Jahrgänge 1965 bis 1979

Wird die Generation X im Job übergangen?

Unternehmen vernachlässigen in ihrer Personalplanung die Generation X, sagt Martin Klaffke, Professor für Personalmanagement an der HTW Berlin. Das mindere auch die Karrierechancen.

Forscher Martin Klaffke, Jahrgang 1971, gehört selbst der Generation X an.

© © HTW Berlin/Alexander Rentsch

Forscher Martin Klaffke, Jahrgang 1971, gehört selbst der Generation X an.

Von Daniel Gräfe

Die Generation X, die die Jahrgänge 1965 bis 1979 umfasst, führt medial wie auch in den Unternehmen ein Schattendasein. Ein Fehler, meint Martin Klaffke, der zum sogenannten Generationen-Management forscht. Doch was genau sollte sich ändern?

Herr Klaffke, alle reden über die Babyboomer und die Generation Z. Warum steht die Generation X in den Unternehmen kaum im Fokus?

Die Vertreter der Generation X sind heute Mitte 40 bis Mitte 50 – sie gehen weder in Rente, noch fangen sie im Berufsleben neu an. Da denken sich viele Unternehmen, dass sie sich um diese Altersgruppe nicht besonders kümmern müssen.

Warum fordert die Generation X nicht selbst mehr Aufmerksamkeit ein?

Momentan ist diese Generation noch oft mit Kindererziehung und auch schon mit der Pflege der Eltern beschäftigt oder zahlt Eigentum ab. Da spielen die Sicherheit des Arbeitsplatzes und ein hohes Gehalt eine wichtige Rolle.

Was eint die Jahrgänge zwischen 1965 und 1979?

Sie wuchsen in Zeiten von Tschernobyl, Aids und Waldsterben auf – aber auch in einer Zeit des zunehmenden Erlebniskonsums, für den der Commodore 64, Videorekorder und Discman stehen. In den 90er Jahren stieg die Jugendarbeitslosigkeit auf bis zu 13 Prozent. Überhaupt Arbeit oder eine Ausbildung zu bekommen, hohe Anforderungen an Flexibilität und Mobilität sowie eine starke Konkurrenzsituation sind wichtige Erfahrungen dieser Generation. Sie lernte früh, dass sie sich anstrengen muss, um etwas zu erreichen. Das unterscheidet sich stark von der aktuell jüngsten Generation Z, die aufgrund ihres demografischen Druckpotenzials nach der Ausbildung eine Stelle quasi sicher hat.

Wie unterschied sich die Arbeitskultur?

Die Arbeitswelt Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre war noch geprägt von Hierarchie-Denken, autoritärer Führung und Statussymbolen wie dem Dienstwagen. Lange Arbeitszeiten galten als Ausdruck von Leistung, hybrides Arbeiten oder die Vier-Tage-Woche waren damals undenkbar. Auszubildenden wurden oft unangenehme Aufgaben übertragen. Diversity und die Förderung einer inklusiven Arbeitskultur steckten, wenn überhaupt, noch ganz am Anfang.

Es heißt, dass die Karrierechancen der Generation X geringer sind. Warum?

Der „Prinz-Charles-Effekt“ wird hier oft genannt, der wegen der robusten Gesundheit seiner Mutter ja erst sehr spät König wurde. Die Frage bei der Generation X ist, ob sie nach Abgang der Babyboomer noch König wird oder überhaupt König werden will. Einerseits steht bereits die jüngere Generation Y am Start, andererseits steht die Generation X vor einer Lebensphase, in der Sinngebung und Selbstverwirklichung an Bedeutung gewinnen.

Wie sähe eine gute Personalpolitik für die Generation X aus?

Generell wünschen sich alle Generationen einen sicheren Arbeitsplatz, ein faires Einkommen und ein wertschätzendes Umfeld im Betrieb. Für die Fachkräftesicherung wichtig ist vor allem eine langfristige Personalplanung, die auch die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt. In einer Hauruck-Aktion Geld auf den Tisch zu legen, ist zu kurz gesprungen. Darum geht es vielen Beschäftigten gar nicht, sie wünschen sich eher mehr Flexibilität, ein bereicherndes Arbeitsumfeld und eine positive Bindung zum Arbeitgeber. Das lässt sich nicht erkaufen, sondern nur mit entsprechenden Werten und mitarbeiterorientiertem Handeln schaffen. Hier haben gerade familiengeführte Unternehmen oft einen Vorteil.

Sie sprechen von Generationen-Management. Was verstehen Sie darunter?

Generation ist neben Gender und Herkunft ein wichtiger Aspekt von Diversität. Unternehmen sollten dieses Miteinander bewusst gestalten und alle Altersgruppen gleichermaßen als Talente betrachten. Generationenvielfalt bietet große Potenziale, vor allem in der digitalen Transformation. Hierzu gehören Perspektivenreichtum, umfassenderes Kundenverständnis und wechselseitiges Lernen. Es reicht aber nicht aus, altersgemischte Teams aufzustellen und sie dem Zufall zu überlassen. Vielmehr bedarf es Führung, die Reibungszonen vermeidet, Team-Spirit schafft und den Blick auf die Stärken der einzelnen Altersgruppen richtet.

Wie schneiden die Unternehmen im Südwesten beim Generationen-Management ab?

Unternehmen der Metallindustrie, Daimler oder Bosch, aber auch die Deutsche Bahn sind das Thema Altersdiversität schon vor gut zehn Jahren angegangen. Insgesamt ist Generationen-Management, wie Diversity allgemein, aber kein einmaliges Projekt, sondern eine Daueraufgabe. Im Grunde geht es um Respekt und die Schaffung einer an den Beschäftigten orientierten Kultur am Arbeitsplatz. Dies zahlt sich aus sowohl bei der Bindung von Fachkräften der Generation X als auch der Gewinnung von jüngeren Nachwuchskräften.

Martin Klaffke forscht zum Generationen-Management

Person Martin Klaffke, Jahrgang 1971, lehrt seit 2013 Personalmanagement an der HTW Berlin und leitet das Hamburg Institute of Change Management. Er forscht zur Gestaltung zukunftsorientierter Arbeitswelten und zum Generationen-Management.

Generation X Die Generation X umfasst landläufig die Jahrgänge 1965 bis 1980. Sie folgt damit der Generation der Babyboomer (1946 bis 1964) und geht den Generationen Y (1980 bis 1995) und Z (1996 bis 2012) voraus. Die Angabe der Jahrgänge ist wissenschaftlich umstritten und kann variieren.

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Erstellt:
2. August 2024, 09:24 Uhr
Aktualisiert:
2. August 2024, 09:55 Uhr

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