Neue Studie zu Weißen Haien

Wo die letzten Weißen Haie im Mittelmeer leben

Weiße Haie gelten im Im Mittelmeer als stark gefährdet. Immer wieder sind Forscher daran gescheitert, lebende Exemplare zu finden. Ein Forscherteam aus den USA hat es jetzt mit einer neuen Methode versucht. Die Studie entwickelte  sich zur sprichwörtlichen Suche nach er Nadel im Heuhaufen.

Der Weiße Hai gehört mit einer durchschnittlichen Länge von vier Metern und einer maximalen Länge von über sieben Metern zu den größten Haiarten.

© Imago/Jam Press

Der Weiße Hai gehört mit einer durchschnittlichen Länge von vier Metern und einer maximalen Länge von über sieben Metern zu den größten Haiarten.

Von Markus Brauer/Florian Gut (dpa)

Haie gelten als Killermonster, Fressmaschinen und grausame Räuber. Spätestens seit Steven Spielbergs Film-Schocker „Jaws“ (deutsch: „Der weiße Hai“ gelten Haie als die Schrecken der Meere.

In dem 124-Minuten-Kultfilm macht sich ein überdimensionierter Weißer Hai nicht nur über diverse Boote und menschliche Körper her – gleich zu Beginn verspeist er nächstens eine attraktive blonde Wassernixe –, sondern dringt auch tief ins Unterbewusste vor. Dort, wo die menschliche Urangst vor dem Grauen aus der Tiefe schlummert und nur darauf wartet zu erwachen, mutiert er zum schlimmsten Albtraum wasserliebender Menschen.

Der Mensch ist der Haie größter Feind

Die Realität sieht ganz aus: Nicht der Mensch muss den Hai fürchten, sondern umgekehrt der Hai den Menschen. Nach Angaben der FAO – der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen – werden jährlich 700 000 bis 800 000 Tonnen Knorpelfische aus den Meeren geholt, das meiste davon als Beifang der industriellen Fangflotten. Rund 60 Prozent dieser 70 bis 100 Millionen Fische sind Haie, 40 Prozent Rochen.

Ganz oben auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Fische stehen der Tigerhai, der Hammerhai und Weiße Hai, den Steven Spielberg in „Jaws“ zum Inbegriff des maritimen Schreckens stilisierte.

 

 

Suche nach Weißen Haien im Mittelmeer

Mit der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen vergleicht ein Forschungsteam im Nachhinein seinen Versuch, einen Weißen Ha im Mittelmeer aufzuspüren. Damit macht die Gruppe um Francesco Ferretti von Virginia Tech in Blacksburg klar: Weiße Haie sind selten im Mittelmeer. Doch genau deswegen lohne es sich, nach ihnen zu suchen, schreibt die Gruppe im Fachjournal „Frontiers in Marine Science“.

Pilot expeditions work to preserve the #whiteShark in the Mediterranean Sea @frontiersinhttps://t.co/5v12PS4igT — Phys.org (@physorg_com) October 22, 2024

Stark gefährdete Art

Die Weißen Haie (Carcharodon carcharias) gelten im Mittelmeer als genetisch eigenständige Population. Die Weltnaturschutzunion IUCN stuft sie dort als „stark gefährdet“ ein und geht von maximal nur noch 250 Tieren aus. Das geht aus ihren jüngsten Daten dazu von 2016 hervor.

 

 

Ein Grund dafür ist den Forschern zufolge vor allem die industrielle Fischerei, die sich negativ auf das Nahrungsangebot der Haie auswirke. So sei das Mittelmeer eines der am stärksten ausgebeuteten Meere weltweit.

Anders als etwa in Kalifornien, wo sich die Haie oft in der Nähe von Robbenkolonien aufhalten, gibt es im Mittelmeer keine solchen bekannten Lebensräume. Deswegen sind sie bislang schwer zu finden.

Sehr mühsame Suche

In drei Expeditionen von 2021 bis 2023 suchte das Team aus den USA in der Straße von Sizilien zwischen Italien und Tunesien nach den Tieren. Dabei wollten die Forscher herausfinden, in welchen Gebieten die Haie leben und wie viele es konkret von ihnen noch gibt, um sie besser schützen zu können.

In der Vergangenheit hatten andere Forschungsteams unter anderem versucht, elektronische Tags an den Haien anzubringen, scheiterten aber daran, lebende Tiere zu finden.

 

 

Feine Sinne und lernfähig

Viele denken bei Haien unweigerlich an Mäuler voll säbelspitzer Zähne, an stumpfsinnige Räuber, die alles fressen, was ihnen vor die Schnauze schwimmt. Doch diese Vorstellung hat mit der eigentlichen Natur der formschönen Fische nicht viel zu tun. Haie haben atemberaubend feine Sinne, sie sind lernfähig, und sie schließen zuweilen Freundschaften untereinander.

 

 

Das Team von Ferretti setzte hingegen bei seiner Suche auf Umwelt-DNA (eDNA). Dabei handelt es sich um DNA-Spuren, die Tiere etwa über Ausscheidungen oder Schuppen in der Umwelt hinterlassen. So können Wissenschaftler die Anwesenheit von Tieren nachweisen, ohne sie selbst dafür beobachten zu müssen.

 

 

159 eDNA-Proben von Meeresräubern

Die Forscher stießen dabei aber auf etliche Probleme. Da sie über kein eigenes Forschungsschiff verfügten, waren sie auf Alternativen angewiesen. Dabei handelte es sich entweder um Fischerboote, die allerdings nicht immer zur Verfügung standen, oder um Segelboote und Katamarane, die jedoch wenig Platz boten. Zudem bestand in dem stark befischten Gebiet das Risiko, dass sich die Geräte der Forscher in Fischernetzen verfangen.

 

 

 

 

Dennoch gelang es dem Team 159 eDNA-Proben während ihrer Expeditionen zu sammeln und somit an vier Standorten Weiße Haie nachzuweisen. Eine genaue Anzahl der Tiere ermittelte es nicht. Mithilfe von Ködern und Kameras versuchten die Forscher, die Tiere auch per Video nachzuweisen. Doch auch hier verhinderten Platzprobleme ein besseres Vorgehen, da sie oftmals nicht genügend Köder mit auf das Boot nehmen konnten.

Küste vor Tunesien einer der letzten Rückzugsorte

Die tatsächliche Sichtung eines Weißen Hais gelang dem Forscherteam nicht, dennoch wertete es seine Expeditionen als Erfolg. So seien die gesammelten Daten und Informationen hilfreich für weitere, künftige Expeditionen.

Zudem habe man herausgefunden, dass die Küste vor Tunesien wohl einer der letzten Rückzugsorte der Haie ist. Dort hatten die Forscher die meisten der eDNA-Proben von Weißen Haien gefunden.

 

 

Das Team will seine Bemühungen künftig auf das Gebiet konzentrieren. Schon zuvor sei vermutet worden, dass die Tiere vor allem in der Straße von Sizilien leben. Insgesamt sei es nun unerlässlich ein umfassendes Überwachungsprogramm mit ganzjährigen Aktivitäten zu entwickeln, schreibt das Team.

Info: Sind Haie tatsächlich so gefährlich?

Hai-Arten Die mehr als 500 verschieden Hai-Arten gehören zur Klasse der Knorpelfische. Die meisten Haie fressen Fische und anderen Meerestiere wie Robben. Immer wieder, wenn auch selten, kommt es zu Hai-Attacken auf Menschen. Jedes Jahr werden dem „International Shark Attack File“ (ISAF) in Florida zufolge weltweit 50 bis 80 Haiangriffe auf Menschen gemeldet. Fünf bis zehn davon enden tödlich.

Isaf Die weltweite Datenbank über Hai-Angriffe Isaf wird vom Florida Museum of Natural History der University of Florida in den USA verwaltet und existiert seit 1958. Bis heute haben die Forscher mehr als 4000 Hai-Unfälle dokumentiert, der älteste datiert aus dem Jahr 1580. Jeder bekannt gewordene Angriff von und Unfall mit Haien auf Menschen wird heute von verschiedenen maritimen Organisationen wie dem International Shark Attack File oder dem Global Shark Attack File erfasst und ausgewertet. Die Daten von Haiunfällen sind durch das Shark Accident Victim Network im Internet allen Usern verfügbar.

Lebensraum Haie leben in allen Weltmeeren und marinen Lebensräumen. Sie halten sich häufig in Küstennähe und flachen Küstengewässern auf, weil dort das Nahrungsangebot besonders verlockend ist. Sie leben aber auch in der hohen und tiefen See. Wer in südlichen Gefilden Urlaub machen will, sollte sich genau überlegen, an welchen Traumstränden er ins Wasser geht. In folgenden Küstengewässern fühlen sich Haie besonders wohl:

• New Smyrna Beach, Florida (USA)

• Bolinas Beach, Kalifornien (USA)

• Kahana, West Maui (Hawaii)

• North Shore, Oahu (Hawaii)

• Brisbane (Australien)

• „Shark Alley“, Gansbaai (Südafrika)

• Kosi Bay (Südafrika)

• Umhlanga Rocks, KwaZulu Natal (Südafrika)

• Recife (Brasilien)

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Erstellt:
24. Oktober 2024, 17:54 Uhr
Aktualisiert:
24. Oktober 2024, 18:40 Uhr

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