Verkehr
Wissing für bessere Pendler-Umstiege auf dem Land
In vielen ländlichen Gegenden ist es mit den «Öffentlichen» schwierig: Busse fahren selten, zu einem Bahnhof ist es weit. Bleibt nur das Auto? Der Verkehrsminister setzt auf mehr Verknüpfung.
Von Von Andreas Hoenig, Sascha Meyer und Fabian Nitschmann, dpa
Berlin - Bundesverkehrsminister Volker Wissing wirbt für den Ausbau von Umsteigeknoten auf dem Land, um Pendlern eine kombinierte Nutzung von Auto und Bahn zu erleichtern. "Wir brauchen mehr attraktive Umstiegsmöglichkeiten in der Fläche", sagte der FDP-Politiker der dpa.
"Die Länder könnten für sich überlegen, welche Standorte in welchen Regionen für solche Umstiegs-Hubs am besten wären. Von dort könnten dann Schienenverbindungen in die Metropolregion mit enger Taktung angeboten werden." Mit dem günstigen Deutschlandticket könne man sich eine "Flatrate" für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nun auch viel besser zusätzlich zum Auto leisten.
Wissing sagte: "Es geht um Bahnhöfe, die Menschen aus der Umgebung gut erreichen können." Dort müssten Parkplätze zur Verfügung stehen, eine gute Bus-Anbindung, Radwege oder auch Fahrradparkhäuser und Ladestationen. "Ich bin überzeugt, dass viel mehr Menschen dann den ÖPNV nutzen werden."
Man könne es so organisieren, dass sie nicht zwischen Auto oder ÖPNV entscheiden müssten, sondern beides nutzen könnten. Umsteigepunkte wären im Inneren der Metropolen schwieriger, weil es dort kaum Raum für Parkplätze oder Fahrradparkhäuser gibt.
Chance für CO2-Einsparungen
"Wir können erreichen, dass ein Pendler statt 100 Kilometer pro Strecke mit dem Auto bis zur Arbeit vielleicht noch 20 oder 25 Kilometer zu einem Umstiegs-Hub fährt", sagte Wissing. "Das wären dann bis zu 150 Kilometer weniger pro Tag - ein riesiges CO2-Einsparpotenzial." Wenn ein Berufspendler auf dem Land vom Auto umsteige, bewirke es für den Klimaschutz ein Vielfaches, als wenn Berufspendler zum Beispiel in Berlin umsteigen. "Denn die fahren am Tag weniger Kilometer."
Der Minister machte deutlich, dass das Deutschlandticket für 49 Euro im Monat im ländlichen Raum eine starke Entlastung und Vereinfachung bringe, weil es dort im Gegensatz zu urbanen Zentren kaum bezahlbare Flatrate-Tarife gegeben habe. "Monatskarten für Pendler auf dem Land waren bisher viel teurer als in der Stadt." Es brauche aber nicht nur eine Veränderung des Tarifs, sondern jetzt auch eine Verbesserung des Angebots.
"Ich glaube, dass es in Deutschland dringend notwendig ist, dass wir die Strukturen im ländlichen Raum auf mehr multimodalen Verkehr ausrichten", sagte Wissing. "Die komfortable Flexibilität des Autos und die Effizienz der Schiene lassen sich miteinander kombinieren, wenn die Infrastruktur stimmt. Das ist ein konstruktiver Ansatz, der uns weiterbringt." Zu denken, man könne Menschen in einer freien Gesellschaft mit staatlichen Zwangsmaßnahmen veranlassen, ihr Leben zu ändern, sei weltfremd.
Der FDP-Politiker erläuterte mit Blick auf das Verkehrsangebot auf dem Land: "Wenn der Bus bisher alle drei Stunden kommt und künftig alle zwei Stunden - was wäre das für eine Verbesserung? Da bleiben die Leute beim Auto." In jedem Dorf einen 20-Minuten-Takt mit dem Bus hinzubekommen, sei auch nicht realistisch. "Alle Planer wissen, dass es dafür nicht ausreichend Fachkräfte gäbe und die Nachfrage auf den einzelnen Strecken oftmals nicht ausreichen würde."
Deutschlandticket weniger auf dem Land genutzt
Das seit mehr als einem Jahr geltende Deutschlandticket im bundesweiten Nah- und Regionalverkehr hat nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im Schnitt 11,2 Millionen Abonnenten im Monat. Es ist bisher aber vor allem ein Ticket, das in urbanen Regionen genutzt wird. Laut VDV kommen nur 21 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer aus dem ländlichen Raum.
VDV-Umfragen zufolge steigen zwar rund 16 Prozent der Deutschlandticket-Nutzer seltener ins Auto, seit sie das Abo haben. Trotzdem habe die Verkehrsverlagerung bisher nicht in dem erhofften Maße stattgefunden. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern beraten seit längerem über einen Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV. Die Länder fordern außerdem vom Bund eine stärkere Erhöhung der milliardenschweren Regionalisierungsmittel, mit denen Leistungen bei Verkehrsunternehmen bestellt werden.
Marissa Reiserer, Greenpeace-Verkehrsexpertin, sagte: "Gut, dass der Verkehrsminister über eine bessere ÖPNV-Anbindung der Menschen auf dem Land nachdenkt. Den ersten Schritt dazu kann er selbst tun, in dem er den finanziellen Spielraum der Bundesländer über die Regionalisierungsmittel erhöht und die Zukunft des Deutschlandtickets mit einer langfristigen Zusage absichert."