Rätselhafte Signale aus dem Weltall
Woher die mysteriösen kosmischen Radioblitze stammen
Immer wieder registrieren Astronomen im Kosmos Ausbrüche von Radiostrahlung, die nur Millisekunden andauern. Eine neue Analyse dieser kurzen Radioblitze deutet auf den überraschenden Ursprung des mysteriösen Phänomens hin.
Von Rainer Kayser (dpa)/Markus Brauer
Schnelle Radioblitze (Fast Radio Bursts/FRB) dauern nur wenige Millisekunden, können aber so viel Energie freisetzen wie die Sonne im Laufe von 10 000 Jahren. Entdeckt wurde das Phänomen erstmals im Jahr 2007. Seitdem sorgen die plötzlichen Ausbrüche von Radiostrahlung in fernen Galaxien, die nur wenige Millisekunden andauern, für Kopfzerbrechen bei Himmelsforschern.
Woher stammen Radioblitze?
Sich wiederholende schnelle Radioblitze sind ein für die Wissenschaft besonders interessanter astronomischer Sonderfall. Es ist auszuschließen, dass die sich wiederholenden Energieblitze durch kosmischen Katastrophen entstanden sind, bei denen ihre Quelle zerstört wird. So kann sich etwa ein FRB durch das Verschmelzen von zwei Neutronensternen oder eines Neutronensterns mit einem Schwarzen Loch beispielsweise nicht wiederholen.
Welche Rolle spielen Magnetare?
Rätsel geben den Astronomen auch Radioblitze mit besonders großer Wellenlänge von knapp einem Meter auf. Dass es sich dabei um Botschaften von Leben in fernen Galaxien handelt, ist extrem unwahrscheinlich.
Jetzt ist ein Forscherteam aus den USA der Lösung dieses Rätsels einen großen Schritt nähergekommen. Offenbar entstehen kurze Radioblitze durch Neutronensterne mit starken Magnetfeldern – den sogenannten Magnetaren. Allerdings handelt es sich um ganz besondere Magnetare, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ berichten.
Nature research paper: Preferential occurrence of fast radio bursts in massive star-forming galaxies https://t.co/S6T5j5YpNg — nature (@Nature) November 6, 2024
Einfluss von Kernkollaps-Supernovae
„Magnetare entstehen zumeist durch Kernkollaps-Supernovae“, erläutern Kritti Sharma vom California Institute of Technology und ihre Kollegen. Darunter verstehen Astronomen das Ende eines großen, massereichen Sterns.
Hat er seinen nuklearen Energievorrat verbraucht, so stürzt sein Inneres – also der Kern – zusammen und es entsteht ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern, während die äußere Hülle des Sterns explosionsartig ins All abgestoßen wird.
Die frisch entstandenen Neutronensterne besitzen oft starke Magnetfelder. Die Art der Strahlung von Radioblitzen deutet auf solche Magnetare als Ursprung des Phänomens hin.
Das Problem ist nur: Magnetare finden sich vor allem in Regionen mit sehr jungen Sternen. Radioblitze kommen mitunter aber auch aus Gebieten mit sehr alten Sternen. Doch obwohl Radioteleskope seit der ersten Entdeckung über 1000 dieser Ausbrüche registriert haben, ist nur bei wenigen davon der genaue Ursprungsort im Kosmos bekannt.
Ursprungsgalaxie von 26 Radioblitzen entdeckt
Genau hier hat das Team um Sharma angesetzt: Mithilfe einer speziellen Antennenanlage - dem Deep Synoptic Array (DSA) im US-Bundesstaat Kalifornien - gelang es den Forschern, bei 26 Radioblitzen die Ursprungsgalaxie aufzuspüren.
Damit konnte das Team die Anzahl der Radioblitze, für die der Ursprung bekannt ist, verdoppeln. Wie sich zeigte, waren jedoch viele der Galaxien zu weit entfernt für weitere Beobachtungen.
Lediglich 20 der insgesamt 52 Sternsysteme erwiesen sich als geeignet, um mit Hilfe weiterer Beobachtungen mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii und dem Hale-Teleskop auf dem Mount Palomar die Massen der Galaxien genau zu bestimmen. Dabei stießen die Wissenschaftler auf eine Überraschung.
Zunächst einmal bestätigten die Keck-Beobachtungen, dass Radioblitze ihren Ursprung in Regionen mit vielen jungen Sternen haben. Doch unerwartet für die Forscher liegen diese Regionen bevorzugt in großen Galaxien, die ungewöhnlich viele Sterne enthalten.
Im Gegensatz dazu treten Kernkollaps-Supernovae jedoch in allen Galaxien, ob groß oder klein, gleich häufig auf. Gewöhnliche Magnetare, die auf diesem Weg entstehen, können also nicht die Quelle der Radioblitze sein, folgern die Wissenschaftler.
Verschmelzung und Kollaps großer Sterne
Stattdessen verweisen Sharma und ihre Kollegen auf eine andere Möglichkeit der Entstehung von Magnetaren: die Verschmelzung zweier großer Sterne mit anschließendem Kollaps.
Im Kosmos gibt es viele Doppelsterne. In manchen Fällen umkreisen sich beide Sterne auf einer so engen Bahn, dass sie schließlich miteinander verschmelzen. Der Clou dabei: Solche Verschmelzungen sollten tatsächlich in großen Galaxien häufiger auftreten als in kleineren.
Denn große und kleine Galaxien unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung: Die großen Systeme enthalten deutlich mehr schwere Elemente. Die Häufigkeit schwerer Elemente beeinflusst, wie Sterne sich entwickeln. Wie die Astronomen betonen, sind Sterne in einer Umgebung mit mehr schweren Elementen größer und können deshalb leichter miteinander verschmelzen.
Nun gilt es, diesen Ansatz mit weiteren Beobachtungen zu untermauern. Das von dem Team benutzte Deep Synoptic Array kann typischerweise pro Monat bei einem Radioblitz den Ursprung mit ausreichender Genauigkeit bestimmen. Doch in den kommenden Jahren könnten Verbesserungen bei weiteren Radioteleskopen diese Anzahl erheblich erhöhen und so vielleicht das Rätsel der Radioblitze endgültig lösen.
Info: So funktionieren Radioteleskope
Teleskope Die Erkundung des Firmaments mit Hilfe optischer Teleskope ist älter als die Radioastronomie, die erst nach 1945 entstand. Mittels sogenannter Interferometer können die Wissenschaftler Radiowellen messen, die Teil der elektromagnetischen Strahlung sind, die von kosmischen Quellen wie Sternen ausgesandt wird. Für das menschliche Auge sind diese Wellen unsichtbar. Sie müssen mit Hilfe von parabolisch geformten Metallflächen, die wie ein Hohlspiegel Radiowellen sammeln, empfangen und von Hochleistungscomputern in eine Signalsprache übersetzt werden.
Radiowellen Die Teleskope bündeln keine Lichtquellen wie das Hubble-Weltraumteleskop, sondern Radiowellen im Bereich von drei bis 0,3 Submillimeter-Strahlung. Je größer und feiner die Auflösung ist, desto größer auch die Datenmenge. Zum Vergleich: Die für Radio und Fernsehen genutzten Wellen haben eine Größenordnung von drei bis 300 Metern. Das Radioteleskop in Effelsberg in der Eifel beispielsweise gehört mit 100 Meter Durchmesser zu den leistungsfähigsten Teleskopen für die kurzwellige Radiostrahlung von sechs Millimetern bis 70 Zentimeter.