Intergalaktische Reise

Woher der Kohlenstoff in unserem Körper stammt

Die Kohlenstoffatome in unserem Körper sind weit gereist – einige könnten sogar aus dem intergalaktischen Raum kommen. Nun haben Astronomen einen galaktischen Kreislauf des Kohlenstoffs entdeckt, der diese Atome aus entfernten Galaxien hinaus und wieder zurück befördert.

Künstlerische Darstellung der Erde mit der Milchstraße.

© Imago/YAY Images

Künstlerische Darstellung der Erde mit der Milchstraße.

Von Markus Brauer

Unsere Galaxie, das Milchstraßensystem, hat die Form einer flachen Scheibe mit spiralförmigen Armen und einer Verdickung in der Mitte. Der Durchmesser dieser Scheibe beträgt etwa 120.000 Lichtjahre. Die Anzahl aller Sterne im Milchstraßensystem wird auf rund 200 Milliarden geschätzt.

Die Sternenscheibe der Milchstraße und anderer Galaxien ist von einer ausgedehnten Hülle aus heißen Gasen und Plasma – dem zirkumgalaktischen Medium (CGM) – umgeben. Diese galaktische „Atmosphäre“ spielt als ein Teil des galaktischen Halos eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Wachstum von Galaxien. Sie enthält einen Großteil des für die Sternbildung benötigten Rohstoffnachschubs.

Der Halo – also der galaktische Außenbereich der Milchstraße – besteht aus weit verstreuten, älteren Sternen und Kugelsternhaufen, welche die Galaxie langsam umkreisen. Der Halo beinhaltet 1 Prozent der sichtbaren Materie, aber 95 Prozent der Dunklen Materie. Viele Atome, die heute in Sternen, Planeten und unserem Körper enthalten sind, könnten daher aus dieser Zone stammen.

Galaktischer Güterbahnhof

„Stellen Sie sich das zirkumgalaktische Medium als einen gigantischen Güterbahnhof vor: Ständig strömt Material von dort hinaus, anderes wird hineingezogen“, erklärt Samantha Garza von der University of Washington.

„Die schweren, in Sternen entstandenen Elemente werden durch Supernovae aus der Galaxie in das zirkumgalaktische Medium geschleudert. Von dort können sie aber wieder ins Galaxieninnere zurückgelangen und dann so den Zyklus der Stern- und Planetenbildung weiter vorantreiben.“

Doch wie der Austausch zwischen dem zirkumgalaktischen Medium und der Sternenscheibe funktioniert, ist kaum bekannt. Auch welche Atome in welcher Menge in dieser galaktischen Gashülle vorkommen und welche Rolle dafür die Rate der Sternbildung spielt, ist nur rudimentär bekannt.

Heiße Gashülle enthält auch Kohlenstoff

Jetzt haben Garza und ihr Team eine weitere wichtige Komponente dieser gasförmigen Hüllen von Galaxien, die sich räumlich weit über deren stellaren Körper hinausstrecken nachgewiesen und erstmals quantifiziert: Kohlenstoff.

Um ihn aufzuspüren, analysierten sie das Licht von Quasaren – also den aktiven Kernen von Galaxien –, das durch die Gashüllen von 46 Galaxien strahlt. Daten eines Spektrografen am Hubble-Weltraumteleskop verrieten den Astronomen, welche Atome in den zirkumgalaktischen Medien dieser Galaxien präsent waren.

Die Studie ist im Fachmagazin „The Astrophysical Journal Letters“ erschienen.

The CIViL* Survey: The Discovery of a C iv Dichotomy in the Circumgalactic Medium of L* Galaxies • IOPscience https://t.co/82sKTq0hIGpic.twitter.com/4QRd56BcnL — Nirmata (@En_formare) January 4, 2025

Kohlenstoff in galaktischen Gashüllen

Die Gashülle der Galaxien enthält demnach neben Sauerstoff und anderen Elementen auch Kohlenstoff – und zwar reichlich. Bei 21 der 29 sternbildenden Galaxien – 72 Prozent – konnten die Astronomen die spektrale Signatur ionisierten Kohlenstoffs nachweisen. Von den 13 ruhenden, keine Sterne mehr bildenden Galaxien zeigten nur drei die Kohlenstoff-Signatur.

„Damit können wir nun bestätigen, dass das zirkumgalaktische Medium als riesiges Reservoir für Kohlenstoff und Sauerstoff fungiert“, erklärt Garza. Sternbildende Galaxien weisen zudem häufiger und mehr Kohlenstoff im Halo – also im Außenbereich einer Galaxie – auf als inaktive. Bei einer Galaxie wie der Milchstraße umfasst dieses jenseits der Sternenscheibe liegende Reservoir mindestens drei Millionen Sonnenmassen an Kohlenstoff, wie die Astronomen ermittelten.

Kohlenstoffkreislauf im galaktischen Maßstab

Der in den Gashülle der Milchstraße gebundene Kohlenstoff bleibt nicht für immer. Ein großer Teil der Kohlenstoffatome wird im Verlauf von rund 1,9 Milliarden Jahren wieder von der Schwerkraft des Zentrums angezogen und fällt in die Sternenscheibe zurück.

Wie auf einem gigantischen Förderband wird so der Kohlenstoff erst von den Sternen aus weit nach außen geschleudert, dann wieder zurückgebracht und recycelt.

Bei diesem Prozess gelangen die Kohlenstoffatome bis an die Grenze des intergalaktischen Raums. Die Astronomen haben Kohlenstoff-Signaturen noch 400.000 Lichtjahre vom galaktischen Kern der Milchstraße entfernt entdeckt. Dass entspricht dem rund Vierfachen des Milchstraßen-Durchmessers.

„Dies hat große Bedeutung für die Galaxienentwicklung und den Kohlenstoffnachschub der Sternbildung“, erläutert Koautorin Jessica Werk von der University of Washington. Denn nur wenn dieses „Förderband“ funktioniert, kann eine Galaxie genügend Rohstoff für neue Sterne akquirieren.

Weitgereiste Atome auch im Menschen

Die galaktische Reise des Kohlenstoffs bedeutet aber auch, dass viele Kohlenstoffatome in menschlichen Körper und allen anderen Organismen auf der Erde schon einmal weit jenseits der Sternenscheibe der Milchstraße unterwegs waren. „Der Kohlenstoff in uns hat wahrscheinlich einen signifikanten Teil seiner Zeit außerhalb unserer Galaxie verbracht“, betont Werk.

Einige dieser Kohlenstoffatome in uns könnten sogar extragalaktischer Herkunft sein und aus anderen Galaxien stammen. „Das Gas des zirkumgalaktischen Mediums ist nur ein Teil des großen Reservoirs, das Galaxien als Nachschub für ihre künftige Sternbildung nutzen“, schreiben die Forscher.

Kohlenstoff: Baustein des Lebens im Universum

Extraterrestrisches Leben kann einfache biologische Lebensformen wie Mikrosphären (Molekül-Klumpen), Prionen (Protein-Strukturen), Viren und Prokaryoten (zelluläre Wesen) genauso umfassen wie pflanzliches und tierisches Leben und dem Menschen weit überlegene, komplexere Lebensformen.

Voraussetzung für Leben nicht nur auf der Erde, sondern auch im Universum seien Wasser, Kohlenstoff und Energie. „Die Basis für biologisches Leben gibt es überall“, erläutert der Münchner Physiker und frühere Astronauten Ulrich Walter.

„Die Unwahrscheinlichkeit liegt erstens darin, dass so ein Planet genau die richtige Menge von Energie von einem anderen sonnenähnlichen Stern beziehen muss.“ Ein zweiter kritischer Punkt sei, dass dann aus unbelebter Materie eine erste Zelle entstehe. Andere Formen des Lebens seien kaum denkbar.

Dabei gehe es um die Chemie von Informationsträgern wie die DNA. „Es gibt nur ein einziges chemisches Element, nämlich Silizium, das ähnliche Informationsstränge aufbauen kann wie Kohlenstoff.“

Info: So ist die Milchstraße aufgebaut

Aufbau Das Milchstraßensystem hat die Form einer flachen Scheibe mit spiralförmigen Armen und einer Verdickung in der Mitte. Der Durchmesser dieser Scheibe beträgt etwa 120 000 Lichtjahre. Die Anzahl aller Sterne im Milchstraßensystem wird auf rund 200 Milliarden geschätzt.

Komponenten Wie alle Spiral- und Balkenspiralgalaxien besteht das Milchstraßensystem aus drei Komponenten: Bulge, Halo und Scheibe.

Bulge Der Kern besteht hauptsächlich aus älteren Sternen und enthält 33 Prozent der sichtbaren Materie.

Halo Der galaktische Außenbereich besteht aus weit verstreuten, älteren Sternen und Kugelsternhaufen, welche die Galaxie langsam umkreisen. Der Halo beinhaltet 1 Prozent der sichtbaren Materie, aber 95 Prozent der Dunklen Materie.

Dicke Scheibe Sie erstreckt sich bis zu einem Abstand von etwa 2500 Lichtjahren ober- und unterhalb der galaktischen Ebene, die vorwiegend ältere Sterne enthält.

Dünne Scheibe Sie enthält 65 Prozent der sichtbaren Masse der Galaxie, die dicke Scheibe nur 5 Prozent

Schwarzes Loch Im Zentrum der Milchstraße befindet sich – wie in wohl jeder Galaxie – ein supermassives Schwarzes Loch.

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Erstellt:
9. Januar 2025, 16:20 Uhr
Aktualisiert:
9. Januar 2025, 16:36 Uhr

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