Zehn Vereine machen gemeinsame Sache
Die noch sehr junge Hegegemeinschaft Murr und Einzugsgebiet will den Bestand der Flussbewohner stärken
Gut 50 Kilometer lang ist der Fluss Murr. Und auch, wenn man es ihm auf den ersten Blick – als Laie – nicht ansieht, soentsprechen etwa 80 Prozent davon nicht dem ursprünglichen Verlauf. Diese Tatsache, und natürlich noch so manche Umweltsünde in den letzten Jahren und Jahrzehnten, hat dafür gesorgt, dass das natürliche ökologische Gleichgewicht des Gewässers nicht mehr so ist, wie es sein sollte.

Farmaale: Der Aal soll in der Murr wieder heimisch werden. Er ist ein wichtiger Flussbewohner, denn er frisst den Signalkrebs, der einheimische Krebse verdrängt. Fotos: J. Fiedler, privat
Von Simone Schneider-Seebeck
KIRCHBERG AN DER MURR. Im Februar 2019 hatten sich die zehn Angelvereine entlang der Murr, vom Ursprung des Flusses bis zur Einmündung, zusammengefunden, um die Hegegemeinschaft Murr und Einzugsgebiet zu gründen. Das Ziel der Vereinigung ist einerseits, den Flussverlauf zu renaturieren, und andererseits, die einheimischen Flussbewohner neu anzusiedeln und in ihrem Bestand zu stärken. Justin Guest ist der beratende Biologe der Hegegemeinschaft. Er hat einen Besatzplan für den gesamten Murrverlauf erstellt. So soll beispielsweise der Aal wieder heimisch werden. Als Raubfisch ist er ein wichtiger Flussbewohner, denn er frisst den invasiven Signalkrebs, der sich seit einigen Jahren in der Murr ausgebreitet hat und wiederum die einheimischen Krebse verdrängt. Auch Äsche und Forelle sollen sich wieder in der Murr heimisch fühlen.
Die vielfältigen Verflechtungen des Naturschutzes und die Auswirkungen auf das Ökosystem dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. So halten sich im Vogelschutzgebiet bei Pleidelsheim zahlreiche Kormoranpaare auf. Einerseits eine gute Sache, dass sich die Tiere so wohlfühlen, andererseits jedoch wird viel Fisch weggefangen oder sogar nur getötet, denn zu große Fische können die Kormorane gar nicht fressen. Aufgrund des flachen Wassers haben die Vögel es leicht, sich die Fische zu schnappen. Und die kommen mit der Vermehrung gar nicht mehr hinterher.
„Die Renaturierung der Murr soll – im Einklang mit dem Hochwasserschutz – den Fischen Schutz vor Raubvögeln bieten. Zudem wollen wir das Ökosystem so aufwerten, dass es für alle genug gibt“, so Diplom-Biologe Guest. Es fehlen Stand-, Laich- und Futterplätze. Steine im Wasser, Reisigbündel oder Ähnliches helfen den Fischen schon viel. Und wenn es gelingt, die Zahl der invasiven Krebsarten zu verringern, wachsen auch wieder mehr Pflanzen, die als Versteck dienen. Zudem ist auch die Durchgängigkeit des Flusses ein wichtiger Aspekt. Denn die Wasserbewohner müssen zum Laichen flussaufwärts schwimmen, um ihre Laichplätze erreichen zu können. Wehre können sie nicht überwinden, außer bei Hochwasser. Deshalb müssen Fischtreppen geschaffen werden. Die Durchgängigkeit der Murr ist besonders dem Diplom-Biologen ein wichtiges Anliegen. Der Besatz ist hochkomplex. Für jeden Murrabschnitt wurde ein Plan erstellt, welche Fische in welcher Zahl ausgesetzt werden sollen. Das Ziel hierbei ist, dass sich die Tiere im Laufe der Zeit an die Gegebenheiten der Murr anpassen, sich entsprechend vermehren und schließlich die Besatzzahl immer weiter heruntergefahren werden kann. Doch das ist ein langfristiges Projekt und wird einige Jahre in Anspruch nehmen, bis man Erfolge ausmachen kann. Um die Fische dauerhaft wieder anzusiedeln, muss zudem das Nahrungsangebot stimmen. Im aktuellen Zustand können in der Murr nicht viele Nährtiere überleben. Durch die Renaturierung wird auch für sie eine Lebensgrundlage geschaffen, etwa in Form von Verstecken, die der invasive Flusskrebs nicht erreichen kann.
Das Ökosystem hat in den letzten drei bis vier Jahrzehnten einen großen Wandel durchgemacht. Früher war die Murr sehr verschmutzt, das hat sich zum Glück verbessert. Und es hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kooperation dazugehört. Nur einen kleinen Flussabschnitt im Blick zu haben, ändert nicht viel, ein Gesamtkonzept ist notwendig. Die Vereine sind nach den ersten beiden Treffen hoch motiviert und zuversichtlich, dass es funktionieren wird. Neben den drei Arten Äsche, Forelle und Aal sollen je nach Gegend auch weitere Fische zum Zuge kommen, etwa der Barsch. Dann müsse man sehen, wie der Fluss sich entwickelt. Zumindest das Regierungspräsidium zeigt Interesse am Einsatz der Angelvereine, und so wird im Herbst ein Treffen zum Thema Renaturierung stattfinden. Zudem wird im nächsten Jahr eine Strukturanalyse gemacht, um zu überprüfen, wie es mit dem Nährtierangebot aussieht.
Das Ökosystem der Murr ist allen Mitgliedern der Hegegemeinschaft ein Herzensanliegen, denn von einem intakten Ökosystem haben alle etwas – der Spaziergänger, der sich am natürlichen Verlauf des Flusses erfreuen kann, der Angler, der die Ruhe und Schönheit am Wasser genießt, und die Wasservögel, die ausreichend Nahrung finden.

© Jörg Fiedler
Justin Guest
Im Februar 2019 trafen sich Vereine und private Personen, um über die Gründung einer Hegegemeinschaft zu diskutieren. Dazu gehören: ASV Murrhardt mit dem Vorsitzenden Florian Karpf, Fischereivereinigung Aspach mit dem Vorsitzenden Jürgen Fritz, Fischereirechtsinhaber Fischbach/Haselbach (Wolf-Dieter Laiblin), Angelgemeinschaft Oppenweiler (Rainer Maier), Anglerverein Backnang u.U. mit dem Vorsitzenden Alexander Schaal, ASV Sachsenweiler mit dem Vorsitzenden Jörg Kemmler, ASV Kirchberg an der Murr mit dem Vorsitzenden Vlado Pajurin, ASC Burgstetten mit dem Vorsitzenden Friedrich Scharpf, Fischerei- und Gewässerschutz-Verein Steinheim an der Murr mit dem Vorsitzenden Helmut Buckelt, Angelverein Murr mit dem Vorsitzenden Philip Eberle.
Beim zweiten Treffen wurde der Vorstand gewählt: 1. Vorsitzender Vlado Pajurin, 2. Vorsitzender Markus Weber, Schriftführer Alexander Schaal, 1. Berater Justin Guest; Satzungsentwurf Hannes Krauss.
Interessenten, Naturfreunde, Unternehmen und weitere Sponsoren, die die Maßnahmen unterstützen möchten, etwa als Pate, können sich an Vlado Pajurin (info@asv-kirchberg.de) oder Markus Weber (info@angelverein-backnang.de) wenden.