- und Winterquartiere zu sichern und in der Landwirtschaft mehr insektenfreundliche Blühflächen anzulegen. „Für windenergiesensible Vogelarten wie Rotmilan, Wespenbussard oder Schwarzstorch können im Wald Schutzzonen rund um den Horst errichtet, Nahrungshabitate passend gestaltet und Acker- und Grünland vogelfreundlich bewirtschaftet werden“, schlagen die Verbände vor.

Mit einem großen Teil ihrer Forderungen entsprechen Nabu und BUND auch den Vorschlägen der neu eingerichteten „Task Force“ zum Ausbau der Windkraft. „Wir haben im Moment noch keine Konfliktfelder“, sagte Pilarsky-Grosch. Allerdings fehlten konkrete Zusagen zum Beispiel zu Hilfsprogrammen für seltene Arten, sagte Enssle.

Mit den Ideen des Expertengremiums will das Land vor allem für mehr Flächen für Windkraft- und Solaranlagen sorgen und Genehmigungsverfahren entschlacken. Unter anderem sollen Anträge, Gutachten und Stellungnahmen zu Planung und Bau von Windrädern digitalisiert und schneller auf Vollständigkeit überprüft werden. Geplant ist aber auch, neben dem Staatswald Landschaftsschutzgebiete zu öffnen. Angekündigt hat Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) zudem artenschutzrechtliche Ausnahmen, damit trotz Konflikten mit den Tierschützern häufiger Windkraftanlagen gebaut werden könnten.

Walker nannte die Energiewende am Freitag „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, bei der auch die Umwelt- und Naturschutzverbände mitgenommen würden. „Mir ist ganz wichtig, dass wir beim Ausbau dabei den Klimaschutz nicht gegen den Naturschutz ausspielen“ sagte sie. „Denn wir müssen beide große Krisen unserer Zeit in den Griff bekommen, den Klimawandel und den Erhalt unser biologischen Vielfalt.“

Druck und Tempo beim Ausbau der Windkraft sind nötig, denn der Bau von Windrädern ist eingebrochen. Die Genehmigungsverfahren sind lang, der Protest ist laut. Ende 2020 waren im Südwesten nur 731 Anlagen in Betrieb, das sind gerade einmal zwölf mehr als im Jahr zuvor. Zum Vergleich: In Niedersachsen stehen mehr als 6350 Windräder. Derzeit dauert es im Südwesten zwischen sechs und sieben Jahren, bis ein Windpark steht. Zahlen für das vergangene Jahr liegen dem Umweltministerium nach eigenen Angaben noch nicht vor.

© dpa-infocom, dpa:220107-99-625968/4

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Erstellt:
7. Januar 2022, 14:00 Uhr

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