Stuttgarter Familienunternehmer Lapp

„Wir sind ein zu bequemes Volk geworden“

Wie auch andere Familienunternehmen leidet Matthias Lapp unter der Bürokratie in Deutschland. Aber es hapere auch an der Einstellung, betont der 42-Jährige. Warum Trump das USA-Geschäft ankurbelt und wer ihm den Rücken freihält, verrät er im Interview.

„Wir sollten jetzt handeln und nicht darüber sprechen, was nicht funktioniert“, fordert  Lapp-Chef Matthias Lapp.

© dpa/Bernd Weißbrod

„Wir sollten jetzt handeln und nicht darüber sprechen, was nicht funktioniert“, fordert Lapp-Chef Matthias Lapp.

Von Daniel Gräfe

Matthias Lapp führt in Stuttgart das Familienunternehmen Lapp in dritter Generation. Der Weltmarktführer für Spezialkabel leidet derzeit allerdings unter der schlechten Konjunktur in Deutschland, der Umsatz im Geschäftsjahr 2024 sank. Wie hält Lapp das Unternehmen und seine knapp 6000 Beschäftigten dennoch auf Kurs?

Herr Lapp, wie erklären Sie auf einer Party, was Sie eigentlich machen?

Bei Lapp arbeiten wir daran, dass wir die Welt durch unsere Kabel und Verbindungstechnologie am Laufen halten, wir sind die Nervenbahnen der Industrie. Auf der Party würden die Computer, das Licht und die Turntables des DJ nicht ohne unsere Produkte funktionieren.

Die Geschäfte liefen im vergangenen Geschäftsjahr in Europa und insbesondere Deutschland schlecht. Wird Europa zum Auslaufmodell?

Auf keinen Fall. Europa ist durch die Zusammenarbeit stark geworden, dass das große Ganze mehr ist als der einzelne Staat. In den nächsten Jahren müssen wir noch mehr Europa wagen.

Woran hakt es in Deutschland am meisten?

Die Bürokratie und die Regulatorik sind viel zu groß. Die Energiepreise sind zu hoch und schlecht planbar. Wir investieren ja nicht kurzfristig für die kommenden Jahre, sondern planen für die nächste Generation.

Was erwarten Sie sich von einer neuen Bundesregierung ganz konkret?

Sie muss verlässliche wie planbare Rahmenbedingungen schaffen. Sie muss Bürokratie abbauen, damit wir im weltweiten Wettbewerb keine Nachteile haben. Das betrifft zum Beispiel das Lieferkettengesetz.

Das klingt stark nach dem CDU-Programm. Ihr Onkel hat 2021 vor der vergangenen Bundestagswahl 100 000 Euro an die CDU gespendet. Spenden Sie auch?

Zu Spenden oder Parteipolitik mache ich keine Aussagen. Aber ich würde mir wünschen, dass wir in der politischen Diskussion wieder mehr über die großen wirtschaftspolitischen Themen als lediglich über Migration sprechen würden.

US-Präsident Donald Trump hat für europäische Produkte Zölle angekündigt. Spüren Sie schon die Auswirkungen?

Für Lapp sind Zölle nur begrenzt relevant. Seit etlichen Jahren haben wir die klare Strategie, dass wir fast überall vor Ort für den lokalen Bedarf produzieren, das gilt auch für die USA. Deshalb hängen wir auch weniger von Importen ab. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass Zölle und Tarife dem Handel noch nie geholfen haben.

Kurbelt Trump Ihr USA-Geschäft an?

Der Fokus auf „made in USA“ hilft uns auf dem amerikanischen Markt, wir werden in diesem Jahr dort wachsen. Auch weil mehr in Anlagen und Produktionshallen investiert wird. Zudem wird nach einer Wahl erfahrungsgemäß mehr für Straßenbau und Unternehmensgeschäfte ausgegeben als in einem Wahljahr selbst, weil die Rahmenbedingungen der neuen Regierung feststehen.

Sie behaupten von sich, auch in Krisenzeiten Investitionen nicht zurückzuschrauben.

Wir glauben, dass nach jeder wirtschaftlichen Flaute Wachstum kommt – auch in Europa. Zudem haben wir 2021 eine Strategie vereinbart, in mehr Ländern zu produzieren, um vom deutschen und europäischen Markt weniger stark abhängig zu sein. Wir priorisieren dabei stark.

Sie sind Vater zweier kleiner Kinder. Wie gut schaffen Sie es, Familie und Unternehmensführung miteinander zu vereinbaren?

Das steht und fällt mit meiner Frau, ohne sie wäre es mir nicht möglich, ein Unternehmen zu leiten. Am Wochenende versuche ich, für meine Familie da zu sein und nicht zu reisen und möglichst wenige E-Mails zu schreiben.

Achten Sie bei Lapp darauf, dass Termine nicht zu Randzeiten stattfinden, damit Beschäftigte auch das Kind von der Kita abholen können?

Bei uns in Europa finden die Kernmeetings um die Mittagszeit statt, auch sonst gibt es wenige Abend-Konferenzen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich kurzfristig um das Kind zu kümmern und danach zur Arbeit zurückzukehren – das hybride Arbeiten ist das neue Normal. Gleiches gilt für die Betreuung pflegebedürftiger Eltern, was vor allem die Beschäftigten über 50 betrifft.

Unterscheiden Sie sich mir dieser Unternehmenskultur von Ihrem Vater und Onkel?

Es hat einen Wandel gegeben, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat sich weiterentwickelt. Das klappt nur, wenn die Führungsspitze das selbst praktiziert und vorlebt.

Welche drei Werte sind Ihnen am wichtigsten?

Mut, Vertrauen und Integrität. Ich denke, ich tue, was ich sage, und ich sage, was ich tue. Als Unternehmer muss man Entscheidungen treffen und auch Risiken eingehen. Leider wollen heute nur noch wenige Verantwortung tragen. Wichtig ist es aber auch, seinem Team Vertrauen zu schenken.

Sind die Bürgerinnen und Bürger zu bequem geworden?

In Summe sind wir ein zu bequemes Volk geworden. Dabei haben wir alle Grundvoraussetzungen. Unsere Eltern und Großeltern haben uns durch viel Arbeit und ein Wir-Gefühl in eine solide Ausgangsposition gebracht. Mit der gleichen Einstellung sollten wir mehr anpacken und unsere Möglichkeiten, wie die fast kostenlose Bildung, nutzen. Wir sollten jetzt handeln und nicht darüber sprechen, was nicht funktioniert.

Chef eines Weltmarktführers

UnternehmenschefMatthias Lapp, 1982 in Stuttgart geboren, studierte in München und Amsterdam BWL. 2010 stieg er als Vorstandsassistent bei Lapp ein, leitete später den Export und übernahm die Verantwortung für die europäischen Märkte. Seit Oktober 2022 ist er Vorstandsvorsitzender.

BilanzBei Lapp ging der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr 2024 (das vergangenen September endete) um gut fünf Prozent auf 1,82 Milliarden Euro zurück. Das Jahr zuvor hatte das Unternehmen noch einen Rekordumsatz erzielt. Zum Gewinn machte Lapp keine konkreten Angaben. Das Unternehmen habe aber schwarze Zahlen geschrieben.

UrsachenDie Umsätze gingen in Deutschland (rund minus 15 Prozent) wie auch europaweit (minus 9 Prozent) besonders stark zurück. Das Europageschäft macht bei Lapp knapp 70 Prozent der Erlöse aus. Dagegen wuchs Lapp vor allem in Indien und Südkorea stark. BeschäftigteLapp fertigt an 26 internationalen Standorten und ist in insgesamt über 80 Ländern aktiv. Zum 30. September 2024 zählte Lapp weltweit rund 5700 Beschäftigte, davon etwa 1400 in der Region Stuttgart.

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Erstellt:
3. Februar 2025, 17:06 Uhr

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