Wohin mit den vielen Geflüchteten?

Die Stadt Backnang plant eine neue Containerunterkunft an der Maubacher Straße. Eine Dauerlösung ist dieser Standort aber nicht.

Zwischen Bahnlinie und Maubacher Straße befindet sich das sogenannte Aurelis-Areal. Dort sollen schon bald geflüchtete Menschen in Containern wohnen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Zwischen Bahnlinie und Maubacher Straße befindet sich das sogenannte Aurelis-Areal. Dort sollen schon bald geflüchtete Menschen in Containern wohnen. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Der starke Anstieg bei den Flüchtlingszahlen bringt Städte und Gemeinden in Bedrängnis. Auch die Stadt Backnang braucht dringend weitere Unterkünfte, obwohl sie in diesem Jahr schon rund 350 Personen aufgenommen hat. Nach heutigem Stand fehlen bis Jahresende noch knapp 120 Plätze. Und die Stadtverwaltung rechnet damit, dass ihr der Landkreis 2023 weitere 400 Personen für die so genannte Anschlussunterbringung zuweisen wird.

Zwar ist es im vergangenen Jahr gelungen, immerhin 150 Geflüchtete in privaten Wohnungen unterzubringen. Allerdings dürfte dieses Potenzial auch irgendwann ausgeschöpft sein. Dann braucht die Stadt eigene Unterkünfte für Menschen, die aus der Ukraine, aus Syrien und anderen Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland kommen. Und sie braucht diese Unterkünfte schnell, denn die Plätze werden bereits in wenigen Monaten gebraucht.

Flüchtlingsunterkunft wurde deutlich verkleinert

Dabei rächt sich nun, dass die Flüchtlingsunterkunft an der Hohenheimer Straße zuletzt deutlich verkleinert wurde, um Platz für die Erweiterung der Waldorfschule zu schaffen. Ersatz an anderer Stelle wurde dafür zunächst nicht geschaffen, eine bereits fertig geplante Unterkunft in der Fabrikstraße wurde nie gebaut. So lässt sich nun auf die Schnelle nur noch eine Containerlösung realisieren. Als Standort hat die Verwaltung dafür das sogenannte Aurelis-Areal an der Maubacher Straße ausgewählt. Auf dem brachliegenden Grundstück an den Bahngleisen soll nach den Plänen der Stadt bis April ein zweistöckiger Containerbau für etwa 60 Personen entstehen.

Oberbürgermeister Maximilian Friedrich warb im Gemeinderat für diese Lösung. Dadurch könne man es vielleicht vermeiden, Flüchtlinge in städtischen Sporthallen unterzubringen, wie es Waiblingen, Winnenden und Schorndorf bereits tun. „Das wollen wir mit allen Kräften verhindern“, sagte Friedrich. Zumal die Hallenkapazitäten in Backnang durch den Abriss der Karl-Euerle-Halle sowieso schon sehr knapp seien.

Stadt sucht Standort für eine „Stand-by-Unterkunft“

Der Gemeinderat stimmte den Plänen bei fünf Gegenstimmen aus den Reihen von AfD und Bürgerforum/FDP/BIG zu. Offen ist noch, ob die Stadt die Container kauft oder mietet. Bei einem Kauf muss sie laut Baudezernent Stefan Setzer mit Gesamtkosten von 2,9 Millionen Euro rechnen, darf allerdings auf einen Zuschuss vom Land in noch unbekannter Höhe hoffen. Bei einer Mietlösung sind die genauen Kosten noch nicht bekannt. Der Gemeinderat erteilte der Verwaltung deshalb die Vollmacht, selbst die wirtschaftlichere Variante auszuwählen.

Die Tendenz geht aber wohl zum Kauf, auch deshalb, weil die Stadt nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre an einer langfristigen Lösung interessiert ist. „Uns wäre es am liebsten, wenn wir einen festen Platz hätten, wo wir die Container immer dann aufstellen können, wenn wir sie brauchen“, erklärte Stefan Setzer. In Zeiten mit geringeren Flüchtlingszahlen könne man die Container dann einlagern, um sie im Falle eines kurzfristigen Bedarfs binnen einer Woche wieder zu aktivieren.

„Die Ukrainer verteidigen gerade unsere europäische Freiheit“

Wo der Standort für eine solche „Stand-by-Unterkunft“ sein könnte, sagte Setzer allerdings nicht. Das Aurelis-Areal kommt wohl nicht infrage, denn dort sollen nach den Plänen der Stadt mittelfristig richtige Wohnungen entstehen. Auch jetzt kann nur ein Teil des Geländes für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden, denn dort befindet sich zurzeit auch noch der Ausweichparkplatz für die Beschäftigten des Gesundheitszentrums, bis das neue Parkdeck an der Karl-Krische-Straße fertig ist.

Im Gemeinderat bekannten sich Vertreter von CDU, Grünen und SPD zu der humanitären Verpflichtung, Menschen in Not aufzunehmen. „Die Ukrainer verteidigen gerade unsere europäische Freiheit“, sagte Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Deshalb sei es unsere Pflicht, Kriegsflüchtlinge aufzunehmen. Das sieht auch Siglinde Lohrmann so. Es sei zum Teil beschämend, wie mit Menschen in Not umgegangen werde, kritisierte die SPD-Stadträtin.

Mitglieder der CDU-Fraktion warnten aber auch vor einer Überforderung. „Wir müssen aufpassen, dass die gesellschaftliche Belastung nicht zu groß wird“, sagte Rolf Hettich. Denn mit der Bereitstellung von Unterkünften sei es nicht getan. Der Zustrom der Geflüchteten habe auch Auswirkungen auf Kindergärten, Schulen und ärztliche Versorgung. Die AfD-Fraktion würde am liebsten einen „Aufnahmestopp“ für Backnang verhängen. Über einen entsprechenden Antrag ließ der OB allerdings gar nicht erst abstimmen. „Selbst wenn wir so etwas beschließen würden, wäre die Entscheidung nichtig“, stellte Maximilian Friedrich klar.

Unterkünfte des Landkreises

Neben der Stadt plant auch der Landkreis zwei Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete in Backnang. Dort sollen Menschen untergebracht werden, die aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes kommen.

Berufschulzentrum Auf dem Sportplatz des Beruflichen Schulzentrums entsteht zurzeit eine provisorische Zeltunterkunft. In drei beheizbaren Zelten könnten insgesamt bis zu 450 Personen untergebracht werden. In Kochzelten können sich die Bewohner selbst verpflegen. Nach Angaben des Landratsamtes ist das erste der drei Zelte ab kommender Woche bezugsbereit. Es soll aber erst belegt werden, „wenn es zwingend nötig ist und auch nur mit der Anzahl an Plätzen, die zwingend nötig ist“.

Öhringer Straße Eine weitere Gemeinschaftsunterkunft des Landkreises ist auf einem unbebauten Grundstück in der Öhringer Straße geplant. Dort sollen rund 60 Geflüchtete in Containern untergebracht werden. Nach Angaben des Landratsamtes wurde dafür bereits eine Baugenehmigung beantragt. Als Einzugstermin wird Februar/März 2023 angepeilt.

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Erstellt:
5. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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