„Wir bluten, aber was sollen wir machen?“
Der Spritpreis steigt und steigt. Viele Unternehmen sind aber aufs Auto oder den Lkw angewiesen. Betroffen sind beispielsweise Logistik- und Busunternehmer sowie Pflegedienste, Taxifahrer und Fahrschullehrer. Sie alle hoffen auf eine Steuerreduzierung seitens der Bundesregierung.

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Wenn Ulmschneider-Fahrer Lukas Kocieda seinen Brummi volltankt, stehen derzeit locker 1000 Euro auf dem Zapfsäulendisplay. Foto: A. Becher
Von Florian Muhl
Backnang/Murrhardt. Über den Witz „Mir ist der Spritpreis egal, ich tank sowieso immer nur für 20 Euro“ kann derzeit niemand mehr lachen. Dieser Tage drückt es einem an der Zapfsäule eher die Tränen aus den Augen. Die Energiepreise sind in diesem Winter um bis zu 40 Prozent gestiegen und treffen nicht nur Haushalte mit geringen Einkommen und die Mittelschicht. Besonders Unternehmen, die aufs Auto angewiesen sind, trifft der Preisanstieg von Super und vor allem von Diesel sehr hart.
Das Backnanger Unternehmen Ulmschneider Logistik hat 15 Zugmaschinen in Waldrems, die jeden Monat innerhalb von Deutschland zwischen 155000 und 160000 Kilometer abspulen, meist auf dem Weg ins Ruhrgebiet oder nach Ostwestfalen. „Wir verzeichnen beim Diesel Mehrkosten von 30000 Euro im Monat im Vergleich zum Januar“, sagt Geschäftsführer Patrick Wendler. „Das trifft uns schon hart.“ Mit den meisten Kunden gebe es eine vertraglich vereinbarte Dieselpreisklausel. Das heißt, man hält einen Literpreis fest. Bei Schwankungen von fünf bis zehn Prozent passiert nichts. Bewegt sich der Preis allerdings extrem nach oben oder unten, wird nachberechnet. Allerdings nur quartalsweise. Wendler tritt also in Vorleistung. Und das sind derzeit hohe Beträge.
Mit den Kunden, mit denen keine solche Klausel vereinbart wurde, hat er „gute Lösungen gefunden“, sagt der Geschäftsführer. Mit wieder anderen Kunden würde er Tagespreise verhandeln. Um sein Unternehmen mache er sich keine Sorgen, aber es gebe viele kleinere Betriebe, die nur mit fünf bis zehn Lkw unterwegs seien und zum Teil in Knebelverträgen steckten, die würden Insolvenz anmelden müssen. Wendler: „Es muss auf jeden Fall was passieren, sonst gehen zu viele Mittelständler kaputt.“
„Was willst du da noch machen?“, sagt der Murrhardter Busunternehmer Gerd Böltz, auf die Spritpreise angesprochen. Sein Lachen klingt nach Galgenhumor. Elf Busse hat er in dem Betrieb, den sein Großvater 1949 gegründet und 1963 sein Vater übernommen hat und in dem sein Sohn ebenfalls mitarbeitet. „Wie willst du kalkulieren?“, habe er seinen Sohn gefragt. „Wir haben jetzt mit 2,30 Euro gerechnet“, sagt der 62-Jährige. „Aber wenn der Diesel mal drei Euro kostet, was machen wir dann?“ In dem Fall müsse er bei seinen Reisen nachberechnen.
Aber derzeit ist eh Flaute. Warum, weiß Böltz auch nicht genau. Erst Corona. In den vergangenen zwei Jahren gab es Zeiten, da war keiner der elf Busse angemeldet oder auch mal nur einer. Derzeit sind es vier. Mit denen fuhr er Skifahrer in Winterparadiese. „Und jetzt fliegen Bomben runter und die Energiepreise steigen.“ In Polen habe er vor Kurzem noch für 1,17 Euro getankt. „Die haben die Mehrwertsteuer ausgesetzt. Aber was macht dann der Staat ohne Einnahmen?“ In Deutschland würde eine Steuer nach der anderen auf den Spritpreis draufgesattelt. Das ärgere ihn sehr. Er habe den Verdacht, dass die Preise derzeit künstlich hochgeschraubt werden, denn es werde doch Öl gefördert und auch geliefert.
Auch der Backnanger Taxiunternehmer Peter Scheib hält die hohen Treibstoffkosten für „eine große Abzocke“. In den Nachbarländern seien die Spritpreise doch auch günstiger. Schon drei Cent weniger pro Liter würden was bringen. „Wir können die Preiserhöhungen an der Zapfsäule nicht einfach an unsere Kunden weitergeben“, sagt der 39-Jährige, der einer von drei Geschäftsführern von Taxi-Scheib ist. Die Tarife werden vom Landkreis festgelegt. „Wenn die neu berechnet werden, dauert das ein halbes Jahr, bis sie gelten.“ Dann aber kommen auf das jeweilige Taxiunternehmen noch Kosten für die Umstellung der Uhren und deren Eichung zu. Zudem steige ab Oktober noch der Mindestlohn auf zwölf Euro, den er seinem fest angestellten Fahrer zahlen müsste. Trotzdem, Scheib ist zuversichtlich und rechnet damit, dass die Spritpreise in den nächsten vier bis sechs Wochen wieder fallen werden, „aber wahrscheinlich nicht weit unter zwei Euro“.
Die Diakoniestation Backnang im Staigacker hats gut, könnte man meinen. Denn: „Wir haben zehn Autos, die fahren alle elektrisch“, sagt Geschäftsführerin Vanessa Binder. Die Freude war groß, als sie endlich im Januar ausgeliefert wurden. Denn bestellt worden waren sie bereits im Juni 2020. Und dennoch: „Wir haben auch das Problem der hohen Spritpreise, in der Nachbarschaftshilfe.“ Acht Touren gebe es jeden Tag. Und nur drei Mitarbeiterinnen könnten auf ein E-Auto zurückgreifen, fünf müssten ihr eigenes nehmen. Damit ein Ausgleich geschaffen werde, gibt es bei der Fahrzeugverteilung ein rollierendes System. Vergütet werde bislang noch die normale Pauschale. „Wir überlegen uns gerade, diese vorübergehend zu erhöhen“, sagt Binder. Es sei noch nichts beschlossen, werde aber noch in dieser Woche thematisiert.
Fahrschullehrer David Aggelidakis von David’s Fahrschul-Akademie Backnang sagt: „Wir bluten, aber was sollen wir machen? Momentan müssen wir das akzeptieren.“ Die hohen Spritpreise weitergeben an die Fahrschüler kann und will er nicht, weil es bestehende Verträge gibt. „In ein, zwei Monaten müssen wir schauen, ob wir für Neukunden eventuell die Preise anpassen.“
Viel auf den Straßen unterwegs ist auch die Polizei. „Unsere Streifen fahren aber nicht zum Spaß umher“, sagt Rudolf Biehlmaier, Sprecher der Polizeidirektion Aalen. Natürlich würden die hohen Kraftstoffpreise auch den eigenen Haushalt belasten. Allerdings gebe es keine aktuellen Vorgaben, um beispielsweise Fahrten einzuschränken. Generell seien die Kollegen aber angewiesen, beim Tanken auf den aktuellen Preis zu achten und – wie es viele Privatleute auch machen – in günstigen Zeiten zu tanken.
Appell Die Backnanger CDU-Bundestagsabgeordnete Inge Gräßle fordert von der Bundesregierung: „Die Bürgerinnen und Bürger brauchen Steuer- und Abgabenentlastungen wegen der starken Preiserhöhungen für Sprit, Strom und Gas.“
Andere europäische Staaten hätten nach der Verständigung auf EU-Ebene bereits gehandelt. „Die Bundesregierung muss nachziehen und endlich wirksame Maßnahmen für alle ergreifen (...). Sie darf der Explosion der Energiepreise nicht weiter tatenlos zusehen“, so Gräßle.
Die bisherigen Maßnahmen der Regierung wie die Abschaffung der EEG-Umlage zur Mitte dieses Jahres oder die nur leicht erhöhte Pendlerpauschale glichen nur einen Bruchteil der Teuerung aus. Wichtig seien weitere Steuer- und Abgabensenkungen auf Strom-, Gas- und Fernwärmelieferungen für die Jahre 2022 und 2023.
„Wenn wir zum Beispiel für Kraftstoffe statt der 19 Prozent Mehrwertsteuer nur den ermäßigten Satz von 7 Prozent hätten, würde das bei den aktuellen Preisen rund 22 Cent pro Liter ausmachen – das wäre schon eine spürbare Entlastung“, so Gräßle. Außerdem müsse der Einkommensteuertarif an die unerwartet hohe Inflation angepasst und mit der Einführung eines Industriepreisstroms eine wettbewerbsfähige Energieversorgung unserer Unternehmen gesichert werden.