Krieg in der Ukraine
Wo die Leopard kämpfen, gibt die Landschaft vor
Das Gelände macht es unwahrscheinlich, dass die deutschen Kampfpanzer in der Ukraine nahe der Grenze zu Russland eingesetzt werden.

© AFP/Ronny Hartmann
Ein Leopard-2-A6-Kampfpanzer beim Schießtraining auf dem Truppenübungsplatz Munster in Niedersachsen: kein Panzer für die Grenze zu Russland
Von Franz Feyder
Ausrüstung für etwa 15 000 ukrainische Soldaten wollen Deutschland, Finnland, Großbritannien, die Niederlande, Norwegen, Spanien und die USA der Ukraine liefern. Damit sollen drei gepanzerte Brigaden mit Kampf- und sie begleitende Schützenpanzer ausgerüstet werden. Derzeit verfügt das ukrainische Heer über sechs solcher Brigaden, die mit teils veraltetem russischem Kriegsgerät ausgestattet sind.
Das moderne westliche Kriegsgerät könnte zu der Wende des Krieges führen, die dem russischen Diktator Wladimir Putin deutlich macht, dass er diesen Krieg nicht gewinnen kann und weiter hohe Verluste hinnehmen muss. Die russische Wirtschaft, so sind die Analysten der US-Denkfabrik School of Advanced International Studies (Sais) überzeugt, ist seit vergangenem Sommer nicht mehr in der Lage, materiell die Verluste in der Ukraine auszugleichen. Eliot Cohen, Direktor des Strategic Studies Dezernats der Sais, sagt: „Jeden toten Soldaten muss Russland durch einen schlecht ausgebildeten ersetzen. Die Elite der russischen Landstreitkräfte ist tot.“ Deren Heerführer müssen in der erwarteten russischen Frühjahrsoffensive weiter mit Verlusten rechnen.
Im Gegenzug dürften ukrainische Soldaten bis Ende April, Anfang Mai an den Kampf- und Schützenpanzern so ausgebildet sein, dass Panzersoldaten und Panzergrenadiere gemeinsam als Kampfverband auf einem modernen Schlachtfeld agieren und überleben können. Ein Blick in die Ostukraine zeigt, dass das von Russland besetzte Gelände den Einsatz der westlichen Panzer an der Grenze zu Russland nahezu ausschließt.
Landverbindung der Krim im Visier
Derzeit halten ukrainische Truppen östlich der Millionenstadt Charkiw den Fluss Oskil. Ein Angriff zwischen der russischen Grenze und dem Fluss Siwersky Donez in Richtung der Stadt Luhansk würde die ukrainischen Kommandeure vor kaum zu bewältigende Herausforderungen stellen. Das Donezbecken wird von Norden nach Süden von mehreren Flüssen durchschnitten, bei deren Verteidigung russische Truppen im Vorteil sind. Um die Gewässer zu überwinden, müssen zeitaufwendig und verlustreich erst die besetzten Ufer durch Infanteristen genommen, mit Fähren und auf Kriegsbrücken unter russischer Lufthoheit und überlegener Artillerie Panzer übergesetzt werden. Gepanzerte Verbände, wie sie mit den Leopard-Kampf- und Marder- und Bradley-Schützenpanzer gebildet werden, büßen ihre Schnellig- und Beweglichkeit ein.
Kleine Waldstücke kanalisieren die Bewegung von Panzerverbänden, mache diese für Angriffe mit von Infanteristen verschossenen Panzerabwehrlenkraketen verwundbar. Ein strategisches Ziel ist im Großraum um Luhansk nicht erkennbar. Anders ist das Gelände im Südosten, in der Schwarzmeersenke. Hier würde ein Angriff ukrainischer Panzerverbände mit ihrem hohen Tempo und ihrer Beweglichkeit über eine fast baumlose, als Ackerfläche genutzte Ebene schnell Raum gewinnen können. Im September scheiterte eine ukrainische Offensive in diesem Raum daran, dass sie ohne genügende Panzerverbände vorgetragen wurde.
Ziel der ukrainischen Befehlshaber wird es sein, schnell die russischen Stellungen zu durchstoßen, Artilleriefeuer zu unterfahren, die Stellungen der russischen Artillerie zu gewinnen und diese zu vernichten. Zudem werden sie die Nachschublinien der diesen Raum und die Halbinsel Krim verteidigenden vier russischen Armeen zügig unterbrechen und die Schwarzmeerküste erreichen wollen. Eine erfolgreiche Offensive würde die russischen Kräfte spalten, die russische Landverbindung in die Krim unterbrechen.
Rückeroberung Mariupols wäre ein Erfolg
Rückeroberung Mariupols
Daraus können aus strategischer Sicht zwei Optionen entstehen: Zum einen könnten Kräfte zum Angriff auf die Krim antreten, ein erklärtes Ziel des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi. Zum anderen wäre eine Rückeroberung der weitgehend zerstörten Hafenstadt Mariupol möglich, ein psychologischer wie strategischer Erfolg.
Das Gelände der Ostukraine gibt weitgehend vor, wo die ukrainischen Befehlshaber die Leopard-, Abrams-, Challenger-Kampfpanzer und Marder- und Bradley-Schützenpanzer wahrscheinlich einsetzen werden. Beide Panzertypen werden nur zusammen eingesetzt. Ihre Lieferung und eine gute Ausbildung der Soldaten kann die Wende im Ukraine-Krieg bringen.